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Bautzen: So macht Polizeihund Ivan Jagd auf flüchtige Straftäter

Die Polizeihundestaffel der Polizeidirektion Görlitz stellt Unfallflüchtige, findet vermisste Senioren und hält Angreifer auf Abstand. Ein Besuch auf der Trainingswiese.

Von Tim Ruben Weimer
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Fährten- und Schutzhund Ivan lebt bei Philipp Keller und ist bei vielen Polizeieinsätzen dabei. Er hat schon so manches Mal geholfen, Straftaten im Landkreis Bautzen aufzuklären.
Fährten- und Schutzhund Ivan lebt bei Philipp Keller und ist bei vielen Polizeieinsätzen dabei. Er hat schon so manches Mal geholfen, Straftaten im Landkreis Bautzen aufzuklären. © Steffen Unger

Bautzen. Polizeihund Ivan reckt beide Ohren aufrecht nach oben, sein Körper atmet tief und fest, er lässt sein Ziel keine Sekunde aus den Augen. "Hier spricht die Polizei! Bleiben Sie stehen, oder ich schicke meinen Hund", ruft der 35-jährige Philipp Keller über die Wiese. Der Täter reagiert nicht und läuft davon. Keller lässt die Leine los. In Windeseile sprintet Ivan auf die andere Seite des Rasens, springt selbstbewusst an dem aus Überraschung stehengebliebenen Täter hoch und bellt aus Leibeskräften.

"Aus! Platz!", ruft Keller von hinten. "Hat er dich berührt?" "Ganz leicht", antwortet der angefallene Kollege. Keine Belohnung für Hund Ivan. Ein still stehendes Opfer zu berühren, ist verboten, das könnte im Zweifelsfall vor Gericht als Körperverletzung ausgelegt werden.

Hunde können tiefe Fleischwunden verursachen

Es ist ein Training, wie es der fünfeinhalbjährige Deutsche Schäferhund tagtäglich bei der Polizei absolviert. Keller gibt das Kommando zum Ablassen: "Stopp! Platz!" Ivan legt sich vor den Täter, die Muskeln immer noch bis aufs Äußerste angespannt, das Gesicht scharf nach oben gereckt. Als der Täter plötzlich beginnt, mit den Armen zu fuchteln, unternimmt Ivan einen akrobatischen Luftsprung und beißt ihm tief in den Arm. Der Täter verzieht das Gesicht. Ohne Schutzanzug würde das eine tiefe Fleischwunde geben, ein Arztbesuch wäre unumgänglich.

Jeder Hundeführer muss sich im Training auch von anderen Hunden angreifen lassen: Hier zeigt die Malinois (eine Variante des Belgischen Schäferhundes) Evienne ihre Sprungkraft an Hundeführer Philipp Keller.
Jeder Hundeführer muss sich im Training auch von anderen Hunden angreifen lassen: Hier zeigt die Malinois (eine Variante des Belgischen Schäferhundes) Evienne ihre Sprungkraft an Hundeführer Philipp Keller. © Steffen Unger

Während Ivan seine Zähne in den gepolsterten Stoff vergräbt, lauscht er dem durch die Luft schnellenden Klick-Geräusch, das von einem kleinen mechanischen Gerät ausgeht, das Hundeführer Keller in der Hand hält. Es ist die Bestätigung, dass er diesmal alles richtig gemacht hat. Die Belohnung hat er bereits erhalten: Er darf zubeißen.

Polizei macht sich angeborenen Jagdtrieb zunutze

"Schäferhunde haben einen angeborenen Jagdtrieb", erklärt André Käthner, stellvertretender Leiter der 13 Tiere umfassenden Hundestaffel der Polizeidirektion Görlitz. "Würde man ihnen eine Schüssel Futter oder ein Stück jagdbare Beute anbieten, würden sie sich immer für letzteres entscheiden", erklärt er. Eine Herausforderung sei es, ihnen das Loslassen beizubringen und ihnen abzutrainieren, an der Beute zu reißen und zu schütteln, um keine zusätzlichen Verletzungen beim Täter zu verursachen. "Wenn aber von uns ein Hund zum Beißen angesetzt wird, sind meistens schon Hopfen und Malz verloren", erklärt er.

