Dresden
Merken

Bildungsgerechtigkeit in Dresden: "Die Politik darf die Schulen nicht alleine lassen"

Ob ein Kind aufs Gymnasium kommt, sollte nur von den Leistungen abhängen. Doch auch die Eltern und der Stadtteil spielen eine Rolle. Was kann getan werden?

Von Moritz Schloms
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Hartes Urteil: "Die Frage nach der Bildungsgerechtigkeit kann in Dresden tendenziell mit Nein beantwortet werden." Das steht im dritten Bildungsbericht von 2019.
Hartes Urteil: "Die Frage nach der Bildungsgerechtigkeit kann in Dresden tendenziell mit Nein beantwortet werden." Das steht im dritten Bildungsbericht von 2019. © Sebastian Gollnow/dpa

Dresden. Im Durchschnitt erhielten in den Schuljahren 2017 bis 2021 etwa 60 Prozent der Dresdner Grundschüler eine Bildungsempfehlung für das Gymnasium. Dabei gibt es in den Stadtbezirken jedoch erhebliche Unterschiede. Dazu hat Sächsische.de Daten aus dem Kultusministerium ausgewertet. Diese Unterschiede sind der Stadt schon länger bekannt. Seit über zehn Jahren wird in den sogenannten Bildungsberichten der Status quo Dresdens in Sachen Bildung aufgeschrieben.

Gibt es Bildungsungerechtigkeit an Dresdens Schulen?

Im dritten Bildungsbericht für Dresden aus dem Jahr 2019 hielten die Autoren fest: "Die Frage nach der Chancengerechtigkeit in der Bildung kann in Dresden tendenziell mit einem Nein beantwortet werden."

Der Bericht definiert auch, was Bildungsgerechtigkeit überhaupt heißt: "Chancengerechtigkeit in der Bildung heißt, dass Schulen allen Schülern gleiche Lernmöglichkeiten bieten sollen. Gerechtigkeit heißt dabei nicht, dass alle Schüler die gleichen Bildungsergebnisse erzielen." Es gehe darum, dass der Bildungserfolg der Schüler nicht von ihrem "sozioökonomischen Hintergrund" abhängen sollte. Übersetzt heißt das also, dass auch für Schüler aus bildungsferneren Elternhäusern eine faire Chance bekommen sollten.

Um dies zu gewährleisten, sei eine gute soziale Durchmischung in den Schulen wichtig. Dies fördere die Bildungschancen benachteiligter Kinder. In Dresden sei das in einigen Bildungseinrichtungen allerdings nicht gegeben. So seien an einigen Schulen hauptsächlich Schüler aus bildungsfernen Milieus, was sich negativ auf deren Entwicklung auswirke.

Was tut die Stadt für mehr Bildungsgerechtigkeit?

Grundsätzlich hält Jan Donhauser (CDU), Bildungsbürgermeister der Stadt Dresden, fest, dass Bildung in die Zuständigkeit des Landes Sachsen falle. Dennoch könne die Stadt natürlich aktiv werden. Der ehemalige Schulleiter kennt die Befunde der Bildungsberichte aus seiner Arbeit seit Jahren. "Jedes Kind ist anderes und lernt anderes. Unterschiede im Leistungsniveau sind normal." Es könne nicht das Ziel sein, 80 Prozent Bildungsempfehlungen für das Gymnasium auszustellen.

Bildungsbürgermeister Jan Donhauser hat ein klares Ziel. 2027 soll es an jeder Dresdner Schule einen Sozialarbeiter geben.
Bildungsbürgermeister Jan Donhauser hat ein klares Ziel. 2027 soll es an jeder Dresdner Schule einen Sozialarbeiter geben. © Sven Ellger

Dennoch müsse man die Befunde aus den Bezirken Prohlis, Gorbitz und Johannstadt ernst nehmen. Ziel sei es, den Kindern, die es schon schwer hätten und nicht die nötige Unterstützung von zu Hause bekämen, diese Unterstützung in den Schulen vor Ort zu geben.

