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Gasthaus Goldener Engel: Wo Sachsens König zu Mittag speiste

Das Gasthaus und Hotel Goldener Engel am Altmarkt in Bischofswerda war über Jahrhunderte eine der besten Adressen in der Stadt. Ein Streifzug durch 300 Jahre. Mit historischen Aufnahmen.

Von Miriam Schönbach
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Zu DDR-Zeiten befand sich neben der Gaststätte auch eine Eisdiele im Goldenen Engel am Bischofswerdaer Markt.
Zu DDR-Zeiten befand sich neben der Gaststätte auch eine Eisdiele im Goldenen Engel am Bischofswerdaer Markt. © Stadtarchiv Bischofswerda

Bischofswerda. Fast wehmütig schaut der Engel auf den Gehweg hinunter. Grüßt die Figur oder hebt sie mahnend ihre linke Hand? Über ein Jahrzehnt wartet inzwischen Bischofswerdas Hotel Goldener Engel auf eine Zukunft. Dabei gehörte das heutige Denkmal am Altmarkt mal zu den angesehensten Adressen in der Stadt mit Königbesuch, Tanz und guter Küche.

Das Eckhaus am Markt scheint indes schon lange eine gute Adresse. Bereits vor dem großen Stadtbrand am 12. Mai 1813 befindet sich an gleichen Stelle der Gasthof „Zum schwarzen Bären“. Jener Name geht laut Akten im Stadtarchiv bereits bis ins Jahr 1724 zurück. Er soll sich von einem eben solchen schwarzen Bären abgeleitet haben, den der Gasthof im Schild führte. Außerdem soll ein aus Holz geschnitzter, liegender Bär an der Gasthofdecke gehangen haben. Dieser Bär überlebt erstaunlicherweise den Stadtbrand und ist bis 1947 in Schiebocks Stadtmuseum zu sehen. Wohin er dann verschwunden ist, ist einer von Bischofswerdas ungelösten Kriminalfällen.

Über Jahrhunderte war der Goldene Engel eine der besten Adressen in Bischofswerda. Doch seit Langem steht er leer.
Über Jahrhunderte war der Goldene Engel eine der besten Adressen in Bischofswerda. Doch seit Langem steht er leer. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Den Schwarzen Bären betreibt Gastwirt Heinrich Wilhelm Engelhardt. Er lässt den Gasthof 1813 auch wieder aufbauen. „Allerdings gefiel ihm das alte Gasthofzeichen nicht mehr, und so beantragte er Ende 1814 bei der königlich-sächsischen Landesregierung die Umbenennung seines Gasthofes. Künftig sollte die Einrichtung den Namen „Zum goldnen Engel“ tragen“, sagt Stadtarchiv Jan Gülzau. Die Landesregierung stimmt zu.

Seitdem ist das Wahrzeichen des mehr als 200 Jahre alten Gasthofes der aus Sandstein gefertigte, kniende Engel auf einem Kragstein an der Gebäudeecke Altmarkt und Dresdener Straße, ein Schutzengel irgendwie. „Nur der linke, segnende Arm entspricht nicht mehr dem Original. Er ging bei Kriegsende 1945 verloren. Seinen linken Arm erhielt er mutmaßlich bei der Restaurierung in den 1980er-Jahren zurück“, sagt Jan Gülzau.

Hier sind historische Aufnahmen vom Goldenen Engel zu sehen:

Nach der Jahrhundertwende brachte der ehemalige Koch Otto Vobian Schwung in den Goldenen Engel.
Nach der Jahrhundertwende brachte der ehemalige Koch Otto Vobian Schwung in den Goldenen Engel. © Stadtarchiv Bischofswerda
Nach der Enteignung 1953 wurde der Goldene Engel zu einer HO-Speise-Gaststätte.
Nach der Enteignung 1953 wurde der Goldene Engel zu einer HO-Speise-Gaststätte. © Stadtarchiv Bischofswerda
In den 1960er-Jahren ist der Goldene Engel ein gemütliches Gasthaus.
In den 1960er-Jahren ist der Goldene Engel ein gemütliches Gasthaus. © Stadtarchiv Bischofswerda
1959 wurde der Saal im Goldenen Engel erneuert.
1959 wurde der Saal im Goldenen Engel erneuert. © Stadtarchiv Bischofswerda
Auch die Gaststätte bekommt 1959 eine neue Ausstattung.
Auch die Gaststätte bekommt 1959 eine neue Ausstattung. © Stadtarchiv Bischofswerda

