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Schlossbesitzer-Nachkommen: "Wir machen dort weiter, wo unsere Vorfahren aufhörten"

Beat von Zenker und Hagen W. Lippe-Weißenfeld sind Nachkommen der früheren Schlossbesitzer von Gröditz und Baruth. Gemeinsam haben sie große Pläne für die Zukunft.

Von Uwe Menschner
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Beatus von Zenker (l.) und Hagen W. Lippe-Weißenfeld sind über die gemeinsame Arbeit an der Vorbereitung zur Kammermusikfest Oberlausitz Akademie zu guten Freunden geworden - wie es schon ihre Vorfahren waren.
Beatus von Zenker (l.) und Hagen W. Lippe-Weißenfeld sind über die gemeinsame Arbeit an der Vorbereitung zur Kammermusikfest Oberlausitz Akademie zu guten Freunden geworden - wie es schon ihre Vorfahren waren. © Uwe Menschner

Gröditz. Diese Szene mag sich vor etwa 90 Jahren öfter einmal abgespielt haben: Eine Kutsche fährt über die Feld- und Wiesenwege von Baruth nach Gröditz und macht vor dem dortigen Schloss Halt. Heraus steigen Ferdinand Prinz zur Lippe-Weißenfeld, seine Gemahlin Dorothea Prinzessin von Schönburg-Waldenburg und die Kinder der beiden, Franz und die kleine Margarete. „Manchmal sind sie auch zu Fuß gegangen“, sagt Hagen W. Lippe-Weißenfeld. „Die Familien Lippe-Weißenfeld und Krauss waren eng befreundet und besuchten sich oft gegenseitig.“

Das weiß der in der Oberlausitz vor allem als Intendant des Kammermusikfests bekannte Kulturmanager aus erster Hand: Schließlich ist er der Sohn von Margarete und Enkel von Ferdinand und Dorothea. Das Haus seiner Vorfahren, das Baruther Schloss, hat der 1975 Geborene allerdings nie in seiner Pracht und Schönheit gesehen: Es wurde 1949/1950 aus politisch motivierten Gründen gesprengt.

Anders als Schloss Gröditz. Diesem kam zugute, dass die neuen Machthaber eine Nutzung fanden, die ihnen akzeptabel erschien: als Nervenheilanstalt. Hier lebten also einst Rudolf von Krauss und Gerda von Krauss von Zenker, womit nun auch der zweite wichtige Name dieser Geschichte ins Spiel kommt: Der heutige Schlossbesitzer, Beat von Zenker, ist der Großneffe besagter Gerda.

Lippe-Weißenfeld auf Suche nach neuem Ort für Kammermusikfest

Seit 2006 engagiert er sich für seinen ostsächsischen Besitz und hat ihn zu neuer Blüte geführt. Hagen W. Lippe-Weißenfeld beteiligte sich 2019 an einem Benefizkonzert zugunsten der Glocken in der Baruther Kirche. „Daraus erwuchs der Wunsch, ein Festival zu organisieren“, blickt er heute zurück – das Oberlausitzer Kammermusikfest war geboren. So wirkten beide Männer, jeder auf seine Weise, jahrelang in der Region ihrer Vorfahren, ohne allerdings größere Notiz vom jeweils Anderen zu nehmen.

Doch das änderte sich im Vorfeld der Akademie im Jahr 2024, die im jährlichen Wechsel mit dem eigentlichen Festival stattfindet. Beat von Zenker war auf der Suche nach neuen Impulsen für das Schloss, worüber Sächsische.de im Herbst 2023 ausführlich berichtete. Und Hagen W. Lippe-Weißenfeld war auf der Suche nach einem neuen Stammsitz für das Kammermusikfest. Und was lag da näher, als beim benachbarten Schlossbesitzer anzurufen?

Schloss Gröditz soll für Öffentlichkeit erhalten bleiben

„Ich hatte mich zuvor schon ein wenig schlau gemacht und wusste etwas über die gemeinsame Vergangenheit unserer Familien“, berichtet der Intendant. Doch als er anfangen wollte zu erklären, fiel ihm Beat von Zenker mit einem Lächelns ins Wort: „Ich weiß genau, wer du bist“, sagte er, und sofort war das Eis – wenn es denn jemals welches gegeben hatte – gebrochen. Das „Geschäftliche“ war schnell geklärt: Schließlich passten die Intentionen der beiden Herren wie der Schlüssel zum Schloss.

Doch auch die Chemie stimmte. Und so entstand aus dieser ersten Zweckbegegnung eine tiefe Freundschaft: „Wir machen jetzt dort weiter, wo unsere Vorfahren aufhören mussten“, sagen Beat von Zenker und Hagen W. Lippe-Weißenfeld, während sie sich herzlich umarmen. Die Besuche erfolgen jetzt nicht mehr mit der Kutsche, sondern mit dem Auto. Oder mit dem Fahrrad oder zu Fuß.

Doch hatte die Begegnung noch viel weitreichendere Folgen: Im gemeinsamen Gespräch entstand die Idee für einen Workshop zur Zukunft des Gröditzer Schlosses. „Ich möchte gern, dass es der Öffentlichkeit erhalten bleibt, auch über mich selbst hinaus“, sagt Beat von Zenker. „Dass das Kammermusikfest jetzt hier seine Heimstatt hat, hilft dabei sehr. Doch das genügt natürlich nicht, um das Schloss dauerhaft zu erhalten.“

Beat von Zenker will Nebengebäude mit Leben füllen

Ein Rittergut, so erklärt er, war ursprünglich in erster Linie ein Wirtschaftsbetrieb: „In den Hofgebäuden ringsherum, in den Ställen, Scheunen und Brennereien, fand wirtschaftliches Leben statt.“ Dabei handelte es sich in erster Linie, aber nicht nur um Landwirtschaft. „Nur durch diese Betätigung war es den Besitzern möglich, das Schloss als Mittelpunkt der Anlage zu erbauen und zu erhalten.“

Und in einer ähnlichen Situation sieht sich Beat von Zenker auch heute: „Wir müssen die Nebengebäude mit Leben füllen, müssen dort wirtschaftliche Nutzungen finden, deren Erlöse zum Erhalt des Schlosses beitragen.“ Zu den Teilnehmern des Workshops zählten unter anderem der frühere Bautzener Landrat Michael Harig, der Weißenberger Bürgermeister Jürgen Arlt (parteilos) und der Präsident des Sächsischen Musikrats, Milko Kersten.

Ausbildungscampus auf Schloss Gröditz?

Sie alle finden die Idee toll und wollen sie unterstützen. Doch entscheidend wird das Engagement von Menschen wie dem Weißenberger Unternehmer Hagen Staude sein, der schon recht konkrete Ideen entwickelt hat: „Ich könnte mir hier sehr gut einen Ausbildungscampus für unseren Firmenverbund vorstellen“, erklärt der Geschäftsführer der Heizungsbau und der Metallbau Staude GmbH sowie der TEAG Planungsgesellschaft, die allesamt ihren Sitz in Weißenberg haben.

„Genau solche Ideen brauchen wir, um die Vision eines Innovations-Campus für drängende Zukunftsthemen verwirklichen zu können“, sagt Hagen W. Lippe-Weißenfeld. Dann fahren vielleicht keine Kutschen mehr von Baruth nach Gröditz, sondern autonome Wasserstoff-Mobile.