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In der Oberlausitz werden die Richter knapp

In Bautzen, Görlitz und Zittau gehen viele Mitarbeiter der Justiz in Rente, junge Absolventen können die Lücken nur zum Teil füllen. Die Gerichte reagieren mit unkonventionellen Lösungen.

Von Tim Ruben Weimer
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Landgerichts-Präsident Friedrich-Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg (Mitte), und die Pressesprecher Jörg Küsgen (links, Görlitz) und Reinhard Schade (rechts, Außenstelle Bautzen) hoffen auf mehr junge Leute an den ostsächsischen Gerichten, die bleiben.
Landgerichts-Präsident Friedrich-Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg (Mitte), und die Pressesprecher Jörg Küsgen (links, Görlitz) und Reinhard Schade (rechts, Außenstelle Bautzen) hoffen auf mehr junge Leute an den ostsächsischen Gerichten, die bleiben. © Steffen Unger

Bautzen. Das Landgericht Görlitz und die sechs Amtsgerichte in Bautzen, Görlitz, Zittau, Kamenz, Hoyerswerda und Weißwasser stehen in den kommenden Jahren zunehmend vor einem Personalproblem. Allein am Landgericht gehen in den kommenden Jahren sechs Richter in den Ruhestand, an den übrigen Amtsgerichten sind es rund zehn. Das berichtete der Präsident des Landgerichts, Friedrich-Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg, auf einer Pressekonferenz.

Neun von 84 Richtern sind auf Probe bedienstet

Bis auf eine Richterstelle am Amtsgericht Görlitz seien dennoch alle 84 Richterstellen besetzt, neun davon allerdings mit sogenannten Richtern auf Probe. Dabei handelt es sich um Studienabsolventen, die ihr erstes Jahr als praktrizierender Richter oder Staatsanwalt beginnen. So hatten im vergangenen Jahr etwa am Amtsgericht Bautzen zwei damals 29- und 33-jährige Richterinnen ihre Probezeit begonnen. Erst nach mindestens drei Jahren, im Regelfall nach fünf Jahren, können die Jungrichter zum Richter auf Lebenszeit ernannt werden.

Die in den kommenden Jahren noch weiter steigende Zahl der Proberichter habe zwei Seiten, so Stolberg: Einerseits sinke dadurch der hohe Altersdurchschnitt in der Justiz. Da die neu anfangenden Richterinnen vorwiegend weiblich seien, werde der Anteil der Frauen unter den Richtern von momentan rund 37 Prozent bald auf über 50 Prozent steigen.

Die beiden Proberichterinnen Anne-Kathrin Wawra (links) und Sophia Linsmann unterstützen das Amtsgericht Bautzen seit vergangenem Jahr. Damit ist der dortige Altersschnitt unter den Richtern rapide gesunken.
Die beiden Proberichterinnen Anne-Kathrin Wawra (links) und Sophia Linsmann unterstützen das Amtsgericht Bautzen seit vergangenem Jahr. Damit ist der dortige Altersschnitt unter den Richtern rapide gesunken. © Steffen Unger

Doch obwohl die Erfahrungen mit den Richtern auf Probe gut seien, stellten sie noch keine vollwertigen Richter dar und müssten zunächst angelernt werden. Vor allem am Amtsgericht Zittau, wo drei von acht Richtern auf Probe bedienstet seien, werde das zunehmend schwierig.

Weil ein Teil der Probezeit auch bei der Staatsanwaltschaft abgeleistet wird, stünden die Proberichter zudem nur zwischen einem und zwei Jahren tatsächlich zur Verfügung. Familien- und Betreuungssachen dürfen Richter auf Probe außerdem nicht übernehmen. Weiterhin sei unklar, ob die jungen Richter auch langfristig in Ostsachsen bleiben. Zum Teil seien begehrte Stellen an Leipziger Gerichten versprochen worden, wenn zuvor eine bestimmte Zeit an einem ostsächsischen Gericht absolviert wurde.

Wenige junge Richter wollen dauerhaft nach Ostsachsen

"Unser Hauptproblem im Landgerichtsbezirk Görlitz ist unsere Randlage", so Präsident Stolberg. Besonders dramatisch sei es am Amtsgericht Görlitz: Auf eine Ende Dezember ausgeschriebene Richterstelle habe es bislang keine einzige Bewerbung gegeben, die Stelle bleibt nun vorerst unbesetzt. Zeitgleich ballen sich dort die Schleuserverfahren.

An der Landgerichts-Außenstelle in Bautzen übernehmen bis voraussichtlich Mai vier Zivilrichter die Arbeit von zwei weggefallenen Strafrichtern. Am Amtsgericht Bautzen seien derzeit zwar alle Richterstellen dem Bedarf entsprechend besetzt, perspektivisch jedoch fehlten Kräfte über alle Laufbahnen hinweg, insbesondere im Bereich der Urkundsbeamten und Rechtspfleger, sagt Amtsgerichts-Präsidentin Gesine Tews.

Zum Teil werde sich auch mit unkonventionellen Lösungen beholfen, erklärt Landgerichts-Präsident Stolberg. So seien zum Beispiel zwei Frauen aus der allgemeinen Landkreis- und Stadtverwaltung als Rechtspflegerinnen eingestellt worden, sie seien mit Aufgaben betraut, für die keine Ausbildung zum Rechtspfleger nötig sei. Am Amtsgericht Zittau und am Amtsgericht Kamenz sind ehemalige Rechtsanwälte zum Richter auf Probe bedienstet worden.

Generationenwechsel steht vor der Tür

Grund für das Altersproblem sei, so erklärt die Bautzener Amtsgerichts-Präsidentin Tews, dass nach der Wende auf einen Schlag viele Richter im Alter von 30 Jahren eingestellt worden seien. Es gebe demnach keine gewachsene Altersstruktur und in den nächsten Jahren stehe ein Generationenwechsel an.

Hoffnung macht die zweijährige Ausbildung von jungen Referendaren, die seit zwei Jahren neben Dresden, Leipzig und Chemnitz auch am Landgericht Bautzen möglich ist und die angehenden Juristen auf das zweite Staatsexamen vorbereitet. Am Amtsgericht Bautzen werden zudem Rechtspfleger und Rechtsfachwirte ausgebildet. "Eine gut funktionierende Justiz ist wichtig, um der Staatsverdrossenheit, die man in Teilen der Bevölkerung spürt, entgegen zu wirken", ist Tews überzeugt.