Philipp Keller und Fährten- und Schutzhund Ivan sind ein eingespieltes Team.
Philipp Keller und Fährten- und Schutzhund Ivan sind ein eingespieltes Team. © Steffen Unger

Ivan ist ein Schutz- und Fährtenhund. Wie die anderen polizeilichen Diensthunde ist er an der Diensthundeschule in Naustadt im Landkreis Meißen dual, also für zwei Einsatzzwecke, ausgebildet worden. Ohne ihn wäre so manche Straftat im Landkreis Bautzen nicht aufgeklärt worden. Zum Beispiel stellte er am 25. Januar 2024 in Bischofswerda einen Motorradfahrer, der nach einem Verkehrsunfall geflohen war und sich bereits mehrere Dinge zuschulden kommen lassen hatte.

Ivan findet Unfallflüchtigen auf Nachbargrundstück

Die Polizisten hatten den Hinweis bekommen, dass der Gesuchte auf das Grundstück seiner Gartenanlage geflohen sein könnte. Als sie ihn dort nicht fanden, kam Ivan in seiner Funktion als Schutzhund zum Einsatz. Ein Schutzhund ist dafür da, den Polizeibeamten zu beschützen, Angriffe abzuwehren und eine Gegend selbstständig nach Personen abzusuchen.

Ivan fing im Nachbargrundstück hinter einem Gewächshaus an zu bellen. "Dort lag der Delinquent mit Schürfwunden und Cliptütchen mit Betäubungsmitteln", berichtet die Leiterin der Hundestaffel, Ulrike Lassak. "Der muss ziemlich geflattert haben hinter dem Gewächshaus und Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet haben."

Ein Biss von Polizeihündin Evienne kann heftig wehtun.
Ein Biss von Polizeihündin Evienne kann heftig wehtun. © Steffen Unger

Ivan war auf diese Geruchskombinition trainiert worden. Andere Spürhunde der Polizeidirektion können etwa Rauschmittel, Sprengstoffe, Leichen und sogar die seltenen Erden und verwendeten Rohstoffe von Speicherchips in Handys, Computern oder GPS-Geräten erschnüffeln. Wäre der Flüchtige in Bischofswerda nicht hinter dem Gewächshaus gefunden worden, wäre als Nächstes mit einer Kompresse ein Geruchsträger vom Motorradlenker und -sattel erstellt und ein Mantrailer, also ein Personensuchhund, darauf angesetzt worden, erklärt Lassak. Bis zu vier Wochen alte Geruchsspuren kann der Hund dabei noch verfolgen.

Fremde sollten Polizeihunden besser nicht zu nahe kommen

Philipp Keller und sein Fährtensuchhund Ivan begleiten auch immer wieder Streifentätigkeiten an besonders heiklen Orten. Zum Einsatz komme Ivan dabei jedoch längst nicht immer, oft reiche schon die abschreckende Wirkung eines Hundes aus. Auch privat kümmert sich Keller um Ivan, der Hund wohnt bei ihm zu Hause. Mit Kuscheln auf dem Sofa ist da allerdings wenig.

"Ivan lebt komplett abgetrennt von meiner Familie im Zwinger", erklärt Keller. Zu viel Aufmerksamkeit von verschiedenen Menschen könne seinen Geruchssinn abstumpfen lassen. Zudem dürfen fremde Personen Ivan nicht zu nahe kommen, ein freundschaftlicher Anrempler könnte bereits Ivans Beschützerinstinkt aktivieren. "So ein Hundeführerleben kann auch verdammt einsam machen."