Doch zurück ins 19. Jahrhundert. Im Jahr 1848 lässt Gastwirt Georg Carl Traugott Mitzscher den neu erbauten Tanzsaal im ersten Stock des Engels einweihen. Die Konkurrenz ist groß. Vis-à-vis liegt gleich das Hotel und Restaurant Goldne Sonne, das um das selbst Klientel wirbt. Als verlockende Zugabe schickt der geschäftstüchtige Engel-Wirt seine Gäste ins Badehaus vor dem Bautzener Tor. Jenem „Gesundheitsbad“ in der Wesenitz werden spezielle Heilkräfte zugeschrieben. Der Schlüssel liegt, wie eine Anzeige im „Sächsischen Erzähler", dem Tageblatt für Bischofswerda, Neukirch und Umgebung, verrät, im Goldenen Engel.

Sogar König Johann von Sachsen kehrt auf einem Stadtbesuch in Bischofswerda am 11. Oktober 1856 im Gasthaus ein, um sein Mittagessen dort einzunehmen. Auf dem Plan der Majestät standen außerdem noch der Besuch des Rathauses, der Sparkasse, der Fronfeste, wo er „an die Gefangenen freundlich ermahnende Worte" richtete, und die Tuchfabrik. Mit einem Extra-Zug geht es für Johann von Sachsen zurück nach Dresden.

Für den Goldenen Engel aber folgen nach dem königlichen Besuch zahlreiche Eigentümer-Wechsel. Vom Gastwirt Robert Pittich und später seiner Witwe geht das Haus an Braumeister Gustav Ernst Gregor für insgesamt 46.500 Mark über. Dessen Erben verkaufen den Gasthof an Oswald Otto Hentschel aus Radeberg. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich unter dem Engel-Dach bereits auch ein Hotel. Als Hentschel 1902 ausscheidet, übernimmt der bisherige Koch den Betrieb.

Otto Karl Ernst Vobian ist der erste Eigentümer im neuen Jahrhundert mit neuen Herausforderungen. „Vobian lässt die Pferdeställe an der Dresdener Straße in Autogaragen umwandeln. Am Hoteleingang am Markt wird eine Tanksäule der Firma Shell errichtet. "Motorisierte Hotelgäste konnten hier ihr Gefährt für 37 Pfennig pro Liter betanken“, weiß Stadtarchivar Jan Gülzau. Als der Hotelier in den Ersten Weltkrieg eingezogen wird, übernimmt dessen Frau die Geschäfte. 1927 werben sie im „Sächsischen Erzähler“ mit „anerkannt guter Küche“ im „feinbürgerlichen Haus“.

Enteignung zwei Jahre nach dem Kauf

Doch es kommen schwere Zeiten – Weltwirtschaftskrise, Inflation, Arbeitslosigkeit. 1936 wird das Haus zwangsversteigert, trotzdem geht scheinbar der Betrieb weiter. Die Hotel- und Gastwirtschaft erwerben 1951 Karl Siegfried Berthold Reichmuth und seine Frau Marie Martha Reichmuth – und werden zwei Jahre später schon wieder enteignet. Im neuen verstaatlichten HO-Betrieb wird er Gaststättenleiter und sie Küchenleiterin – bis zur Schließung des Hauses Mitte der 1970er-Jahre.

Doch ihrem Sohn Klaus Reichmuth gelingt es, eine Baugenehmigung für den Um- und Ausbau zu bekommen. Nach sechs Jahren Bauzeit eröffnet der Goldene Engel im August 1990 als Familienbetrieb. 15 Jahre später übernimmt mit Henry Reichmuth die dritte Generation – bis zur insolvenzbedingten Schließung 2011. Auf der anschließenden Zwangsversteigerung ein Jahr später kauft die Stadt Bischofswerda das Denkmal für insgesamt 52.000 Euro. Seitdem wartet der Engel, dass er wieder zu einer angesehenen Adresse in der Stadt wird.

Der Text ist mit Unterstützung des Stadtarchivs Bischofswerda entstanden.