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Bautzen: Schwere Vorwürfe gegen Polizisten

Ein Beamter soll sensible Daten aus internen Systemen abgerufen und verschickt haben. Jetzt steht er vor Gericht. Brisant ist, wer die Informationen bekam.

Von Theresa Hellwig
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Am Mittwoch musste sich vor dem Bautzener Amtsgericht ein Polizist verantworten - weil er sensible Daten weitergegeben haben soll.
Am Mittwoch musste sich vor dem Bautzener Amtsgericht ein Polizist verantworten - weil er sensible Daten weitergegeben haben soll. © lausitznews.de

Bautzen. Die Hilflosigkeit, die Alice Hartmann empfunden hat, ist ihr am Mittwochmorgen anzumerken. An diesem Vormittag sitzt die Frau aus Neukirch auf der Zeugenbank im Bautzener Amtsgericht – nicht zum ersten Mal. Erneut ist sie das Opfer.

Etwa zweieinhalb Jahre lang hat ihr Ex-Freund, der ehemalige Bautzener Autohändler Josef A., ihr nachgestellt. Mehrfach hat er sie angegriffen und teilweise krankenhausreif geschlagen. Er drohte ihr und ihrer Familie. Und kassierte dafür nach einem langwierigen Prozess vergangenes Jahr eine – noch nicht rechtskräftige - Haftstrafe von dreieinhalb Jahren.

Als ob das an sich nicht schon genug wäre, hat Alice Hartmann in diesem Zusammenhang aber noch ein anderes Problem. Sie ist überzeugt: In den zweieinhalb Jahren, die der Mann ihr nachstellte, sind Informationen von der Polizei an ihn durchgestochen worden. „Er hatte viele Freunde bei der Polizei“, sagt sie.

Sie erzählt, wie eine Polizistin für eine Vernehmung bei ihr war – und sie von Josef A. eine SMS bekam mit den Worten: „Grüß schön“. Sie berichtet, wie er nach jeder ihrer Vernehmungen sie direkt anrief oder ihr schrieb – und ihr zeigte, dass er Informationen daraus wusste. „Einmal haben mir mehrere Polizisten gesagt, ich solle die Füße still halten“, sagt Alice Hartmann vor Gericht. „Wenn ich die Polizei anrief, wusste ich anfangs nicht, ob jemand kommt, der mir hilft, oder einer, der mit Josef A. Kaffee trinkt.“

Adressen von Autobesitzern abgefragt

An diesem Mittwoch sitzt bei dem Prozess, zu dem Alice Hartmann als Zeugin geladen ist, auf der Anklagebank ein Polizist aus dem Bautzener Polizeirevier. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm den Verrat von vier Privatgeheimnissen und einem Dienstgeheimnis vor. Der Mann soll Daten aus polizeiinternen Systemen abgerufen und verschickt haben. Brisant ist dabei der Adressat: Der angeklagte Polizist soll Josef A. mehrfach mit Informationen versorgt haben.

Zum Beispiel soll er die Halter von Autos in den Polizei-Systemen abgefragt und die Ergebnisse an Josef A. übermittelt haben. In zwei Fällen ging es dabei um Dinge, die nichts mit Alice Hartmann zu tun haben. Im dritten Fall sieht das anders aus.

Ein Anruf unter falschem Vorwand

Abgespielt hat sich das Ganze am 13. April 2018. Zwar soll der angeklagte Polizist die Daten da nicht selbst abgerufen haben, weil er nicht im Dienst war. Aber er soll eine Kollegin angerufen und ihr gegenüber behauptet haben, dass ein Auto so vor seiner Einfahrt parkt, dass er nicht wegfahren könne. Er soll sie gebeten haben, den Halter zu ermitteln.

Tatsächlich – und das gibt der angeklagte Polizist zu – befand er sich zu diesem Zeitpunkt aber in einer Pension in Bautzen. Und das Auto, dessen Halter er herausfinden wollte, befand sich nicht dort – sondern auf dem Grundstück von Alice Hartmann. Es gehörte einem Besucher.

An jenem Tag im April 2018, kurz nach dem Gespräch mit dem Polizisten, stürmte Josef A. in die Wohnung und verprügelte Alice Hartmann und diesen Besucher mit einem Holzstab. Letzterem brach er dabei den Kiefer.

Sensible Daten über Vernehmung sickerten durch

Auch bei einem vierten Vorwurf geht es um die Frau aus Neukirch. Jedoch steht hier nicht mehr bloß eine Kennzeichenabfrage im Raum. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Polizisten vor, Josef A. mitgeteilt zu haben, wann Alice Hartmann das nächste Mal zu den Vorwürfen gegen ihn vernommen wird. „Und das, obwohl er wusste, dass gegen Josef A. ein Verfahren wegen Nachstellung läuft“, erklärt der Staatsanwalt am Mittwoch vor Gericht. „Er brachte Josef A. damit in die Situation, dass er auf das Ermittlungsverfahren einwirken konnte.“

Der angeklagte Polizist leugnet nicht, die Daten abgefragt zu haben. Mit zwei Haltern von Autos hat er sich deshalb außergerichtlich geeinigt, ihnen eine Summe von 300 Euro angeboten. Die Staatsanwaltschaft verfolgt diese beiden Fälle nicht weiter.

Angeklagter: "Wusste nicht, dass es um Josef A. geht"

Anders aber bei den Fällen, die Alice Hartmann betreffen. Ja, er habe die Daten abgefragt, so der Angeklagte. Wer der Halter des Autos am 13. April 2018 auf dem Hof von Alice Hartmann war, das habe er Josef A. aber nicht mehr mitgeteilt. Er sei da schon gar nicht mehr erreichbar gewesen – vermutlich, weil er bereits in die Wohnung eingebrochen war und auf die beiden einschlug.

Und ja, er habe Josef A. das Datum der Vernehmung mitgeteilt. Aber dieser habe die Auskunft unter falschem Vorwand erfragt. Er habe gesagt, so der angeklagte Polizist, dass er gemeinsam mit Alice Hartmann zu der Vernehmung fahren wolle. Die beiden hätten schließlich schon länger eine On-Off-Beziehung gehabt, also habe er sich nichts dabei gedacht. Dass es in der Vernehmung um Vorwürfe gegen Josef A. ging? Habe er nicht gewusst.

Prozess wird übernächste Woche fortgesetzt

Zwar meinen Staatsanwalt und Richter, dass das im Polizeisystem hätte angezeigt werden müssen. Aber aufzuklären ist das an diesem Tag nicht. Ebenso wenig die Frage, ob der Polizist wusste, dass weit über 100 Strafverfahren gegen Josef A. gelistet sind. Auch, ob der Polizist Josef A. am 13. April 2018 nun über das Ergebnis der Datenabfrage informierte oder nicht, bleibt vorerst ungeklärt.

Drei wesentliche Fragen sind damit noch offen, befindet Richter Ralf Nimphius am Mittwoch. Um die zu klären, will er Josef A. aus der U-Haft holen lassen und befragen. Außerdem will er sich von einem mit dem Fall betrauten Polizisten erklären lassen, ob der Angeklagte im System hätte sehen müssen, dass es bei der Vernehmung um Josef A. ging.

Am 17. Mai soll der Prozess fortgesetzt werden. Ob in dem Zusammenhang auch gegen weitere Polizisten ermittelt wird, ist unbekannt. Der bisher angeklagte Polizist ist derzeit suspendiert, erhält aber sein volles Gehalt.

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