Ganz konkret helfe die Stadt damit, dass die Schulen in den "herausgeforderten Lagen" ein erhöhtes Schulbudget bekommen. Außerdem gäbe es ein Ranking, damit bestimmte Schulen Sozialarbeiter finanziert bekämen. Ziel: Bis 2027 soll es an jeder Dresdner Schule einen Sozialarbeiter geben. Juri Haas von der Lehrergewerkschaft GEW meint, dass das zwar ein schön klingendes Ziel sei, aber in den "herausgeforderten Lagen" nicht helfen werde. Dort habe bereits jede Schule einen Sozialarbeiter.

Außerdem verspricht Donhauser, dass in Zukunft die Schulsekretariate personell verstärkt werden sollen. Das solle Druck von den Schultern der Lehrer nehmen. Im neu beschlossenen Haushalt habe der Stadtrat 18 zusätzliche Vollzeitstellen genehmigt. Eine Arbeitsgruppe soll nun entscheiden, wo die neuen Stellen eingesetzt werden.

Welche Kritik gib es an der Stadt?

Bildungsexpertin Dana Frohwieser, die für die SPD im Stadtrat sitzt, fordert vor allem eine sogenannte "sozialindizierte Ressourcensteuerung". Vereinfacht bedeutet das, wo viele Herausforderungen bestehen, dort sollen viele Mittel hinfließen. Denn an den Grundschulen in den "herausgeforderten Gebieten" käme häufig verschiedene Effekte zusammen. Dort seien viele Kinder aus sozioökonomisch herausgeforderten Familien und zusätzlich ein hoher Anteil von Kindern aus Familien Geflüchteter.

Ihr Vorschlag: Lehrpersonal soll anhand solcher Sozialindikatoren in Schulen bereitgestellt werden und nicht nur schlicht nach Kinderzahl. Sie sagt: "Wo viele Kinder mit großem Unterstützungsbedarf sind, gibt es trotzdem denselben Personalschlüssel wie an allen anderen Schulen." Das müsse sich ändern.

Das fordert auch Juri Haas von der Lehrergewerkschaft GEW. Außerdem müsse die Stadt Dresden endlich von sich aus aktiv werden und nicht nur auf Druck aus der Öffentlichkeit reagieren. Die Stadt wisse, wo etwas getan werden müsse.

Dana Frohwieser sitzt für die SPD in Dresdner Stadtrat. Sie fordert: Vorbereitungsklassen für Deutsch als Zweitsprache müssen an allen Schulen eingerichtet werden.
Dana Frohwieser sitzt für die SPD in Dresdner Stadtrat. Sie fordert: Vorbereitungsklassen für Deutsch als Zweitsprache müssen an allen Schulen eingerichtet werden. © René Meinig

Frohwieser meint auch, es sei nötig mehr Schulsozialarbeiter, pädagogische Assistenzkräfte, Kulturvermittler in die Schulen zu bringen, bei denen die sozialen Herausforderungen im Umfeld am größten seien. Wichtig sei dabei, dass es sich dabei nicht immer nur um befristete Projekte handle, sondern die Unterstützung dauerhaft und nachhaltig sei.

Außerdem müsse man Schulen in den entsprechenden Stadtteilen auch besser ausstatten und sanieren. Auch Juri Haas fordert das. Der Gewerkschaftler stellt fest: "Neue Lehrer nehmen Stellen an den Plattenbauschulen häufig nicht an."

Außerdem sei der Krankenstand überdurchschnittlich hoch. Viele Lehrer ließen sich versetzen oder kündigten. Auch Jan Donhauser sieht das Problem. Die Stadt brauche eine Milliarde Euro bis 2032 um den nötigen Schulausbau voranzutreiben.

Frohwieser ist überzeugt, dass mit genug Aufmerksamkeit und Hilfe von Stadt und Land an den Schulen Fortschritte geben kann. Beispielhaft nennt sie die 102. Grundschule in der Johannstadt oder die 117. Grundschule in der Südvorstadt. Wichtig sei aber eine dauerhafte, nachhaltige Unterstützung. "Die Politik darf die Schulen mit den Problemen nicht alleine lassen."