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Sohland wird Modelldorf für die Wissenschaft

Eine bundesweite Studie will das Bürger-Engagement auf dem Land erforschen und holt sich dazu Hilfe in den Orten. Warum Sohland dafür ausgewählt wurde.

Von Bettina Spiekert
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Wissenschaftler nehmen Sohland/Spree ins Visier. Die Gemeinde ist am Projekt Landinventur beteiligt.
Wissenschaftler nehmen Sohland/Spree ins Visier. Die Gemeinde ist am Projekt Landinventur beteiligt. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Sohland/Spree. Wie oft kommt der Bus? Wer sorgt für den sozialen Zusammenhalt? Wie schnell ist das Internet im Dorf? - Wie die Lebensrealität und die Besonderheiten in den Kommunen abseits der großen Städte aussehen, das ist wissenschaftlich kaum erforscht. Dörfer sind bisher der blinde Fleck der Statistik. Daher soll in den kommenden zwei Jahren auch in Sohland eine Landinventur gemacht werden. Ein Projekt, das Thomas Prennig von der Hochschule Zittau/Görlitz jüngst im Gemeinderat vorgestellt hat, möchte die vielfältigen Strukturen von Dörfern durch eine digitale Bestandsaufnahme erfassen.

„Die Forschung in ländlichen Räumen war lange Zeit nicht gut ausgestattet, hat sich aber in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert“, sagt der Hochschulmitarbeiter. Je größer die Vielfalt auf den einzelnen Dörfern ist, umso schwerer sei es, sie statistisch zu erfassen, vor allem dann, wenn sich bestimmte Gegebenheiten sogar von Ortsteil zu Ortsteil unterscheiden. „Diese Wissenslücke müssen wir füllen, wenn es darum geht, zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln für die dörflich geprägten Orte“, so der Wissenschaftler.

Zwei weitere Orte in Sachsen werden erforscht

Für die Studie selbst setzt die Forschungsgemeinschaft auf smarte Tools ebenso wie auf das Engagement der Bürger. Da das Projekt unter dem Stichwort Landinventur läuft, ist genau jene Bestandaufnahme gemeint, die diese Orte erst einmal grundsätzlich erfasst. Und dann geht es um genaue Zahlen. Etwa welche Haustypen gibt es im Ort, welche Feste werden gefeiert, wie viele Ein- und Auspendler gibt es. „Dabei wollen wir die Sohlander ganz konkret darum bitten, dass sie uns die Daten aus ihrem Lebensumfeld mitteilen und uns helfen, den Ort quasi zu kartieren“, sagt Thomas Prennig.

Vor allem wolle man das bürgerschaftliche Engagement genauer betrachten. Während die älteren Einwohner auf dem Land sich noch immer vorzugsweise im Verein engagieren, sei die Jugend eher projektorientiert unterwegs, so die These. Dabei sei vor allem interessant, welche Strukturen von Engagement sich inzwischen etabliert haben und welche im Entstehen sind.

Sohland ist eine von insgesamt drei Untersuchungsgemeinden in Sachsen, die am Bundesprojekt Engagement-Konstellation in ländlichen Räumen - Ein-Ost-und-West-Vergleich (Enkor) teilnehmen. Erforscht werden außerdem die Bedingungen in Wachau bei Dresden sowie Kreba-Neudorf im Landkreis Görlitz. Neben den drei Orten in Sachsen wurden auch in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern jeweils drei Kommunen ausgewählt. Begleitet wird die Landinventur von der Universität Göttingen, dem Thünen-Institut für Regionalentwicklung und der Hochschule Zittau/Görlitz

Festumzug machte die Forscher auf Sohland aufmerksam

Dass die Wahl schließlich auf Sohland fiel, hat laut Thomas Pfennig auch mit der 800-Jahr-Feier im Mai zu tun. „Wir sind auf den Ort durch den Festumzug aufmerksam geworden. Und da haben wir gesehen, wie viele Vereine sich für den Ort engagieren und wie groß das Potenzial in Sohland ist“, sagt der Wissenschaftler. Auch die wirtschaftliche Vielfalt im Ort sei ausschlaggebend dafür gewesen, die Kommune für die Studie auszuwählen.

Ein Termin für den Startschuss für die Studie direkt in Sohland steht nach den Worten von Prennig noch nicht fest. Nach der Landinventur soll in „Dorfwerkstätten“ die Lebensrealität in den einzelnen Ortsteilen erfasst werden. Dabei sollen die Bewohner ins Gespräch kommen und von ihren Ortsteilen berichten. Erste Ergebnisse sollen 2024 vorliegen, so Thomas Prennig.