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"Jeder sollte so sein, wie er will"

Der Bautzener Jonas Löschau setzt sich für homo-, bi- und transsexuelle Menschen im Kreis Bautzen ein. Im Interview spricht er über sein Coming Out und seine Vision.

Von David Berndt
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Jonas Löschau aus Bautzen möchte ein queeres Netzwerk für die Stadt und Umgebung aufbauen. Über seine Motive spricht er im Interview mit Sächsische.de.
Jonas Löschau aus Bautzen möchte ein queeres Netzwerk für die Stadt und Umgebung aufbauen. Über seine Motive spricht er im Interview mit Sächsische.de. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Jonas Löschau ist in Bautzen bisher bekannt als Stadt- und Kreisrat (Bündnis 90/Die Grünen) und als Initiator von Fridays-for-Future-Aktionen. Jetzt hat der 21-Jährige verkündet, dass er ein queeres Netzwerk für Bautzen und Umgebung aufbauen will. Warum er das für nötig hält, erzählt er im Interview mit Sächsische.de.

Herr Löschau, warum brauchen Bautzen und die Region ein queeres Netzwerk?

In ganz vielen Gesprächen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen habe ich gemerkt, dass das Thema queer ein total großes und wachsendes ist. Also, dass Menschen, die homosexuell, bisexuell, asexuell, transsexuell sind oder andere Identitäten haben, immer mehr werden und immer offener damit umgehen. In Bautzen gibt es aber das Problem, dass diese Leute Angst haben, sich damit zu beschäftigen und das vor anderen Leuten anzusprechen, weil sie dadurch vielleicht Ablehnung erfahren, ausgegrenzt oder diskriminiert werden. Deswegen kam die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem vor allem queere Jugendliche so sein können, wie sie wollen. So ein Netzwerk soll aber auch Sichtbarkeit für queeres Leben in der Region schaffen und Ankerpunkt sein.

Was soll sichtbarer werden?

Es geht darum zu zeigen, dass es kein Großstadtthema ist. Ganz viele Leute wissen auch noch viel zu wenig darüber, wie sich queere Menschen begreifen. Bei manchen ist es die Angst, sich damit zu beschäftigen oder das vor ihren Eltern anzusprechen, also dieses klassische Outing, wie man es so nennt. Und andere, die sich schon geoutet haben, erleiden immer wieder Missachtung oder fehlende Akzeptanz. Da muss es jemanden geben, der es den Menschen in der Region erstmal erzählt.

Sie wollen also Bildungsarbeit zu dem Thema leisten?

Ja. Deswegen haben wir es auch in der ersten Idee nicht als Verein oder geschlossenen Raum für queere Menschen formuliert, sondern als Netzwerk. Wir wollen auch ganz viele nicht queere Menschen in Bautzen und Umgebung ins Boot holen, die Lust haben, mitzuarbeiten und das auch leisten können. Das muss mitgenommen werden in die Vereinsarbeit, an Schulen, auf Feste und Veranstaltungen, damit man dieses Thema immer wieder auf dem Schirm hat. Von möglichen Netzwerkpartnern kam Zustimmung, und wir werden die Gespräche fortsetzen.

Wie wollen Sie das konkret umsetzen?

Das Netzwerk steht auf zwei Pfeilern. Der eine ist die Sichtbarkeit. Der zweite soll das Thema Community und Gemeinschaft werden, verbunden mit einer Eventkultur, wo sich queere Menschen treffen können und wohlfühlen. Das reicht von einfachen geschützten Treffen bis hin zu bunten Veranstaltungen, wie einem Christopher Street Day in Bautzen oder Filmabenden mit thematischem Bezug.

Was ist passiert, seit Sie Ihr Anliegen am 11. Oktober erstmals gepostet und damit öffentlich gemacht haben?

Die ganze Geschichte läuft schon länger. Das erste Mal habe ich das mit Jugendlichen auf der Jugendideenkonferenz im April besprochen und ein kleines Konzept aufgeschrieben. Dann hat sich eine kleine Gruppe gebildet aus eher nicht queeren Menschen, die sich solidarisch fühlen und Lust haben, aktiv dabei zu sein. Im Sommer haben wir Mails an Vereine, soziale Träger und Parteien rausgeschickt, um uns vorzustellen. Nach meinem Posting hatten wir unser erstes Treffen mit fast zehn Leuten und dort darüber gesprochen, was es für Erfahrungen gibt und was es für Menschen in Bautzen heißt, zu dieser Community zu gehören.

Und diese zehn Menschen haben alle einen queeren Hintergrund?

Genau, und es waren auch explizit queere Menschen angesprochen. Es ist schön, dass das so gut funktioniert hat, weil es in anderen Communitys, vor allem im Internet und in größeren Städten, auch Diskriminierungen unter den verschiedenen Gruppen gibt. Aber das wollen wir vermeiden, damit sich jeder wohl und sicher fühlen kann. Eines Tages sollte es eigentlich egal sein, in welche Schublade man sich stecken muss, sondern jeder sollte so sein, wie er will.

Sie handeln auch aus einem persönlichen Motiv.

Ich hatte viel Glück in meinem Umfeld, sowohl in der Familie als auch in Freundeskreisen, und war generell immer ein sehr selbstsicherer Mensch. Ich bin bisexuell, fühle mich also zum eigenen und anderen Geschlecht hingezogen und bin damit einigermaßen privilegiert, weil das immer noch auf die meiste Akzeptanz stößt. Auf der anderen Seite fühle ich mich missverstanden, weil es manchmal heißt, ich könnte ja jederzeit mit einer Frau zusammen sein, wenn ich eine Familie gründen will. Das Geschlecht ist egal. Man will einfach eine Person finden, die man liebt und mit der man zusammen sein kann.

Verändert das Ihre Tätigkeit als Stadt- und Kreisrat?

Menschen im Landkreis und der Stadt Bautzen, die auch queer sind, wissen, dass ich sie ein Stück weit repräsentieren und ihre Anliegen vertreten kann. Es hat vielleicht auch etwas mit Identifikationsfiguren zu tun, die das Thema in die Öffentlichkeit tragen. Das ist der Mehrwert, dem ich dem Netzwerk bringen kann.

Wer Interesse an dem Thema hat und Kontakt zu dem Netzwerk sucht, kann sich direkt an Jonas Löschau via Facebook, Instagram oder Twitter wenden.