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„In Bautzen wird einfach zu wenig getan für den Radverkehr"

Die Stadt Bautzen bekommt im Fahrrad-Klimatest seit Jahren schlechte Noten. Woran das liegt und was sich dennoch schon getan hat, sagen die beiden Sprecher der ADFC-Ortsgruppe.

Von Tim Ruben Weimer
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Ina Wehner und Peter Stürzner setzen sich seit vielen Jahren für den Radverkehr in der Stadt Bautzen ein. Die Stadt tue zu wenig, um bestehende Probleme zu beheben, sagen sie.
Ina Wehner und Peter Stürzner setzen sich seit vielen Jahren für den Radverkehr in der Stadt Bautzen ein. Die Stadt tue zu wenig, um bestehende Probleme zu beheben, sagen sie. © Steffen Unger

Bautzen. Peter Stürzner und Ina Wehner sind die Gesichter der Bautzener Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). 20 Mitglieder sind 2023 dazugekommen, die Ortsgruppe besteht nun aus 107 Leuten. Im Interview mit Sächsische.de erklären die beiden Sprecher, für wie realistisch sie den Verzicht aufs Auto in Bautzen halten und was sich bisher in der Stadt für die Radfahrer getan hat.

Herr Stürzner, Frau Wehner, wie viele Ihrer täglichen Wege legen Sie tatsächlich mit dem Fahrrad zurück?

Ina Wehner: Außerhalb des Winters fahre ich fast jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich arbeite in Bautzen, das sind drei Kilometer für eine Strecke. Dazu kommen die Wege, die zwischendurch zu erledigen sind. Am Wochenende und im Urlaub fahre ich auch sehr viel Fahrrad, in guten Zeiten bin ich zwischen 3.000 und 4.000 Kilometer im Jahr gefahren.

Peter Stürzner: Ich bin tagtäglich mit dem Fahrrad unterwegs, wenn ich die Kinder zur Kita bringe und auf Arbeit fahre. Betrieblich bin ich mit dem Pkw in Bautzen und Umgebung unterwegs.

Frau Wehner, was hält Sie im Winter davon ab, in Bautzen mit dem Fahrrad zu fahren?

Ina Wehner: Der Schnee auf den Radwegen, ich müsste auf der Straße fahren. Und wenn die Straße auch voll Schnee ist, habe ich Angst, dass ich rutsche. Deswegen laufe ich im Winter viel, nehme aber auch das Auto.

Peter Stürzner: Im Winter Fahrrad zu fahren, ist schon ganz schön happig, selbst wenn man die verschneiten und vereisten Radwege meidet. Auf der Straße lebt man immer mit der Angst, der Autofahrer könnte es mal nicht schaffen, rechtzeitig zu bremsen. Im Winter muss man dafür sorgen, dass man gesehen wird, mit Warnweste und Licht.

Für wie realistisch halten Sie es, als Bautzener vollständig auf das Auto zu verzichten?

Ina Wehner: Für sehr realistisch. Mein Auto ist schon etwas älter, und ich überlege wirklich, ob ich mir nochmal eins zulegen muss. In Bautzen kann man alle Wege mit dem Fahrrad oder mit den Öffentlichen fahren. Arbeitswege in Bautzen oder im Umkreis von zehn Kilometern wie nach Oberkaina, Stiebitz oder Kleinwelka sind mit dem Fahrrad gut machbar. Mit dem E-Bike sind zehn Kilometer überhaupt nichts. Für weitere Reisen könnte ich mir ein Auto mieten, insbesondere wenn es in Bautzen Teilauto oder etwas ähnliches gäbe.

Sie sagen, die Stadt Bautzen biete von ihrer Struktur her beste Voraussetzungen für den Radverkehr. Was meinen Sie damit?

Ina Wehner: Einerseits, dass Bautzen relativ flach ist. Und es ist eine mittelgroße Stadt, wo man schnell mit dem Fahrrad vom Randgebiet bis ins Zentrum kommt.

