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So geht's den Hopfenbauern von der A4

An der Autobahn bei Burkau läuft seit einer Woche die Ernte. Doch die Bauern sind in Sorge - nicht nur wegen der langen Trockenheit in dieser Anbausaison.

Von Miriam Schönbach
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Seit einer Woche ist Hopfenmeister Thomas Zieschang mit seinen Kollegen der Taucherwald Agrar GmbH in der Hopfenernte nahe der A4. Eine große Sorge hat er: Wie auf den meisten Äckern fehlte auch in Auschkowitz der Regen.
Seit einer Woche ist Hopfenmeister Thomas Zieschang mit seinen Kollegen der Taucherwald Agrar GmbH in der Hopfenernte nahe der A4. Eine große Sorge hat er: Wie auf den meisten Äckern fehlte auch in Auschkowitz der Regen. © SZ/Uwe Soeder

Burkau. Der Duft von frischgeschnittenem Grün liegt in der Luft. Eine kräutrige Note mischt sich darunter. Hopfenmeister Thomas Zieschang setzt schnell noch die Fuhre mit den frischgeschnitten Hopfenranken am Abladeplatz an der ohrenbetäubenden Pflückmaschine ab. Die beiden Erntehelfer warten schon auf den Nachschub. Die Arbeiter der Taucherwald Agrar GmbH Burkau hängen die krautigen Reben kopfüber in einen Haken. Schon fördert ein Band sie nach oben – doch immer wieder steht es in diesen Tagen still.

Thomas Zieschang zuckelt mit seinem Hopfenschlepper mit geweihartigen Scheren wieder zurück auf das Feld. Ganz langsam fädelt er sich in eine Schneise ein. Acht Meter hoch ranken sich die Pflanzen an Gerüsten in den dunkelgrauen Spätsommerhimmel. Etwa 30 Zentimeter über dem Boden werden sie gekappt und über eine Kette auf den Anhänger transportiert. „In richtig guten Hopfenjahren kommen wir hier mit dem Traktor kaum durch. Da sieht man nichts als einen dunklen Hopfenwald“, sagt der Landwirt.

Mit geweihartigen Scheren ist der Hopfenschlepper ausgerüstet. Nach dem Schnitt werden die Ranken gleich auf die Ladefläche befördert.
Mit geweihartigen Scheren ist der Hopfenschlepper ausgerüstet. Nach dem Schnitt werden die Ranken gleich auf die Ladefläche befördert. © SZ/Uwe Soeder

Der diesjährige Hopfenwald an der Autobahn ist eher lichtdurchflutet. Selbst ein Laie versteht, was Thomas Zieschang meint. Manche Hopfenzapfen sind an der Pflanze vertrocknet, manche Blüten sind gar nicht erst zur Frucht gekommen. „Die Zapfen sind viel zu leicht, die Blütenansätze verkümmert. Der Hopfen will es zwar warm haben, aber er braucht Wasser, Wasser, Wasser“, sagt der Hopfenmeister. 1999 war sein erstes Erntejahr für die so wichtige Zutat fürs Bier.

Es sind meist die vier Wochen im September, in denen die Hopfenproduzenten den Lohn des Jahres einfahren. Fünf verschiedene Hopfensorten wachsen auf den 60 Hektar in Auschkowitz und Pannewitz. Sie hören auf so klangvolle Namen wie Perle, Tradition und Saazer und gehören zur Gruppe der Aromasorten, die für die „Blume“ des Biers sorgen. Magnum und Polaris dagegen sind Bittersorten. Sie geben dem Gerstensaft den richtigen Körper.

DDR-Führung beschließt Aufbau von Hopfengärten

Aktuell ist Thomas Zieschang in der Saazer-Ernte. Einen Hektar, schätzt er, schafft er in einer Schicht. 4 Uhr morgens ist Arbeitsbeginn. Seine ersten Schritte in der Landwirtschaft geht der Hopfenmeister noch in der Rinderproduktion bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Lichtenberg, auch im Ackerbau fühlt er sich wohl. Bis eines Tages der alte Hopfenmeister an der Tür klingelt und ihn fragt, ob er in seine Fußstapfen treten möchte. Der Hopfen ist ihm nicht unbekannt. Zieschangs Mutter ist schon in der DDR im „Hopfengarten“ als Arbeiterin unterwegs.

