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Wer gilt als Corona-Todesfall?

Der Landkreis Bautzen zählt inzwischen mehr als 1.300 Corona-Tote. Doch immer wieder gibt es Zweifel an den Zahlen. So werden sie erfasst.

Von Stella Schalamon
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Im Landkreis Bautzen sind bisher 1.300 Menschen an oder mit Corona gestorben. Dazu, wie die Fälle erfasst werden, gibt es immer wieder Fragen. Sächsische.de hat nachgehakt.
Im Landkreis Bautzen sind bisher 1.300 Menschen an oder mit Corona gestorben. Dazu, wie die Fälle erfasst werden, gibt es immer wieder Fragen. Sächsische.de hat nachgehakt. © Archivbild: Claudia Hübschmann

Bautzen. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus im Kreis Bautzen hat am Mittwoch die Marke von 1.300 überschritten. Viele haben sich an die Zahlen gewöhnt wie an das regelmäßige Wattestäbchen in der Nase. Dabei steckt hinter jedem Fall ein Mensch, der nun nicht mehr lebt, und Angehörige, die um ihn trauern.

Doch immer wieder werden die Zahlen angezweifelt: Es fallen auch Menschen darunter, heißt es unter anderem, die sowieso gestorben wären – ganz unabhängig von dem Virus. Sächsische.de hat sich deshalb mit dem Meldeverfahren beschäftigt: Wer zählt zu den Corona-Toten, und wie werden sie erfasst?

Wie viele Corona-Tote gibt es im Landkreis Bautzen?

Das Gesundheitsamt in Bautzen zählt derzeit 1.301 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus. Die meisten Menschen starben im Winter 2020/2021, während der zweiten Corona-Welle. Ab Ende Dezember konnten sich damals die ersten Menschen in Deutschland gegen das Virus impfen lassen, in Bautzen lief die Kampagne jedoch schleppend an. Gemessen an der Einwohnerzahl sind im Kreis Bautzen dreimal so viele Menschen nach einer Corona-Infektion gestorben wie im deutschlandweiten Durchschnitt.

Wer zählt zu den Corona-Todesfällen?

Die Statistiken erfassen Menschen, die sich nachweislich mit dem Coronavirus angesteckt hatten und im Zusammenhang mit der Infektion gestorben sind. Das können Menschen sein, die unmittelbar an der Erkrankung gestorben sind – etwa, weil das Virus eine Lungenentzündung ausgelöst hat. Aber auch Menschen, bei denen Covid-19 nicht die Hauptursache für ihren Tod war, aber dazu beigetragen hat. Dann heißt es: Sie sind mit dem Virus gestorben. Diese Menschen hatten zum Beispiel eine Vorerkrankung wie Krebs. Bei ihnen lässt sich häufig schwer nachweisen, was die Todesursache am Ende war – das Virus oder der Krebs. Manchmal können zwischen der Infektion und dem Tod sogar mehrere Wochen vergehen und das Virus kann trotzdem als Todesursache gelten, weil es etwa Organe so stark geschädigt hat, dass sie schließlich versagen.

Wer entscheidet, ob jemand an oder mit Covid-19 starb?

Generell entscheiden darüber die Gesundheitsämter, nicht aber die Behörde in Bautzen. Sie unterscheidet nach eigenen Angaben nicht zwischen an oder mit Covid-19 verstorben, sondern „im Einzelfall“ das Robert-Koch-Institut (RKI) oder der Freistaat. Beim Großteil der Todesfälle, die Gesundheitsämter in ganz Deutschland an das RKI melden, geben die Behörden an, dass die Betroffenen an Corona verstorben sind – die Erkrankung also primär zum Tod führte.

Wie ist der Meldeweg im Todesfall?

Wenn ein Mensch gestorben ist, muss ein Arzt oder eine Ärztin den Tod feststellen und den Totenschein ausfüllen. Der wird an das Standesamt und danach an das Gesundheitsamt weitergeleitet. Er enthält Angaben zu mittelbaren und unmittelbaren Todesursachen. Ist der Mensch im Zusammenhang mit dem Virus gestorben, muss der Arzt den Fall zusätzlich separat direkt dem Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt erfasst die Zahlen über diese beiden Meldewege und teilt sie dem Freistaat und dem RKI mit. Dazu gehören auch Angaben, ob der Verstorbene im Krankenhaus war und inwiefern der positive Corona-Nachweis zeitlich im Zusammenhang zum Tod steht.

Gibt es für Ärzte bei Corona als Todesursache mehr Geld?

Nein. Die Vergütung für eine Leichenschau richtet sich nach der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte – sie ist unabhängig von der Todesursache.

Warum weichen Zahlen von RKI und Gesundheitsamt ab?

Das RKI meldet für den Kreis Bautzen insgesamt 1.306 Todesfälle – fünf Todesfälle mehr als das Gesundheitsamt Bautzen. Die Landkreise verfügen jedoch stets über die aktuellsten Zahlen. Wie kann das dann sein? Der direkte Meldeweg bei einem Todesfall infolge einer Covid-19-Erkrankung an das Gesundheitsamt geht in der Regel schneller, als der über die Totenscheine. Und manchmal stellt sich im Nachhinein heraus, dass doch kein Zusammenhang zum Virus besteht. Dann werden die Zahlen korrigiert. Möglicherweise hat das RKI eine Abweichung noch nicht erfasst. Das könne sich in den nächsten Tagen angleichen, heißt es vom Landratsamt.

Wieso werden Todesfälle nachgemeldet?

Manchmal reichen die Gesundheitsämter auch Fälle an das RKI nach. Denn es kann passieren, dass ein Corona-Bezug erst auffällt, wenn der Totenschein vorliegt. Oder wenn mehrere Haupttodesursachen vorliegen. Das RKI passt die Zahlen dann dementsprechend an.

Zählen auch Unfallopfer als Corona-Tote?

Bei einem Unfall stehen dieser oder seine Folgen als Todesursache im Totenschein – nicht eine Corona-Infektion. Ein Unfalltoter würde laut sächsischem Sozialministerium deshalb definitiv nicht in die Corona-Statistik eingehen. Aber auch die Zahl der Menschen, die zu den Corona-Toten zählen, möglicherweise aber auch ohne das Virus zeitnah verstorben wären, ist gering. Einer Hamburger Studie zufolge starben 84 Prozent der untersuchten Fälle primär an dem Virus, nur bei sieben Prozent war es nicht todesursächlich. Ein ähnliches Bild zeigen eine Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie und die Todesursachenstatistik in Deutschland.

Werden alle erfasst, die am Virus sterben?

Nicht immer liegt ein Nachweis vor, dass eine Verstorbene oder ein Verstorbener vorm Tod positiv auf das Virus getestet wurde. Besteht ein Infektionsverdacht, kann sie nachträglich bei einer Obduktion untersucht werden – unter hohen Sicherheitsmaßnahmen, weil sie noch immer ansteckend sein könnte. Das wird nicht in jedem Fall gemacht – es könnte also sein, dass Menschen nach einer Infektion sterben, die nicht in die Statistik der Corona-Todesfälle eingehen.