Peter Stürzner: Zudem sind Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Seniorenheime und Einkaufsmöglichkeiten gut in der Stadt verteilt. Man hat kurze Wege, auch weil die vielen Einbahnstraßen für entgegenkommenden Fahrradverkehr geöffnet wurden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Regelung gemacht?

Ina Wehner: In unserem Fahrradklima-Test haben viele geschrieben, dass sie niemals die Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung fahren würden, weil Autofahrer nicht auf sie achten würden. Die Autofahrer würden bösartig reagieren und Radfahrer nicht akzeptieren. Ich selber habe nie solch ein Problem gehabt.

Welche Probleme werden im Fahrradklima-Test immer wieder angesprochen?

Ina Wehner: Die Führung von Radverkehr an Baustellen ist ein ganz wichtiges Thema. Der Radfahrer wird in Bautzen überhaupt nicht mitgedacht, es wird einfach ein Schild „Radweg Ende“ oder „Radfahrer absteigen“ aufgestellt. Das ist für die Stadt natürlich die einfachste Lösung.

Wie könnte man das stattdessen regeln?

Ina Wehner: Indem man vielleicht eine Autospur wegnimmt. Priorität hat immer der Autoverkehr, und das ist falsch. In vielen anderen Städten wird der Radfahrer über eine kleine Asphaltrampe auf die Fahrbahn geleitet, und es wird eine gelbe Markierung für den Radfahrer geklebt. Das fährt sich wunderbar, aber in Bautzen gibt es das nicht.

Peter Stürzner: Oftmals wird im Fahrradklima-Test auch das Sicherheitsgefühl auf dem Fahrrad angesprochen. Wer das erste Mal mit dem Fahrrad auf der Straße zwischen Autos fährt, hat natürlich erstmal Angst. Aber je öfter man Fahrrad fährt, umso mehr kommt auch das Sicherheitsgefühl, weil man alles besser einschätzen kann.

Werden Sie mit Ihren Anliegen bei der Bautzener Stadtverwaltung gehört?

Ina Wehner: Von den vielen Problemstellen, auf die wir die Stadtverwaltung immer wieder hinweisen, wurden einige wenige geändert. Zum Beispiel die Autobahnunterführung bei Burk. Der gemeinsame Geh- und Radweg unter der Brücke ist nur 1,80 Meter breit, also eine Gefahrenstelle. Die Stadt hat 2023 die beiden Richtungen mit einer Markierung getrennt und die Geschwindigkeit der Autos von 100 auf 50 km/h reduziert. Das ist ein Erfolg. Außerdem ist auf der Äußeren Lauenstraße der Radstreifen markiert worden, auf der Wilthener Straße ist die Benutzungspflicht für einen Radweg, der in schlechtem Zustand ist, aufgehoben worden.

Im ADFC-Fahrrad-Klimatest wird die Stadt Bautzen seit 2018 dennoch Jahr für Jahr schlechter bewertet. Woran liegt das?

Peter Stürzner: Wenn die Stadt etwas macht, kommuniziert sie es nicht. Die kleinen Probleme, die behoben werden, kommen bei der Öffentlichkeit nicht an. Und es gibt viele kritische Punkte in der Stadt, die gar nicht angegangen werden. Es wird einfach zu wenig getan für den Radverkehr.

Ina Wehner: Negativ bewertet werden die Breite der Radwege, die fehlende Werbung für das Fahrradfahren und vor allem die Führung an Baustellen. Auch dass es keine Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen gibt und der Winterdienst auf Radwegen nicht funktioniert.

Was plant der Bautzener ADFC 2024?

Ina Wehner: Wir wollen die Kidical Mass, die Kinderdemo, wieder durchführen, weil sie auch bei Passanten Aufmerksamkeit erregt. Wir wollen wieder Fahrräder codieren – da bekommt das Fahrrad einen Aufkleber mit einer Nummer, die nur wir und die Polizei entschlüsseln können. Wird ein Fahrrad gefunden, kann man zurückverfolgen, wem es gehört. Außerdem wollen wir mit mehreren Radfahrern im Feierabendverkehr zwei Stunden auf den Bautzener Radschutzstreifen entlangfahren, damit die Autofahrer merken, dass sie nichts auf diesen Streifen zu suchen haben.