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Wie eine Bautzenerin nach Corona kämpfen muss

Anfang November hat sich Wiebke Kasper mit dem Corona-Virus infiziert. Noch immer leidet die Lehrerin unter den Folgen – und will deshalb jetzt andere warnen.

Von Theresa Hellwig
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Die Bautzener Gymnasiallehrerin Wiebke Kasper hat sich im November mit dem Corona-Virus infiziert - und kämpft sich jetzt zurück in ihren Alltag.
Die Bautzener Gymnasiallehrerin Wiebke Kasper hat sich im November mit dem Corona-Virus infiziert - und kämpft sich jetzt zurück in ihren Alltag. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Das Unheil begann am 11. November 2021: Als ihre Tochter an jenem Donnerstagmorgen aufwachte, so erinnert sich Wiebke Kasper, hatte die Neunjährige eine verstopfte Nase. „Wir sind sehr vorsichtig, was Corona anbelangt – deshalb hat meine Tochter gleich von sich aus gesagt, dass sie gerne einen Schnelltest machen möchte“, erzählt Wiebke Kasper.

In eine Decke gehüllt, sitzt die 50-jährige Bautzenerin an einem Morgen im Januar 2022 auf dem Balkon, um ihre Geschichte zu erzählen. Dass das Gespräch draußen stattfindet, ist eine Vorsichtsmaßnahme – wegen Corona. Doch alle Vorsichtsmaßnahmen konnten ihre Tochter am Ende nicht vor der Ansteckung schützen: „Der Schnelltest war direkt positiv“, erinnert sich Wiebke Kasper. Ein PCR-Test bestätigte den Verdacht.

Das Corona-Virus, sagt die Lehrerin des Bautzener Schiller-Gymnasiums, hat ihr Leben verändert. Noch immer kämpft sie mit den Folgen der Erkrankung – dabei hatte sie gar keine klassischen Symptome. Um andere für das Thema zu sensibilisieren, will Wiebke Kasper ihre Geschichte erzählen.

Mehrere Kreislaufzusammenbrüche

Denn ein paar Tage später schlägt auch ihr eigener Corona-Test an. Sie ist zu diesem Zeitpunkt zweimal geimpft, wartet gerade auf ihren Booster-Termin.

Ungefähr zeitgleich bekommt auch Wiebke Kasper Symptome. Nicht die klassischen Corona-Symptome allerdings; Atmung und Geschmack sind in Ordnung. Kurzzeitiges Fieber verschwindet wieder. Doch Wiebke Kasper bekommt Magenschmerzen, Koliken und blutigen Durchfall. „Es wurde immer, immer schlimmer“, erinnert sie sich. „Ich habe mich von Schonkost extrem ernährt“, sagt sie und zählt auf: „Knäckebrot, Kartoffelbrei mit Wasser, drei Stunden lang gekochte Möhren.“ Nichts half. „Sogar Trinken wurde zur Qual; ich habe immer direkt schlimme Koliken bekommen“, sagt sie.

So schlimm wurde es, dass sie am 22. November – das Datum hat sie sich genau gemerkt – einen Kreislaufzusammenbruch erleidet. „Meine Hände haben gekrampft, ich lag am Boden und hatte taube Beine, und auch mein Gesicht war taub“, erzählt die Lehrerin. „Meine Tochter hat völlig verängstigt meinen Mann angerufen, der hat den Rettungsdienst gerufen“, erzählt sie. „Meine Tochter wollte tapfer sein, aber hat geweint. Wenn man so etwas erlebt, hinterlässt das Spuren“, sagt Wiebke Kasper – und blickt herunter, scheint sich kurz sammeln zu müssen.

Tochter: "Wann kommst du nach Hause, Mama?"

„Wir mussten ziemlich lange warten, bis die Rettungssanitäter kamen. Die waren alle wegen Corona im Einsatz“, sagt sie. Und auch ins Krankenhaus sei sie nicht eingewiesen worden. „Mir wurde davon abgeraten, weil das Krankenhaus ja ohnehin wegen Corona überlastet sei“, sagt sie.

Ungefähr ab diesem Zeitpunkt, erinnert sich die 50-Jährige, konnte sie das Bett nicht mehr verlassen. Weitere Kreislaufzusammenbrüche erfolgten. Auch ihren runden Geburtstag verbrachte sie – am 30. November – im Bett.

Kurz darauf erhält sie eine Magen- und eine Darmspiegelung. „Ich musste die Termine hart erkämpfen, aber ich hatte das Gefühl, ich schaff das sonst nicht“, sagt sie. „Ich habe resigniert – und zwischendurch gedacht, dass ich dann wohl sterben muss. So schlimm war das.“ Als am 2. Dezember ein weiterer Kreislaufzusammenbruch erfolgt, kommt sie ins Krankenhaus.

Mehr als eine Woche bleibt sie dort; eine Zeit, in der ihre Tochter sie sehr vermisste. „Sie hat mich gefragt, wann ich endlich nach Hause komme. Immer wenn ich daran denke, schießen mir die Tränen in die Augen“, sagt Wiebke Kasper – und blinzelt auch in diesem Moment schnell.

Immunsystem durch Erkrankung so sehr geschwächt

Kurz darauf erfährt sie aber immerhin mehr. Ein Verdacht hat sich aus den Magen- und Darmspiegel-Proben ergeben, der wenig später bestätigt wird: Colitis ulcerosa. Das ist eine chronisch entzündliche Darmkrankheit – und sie wird Wiebke Kasper von nun an immer begleiten. Zehn Kilogramm habe sie dadurch abgenommen.

Was das alles mit Corona zu tun hat? Tatsächlich zählt das Robert-Koch-Institut Magen- und Darm-Beschwerden zu den Corona-Symptomen, nicht jedoch zu den LongCovid-Symptomen. Und im Falle von Wiebke Kasper? „Im Krankenhaus wurde mir erklärt, dass der Auslöser für meine Beschwerden ein Bakterium sei“, sagt sie. „Das hat mich nur so hart erwischt, weil mein Immunsystem durch Corona so sehr geschwächt war.“

Welche Folgen eine Corona-Infektion haben kann; welches Schicksal daran hängt, darauf möchte sie mit ihrer Geschichte aufmerksam machen. „Es ist ja nicht nur die Erkrankung an sich, sondern auch der Umstand, dass die medizinischen Einrichtungen überlastet sind – und Leute, die wirklich dringend einen Termin beim Arzt brauchen, darauf warten müssen“, sagt sie.

Regelrecht wütend werde sie deshalb angesichts der Corona-Proteste in Bautzen. „Die Protestierenden verstehen den Freiheitsbegriff falsch“, sagt sie. „Wir sind eine Solidargemeinschaft. Da gibt es Grenzen, was die Freiheit des einzelnen betrifft.“ Ihre Hoffnung: Dass vielleicht der eine oder andere ihre Geschichte liest, nachempfinden kann – und noch einmal nachdenkt.

Für sie jedenfalls ist das Thema noch lange nicht abgehakt. Langsam kämpft sich Wiebke Kasper jetzt in ihren Alltag zurück. In der kommenden Woche will sie ihre Wiedereingliederung in den Schulunterricht starten. „Der zwölfte Jahrgang braucht mich ja, es geht bald auf das Abitur zu“, sagt sie. Dennoch startet sie vorsichtig: „Ich muss erstmal schauen, wie es geht. Begleiten wird mich die Erkrankung jetzt immer.“