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Bischofswerda: Schulweihe vor 160 Jahren mit Riesenbrezeln, Kaffee und Feuerwerk

Am 31. März 1864 bekommt Bischofswerda nach langem Warten eine neue Bürgerschule. Das war dringend notwendig und die Freude darüber außerordentlich groß. Mit historischen Fotos.

Von Miriam Schönbach
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Am 31. März 1864 wurde in Bischofswerda die neue Bürgerschule eingeweiht. Diese Aufnahme, die von einer Postkarte stammt, zeigt die Einrichtung 35 Jahre später.
Am 31. März 1864 wurde in Bischofswerda die neue Bürgerschule eingeweiht. Diese Aufnahme, die von einer Postkarte stammt, zeigt die Einrichtung 35 Jahre später. © Stadtarchiv Bischofswerda

Bischofswerda. Welch ein Trubel muss an diesem 31. März 1864 in Bischofswerda geherrscht haben. Zur Weihe der neuen Schule am sogenannten Töpferberg kommen vor 160 Jahren sogar die Bewohner der umliegenden Dörfer. „Die ganze Stadt hatte an diesem Tage ein Ehrenkleid angelegt. Girlanden, Ehrenpforten, Kränze, Fahnen, Glockengeläute, Beteiligung aller Vereine und Korporationen sowie der königlichen und städtischen Behörden und ein Festzug gaben der Veranstaltung ein würdiges Gepräge“, schreibt der „Sächsische Erzähler“ in seiner Ausgabe vom 3. Oktober 1932 in Erinnerung an das Ereignis.

Die neue Bürgerschule wird als König-Johann-Bau bezeichnet. Notwendig wird dieser Neubau durch den Platzbedarf in der alten Bürgerschule im Schatten der Christuskirche. Jene Einrichtung entsteht nach dem großen Stadtbrand 1813 und wird 1816 erst halbfertig bezogen. „Es war eben eigentlich nur ein Notbau ... und eigentlich von vornherein das Zeichen der Unzulänglichkeit", heißt es im „Sächsischen Erzähler“. Das Gebäude hat denn auch nach nur knapp sechs Jahrzehnten seine Zwecke erfüllt.

Die Postkarte zeigt die Bürgerschule in einer Aufnahme aus der Zeit um 1910.
Die Postkarte zeigt die Bürgerschule in einer Aufnahme aus der Zeit um 1910. © Stadtarchiv Bischofswerda

Beauftragt wird mit dem Schulneubau ein Stararchitekt seiner Zeit aus der Region: Architekt, Baumeister und Pädagoge Carl August Schramm (1807-1869) ist Schinkel-Schüler. Der gebürtige Zittauer studiert ab 1826 Architektur an der Königlich-Sächsischen Bauschule in Dresden. Von der Elbe zieht er nach Berlin, wo er den bekannten Architekten Karl Friedrich Schinkel kennenlernt. 1834 kehrt Schramm in seine Heimatstadt zurück, offenbar mit dem Auftrag, die Schinkel-Entwürfe für die Johanniskirche in Zittau auszuführen. Auch einen Entwurf Schinkels für das Zittauer Rathaus überarbeitet er und beaufsichtigt die Umsetzung.

Architekt ist bekannt für seine Schulneubauten

Neben viele Kirchenbauten zählen zu Schramms bedeutendsten Leistungen die Schulneubauten. Seine Königlich Sächsische Baugewerkeschule in Zittau (1846-1848) gilt als einer der ältesten ihrer Art in Deutschland. Es folgen Mitte der 1850er-Jahre Schulneubauten in Meißen, Bautzen und Löbau und eben Bischofswerda, die in Deutschland als Musterbauten angesehen werden können. In Bautzen zum Beispiel wird nach Schramms Plänen in den heutigen Schilleranlagen ein modernes Seminargebäude für die Ausbildung von Landlehrern geschaffen. Im Kamenz wiederum wird das Rathaus nach dessen Plänen gebaut.

Gerüste für den Erweiterungsbau 1901.
Gerüste für den Erweiterungsbau 1901. © Stadtarchiv Bischofswerda

Doch zurück nach Bischofswerda. Dort erfolgt am 26. Mai 1862 der erste Spatenstich für den Schulneubau, einen Monat später wird der Grundstein gelegt. „Am 15. Juni 1863 konnte mit dem Aufsetzen des Dachstuhls begonnen werden. Mitte März des nächstes Jahres war der Bau vollendet", heißt es im Zeitungsbeitrag. Schon die lange Dauer des Baues lege Zeugnis davon ab, dass hier "etwas Ganzes geschaffen worden war".

80 Kinder in einer Klasse

20.000 Taler investiert die Stadt in den innovativen Schulneubau. Es gibt 13 Unterrichtsräume, einen Versammlungssaal für die Lehrer, einen Schul-, wie auch einen Zeichensaal. Dazu kommen vier Wohnungen, drei für die Lehrer, eine für den Hausverwalter. Über 700 Kinder nehmen am Umzug vom alten Schulgebäude zur neuen Bürgerschule teil. „Die Schulfahne wehte ihnen voran, die Musik spielte mit flotten Marschweisen auf. Überall wurde der Zug von den Zuschauern, welche die Straße und Fenster der Häuser füllten, froh begrüßt“, berichtet der "Sächsische Erzähler".

Postkartenansicht nach dem Bau der zweiten Schule.
Postkartenansicht nach dem Bau der zweiten Schule. © Stadtarchiv Bischofswerda

Für die Kinder gibt es nach der Weihe Kaffee und Riesenbrezeln, „wie sie noch keine ihren Lebtag gesehen hatten“ und am Abend noch ein Feuerwerk. Die Honoratioren der Stadt – 50 Mann stark – gehen zum Dinieren in das wenige Meter entfernte Schützenhaus. Was auf der Speisekarte steht, wird nicht verraten in den historischen Beiträgen.

Der Unterricht beginnt mit dem neuen Schuljahr am 4. April 1864. Sieben Lehrkräfte gibt es, ihr Chef ist Schuldirektor Schwabe. Insgesamt besuchen 720 Mädchen und Jungen die Schule, sie sind auf neun Klassen verteilt, so das jede Klasse eine Stärke von etwa 80 Kindern aufzuweisen hat.

Heute zeigt sich der Schulkomplex an der Kirchstraße in Bischofswerda als Einheit.
Heute zeigt sich der Schulkomplex an der Kirchstraße in Bischofswerda als Einheit. © Steffen Unger

Mit der Industrialisierung wächst die Stadt weiter, immer mehr Familien zieht her. Bald ist die neue Schule wieder zu klein. So entsteht 1901 in einigem Abstand ein weiterer Neubau in fast gleichen Abmessungen und mit zwei Giebeln. 13 Jahre später werden beide Bauten durch einen Mittelbau verbunden - mit einer Reihe üppiger Mansardfenster, einem Turmaufsatz und zwei gewaltigen Obelisken. Bis heute erklingt übrigens Kinderlachen in dem gigantischen Schulkomplex. Unter dessen Dach in der Kirchstraße lernen 235 Grund- und knapp 550 Oberschüler.

Die Recherche hat das Stadtarchiv Bischofswerda unterstützt. Die Zitate folgen der damaligen Rechtschreibung.