Den Aufbau solcher Hopfengärten zu fördern, beschließt die Staats- und Parteiführung der SED Anfang der 1950er-Jahre. Ziel ist es, das Land selbstständig mit Hopfen zu versorgen. Laut Elbe-Saale-Hopfenpflanzenverband wuchsen 1956 in 130 Betrieben der DDR auf 700 Hektar Hopfen. Zehn Jahre später hat sich die Fläche verdreifacht. Bis zur Wende produzieren 64 Betriebe auf knapp 2.300 Hektar die wichtige Brauzutat. Danach gibt die Hälfte der Hopfenbauern auf.

Die Auschkowitzer Anlage geht auf die 1960er-Jahre zurück. Heute gehört sie zum Anbaugebiet Elbe-Saale. In diesem Verbund sind 30 Hopfenanbauer aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen organisiert.

Weniger Ertrag, aber höhere Kosten

Die Ladefläche ist voll, zurück geht es an die Pflückmaschine. Thomas Zieschang hat in den vergangenen Jahrzehnten alles über Wachstum, Schädlinge und Verarbeitung seiner grünen Schützlinge gelernt. Neben dem fehlenden Wasser machen ihm aktuell der sich immer schneller ausbreitende Hopfenerdfloh wie auch die steigenden Rohstoff- und Düngerpreise Sorgen.

Der Verband Deutscher Hopfenpflanzer teilt diese. Wegen der Hitze und Trockenheit im Sommer sei die Erntemenge mit knapp 37.700 Tonnen um 21 Prozent geringer als im guten Vorjahr, teilt die Vereinigung mit. Gleichzeitig seien die Produktionskosten um mehr als 25 Prozent gestiegen. Weiterreichen könnten die Anbauer diese aber nicht sofort, denn Verkaufspreise seien für den größten Teil der Ernten bis 2024 bereits vertraglich fixiert.

Etwa acht Stunden bleibt der Hopfen im Trockner, dann kommt er in einen Bunker und wird später in Säcke abgefüllt. In welchem Bier der Oberlausitzer Hopfen landet, ist ein gut gehütetes Geheimnis.
Etwa acht Stunden bleibt der Hopfen im Trockner, dann kommt er in einen Bunker und wird später in Säcke abgefüllt. In welchem Bier der Oberlausitzer Hopfen landet, ist ein gut gehütetes Geheimnis. © SZ/Uwe Soeder

Thomas Zieschang versucht trotzdem, den Optimismus zu behalten, während er noch schnell einen Blick in den Trockner wirft. Aus dem geöffneten Bullauge holt er eine Handvoll duftender Zapfen heraus. Deren Blätter zerbröseln wie Papierasche. Es ist die einzig gute Seite des fehlenden Wassers: Es braucht weniger Energie, um dem Hopfen für die Lagerung in diesem "Riesenbackofen" die Feuchtigkeit zu entziehen. Die geprüfte und verpackte Ware wird dann zur Veredelung weitergeschickt. In welchem Bier der Oberlausitzer Hopfen landet, ist ein gut gehütetes Geheimnis.

Kein Geheimnis ist: „Wen den Hopfen einmal kratzt, den lässt er nicht mehr los“, sagt der Hopfenmeister lachend. Die gut vierwöchige Erntezeit ist für ihn und seine Kollegen das Ende eines langen Anbaujahres, verbunden mit ganz viel Handarbeit – und nun ist auch keine Zeit zum Plaudern mehr. Der Hopfenversteher setzt sich wieder auf seinen Schlepper und visiert die nächste Reihe an. Er muss sich sputen, die Pflückmaschine hungert nach rankendem Nachschub.