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Der Präsident von Pirna

Vorigen Sommer wurde André Hesse Chef der Bundespolizeidirektion Pirna. Wie war sein erstes Jahr?

Von Jörg Stock
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André Hesse leitet die Bundespolizeidirektion Pirna. Der gebürtige Osnabrücker wollte Journalist werden, studierte dann doch Jura. Seine Behörde mit fast 4.000 Mitarbeitern sichert Grenzen und Verkehrswege in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
André Hesse leitet die Bundespolizeidirektion Pirna. Der gebürtige Osnabrücker wollte Journalist werden, studierte dann doch Jura. Seine Behörde mit fast 4.000 Mitarbeitern sichert Grenzen und Verkehrswege in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. © Norbert Millauer

Zum Präsidenten geht es nur durch Einbahnstraßen. Rot-weiße Mittelstreifen trennen die Flure, Pfeile zeigen die Laufrichtung an. Corona erzwingt den geraden Weg. Für die Bundespolizei ist er eher unüblich. "Man trifft sich hier immer zweimal, mindestens", sagt der Präsident. Er hat schon zum dritten Mal den selben Stellvertreter. Er selbst ist einen großen Kreis gegangen. Letzten Sommer hat er sich geschlossen, in diesem Haus, der Bundespolizeidirektion Pirna.

Seit Juli 2019 führt Präsident André Hesse die Großbehörde: zehn Inspektionen, 25 Reviere, in drei Bundesländern. Beinahe viertausend Mitarbeiter auf gut 50.000 Quadratkilometern Fläche. Nicht allen ist er, trotz der Faustregel, schon einmal begegnet. Das erste halbe Jahr war er praktisch nur auf Achse, um Antrittsbesuche zu machen, Kontakte zu knüpfen. Es war nicht leicht, sagt er, wenigstens einen Tag pro Woche fürs Büro freizukämpfen.

Alles andere als ein westfälischer Dickschädel

Dieses Büro liegt an Pirnas südlicher Ausfallstraße, im blauen Dreigeschosser, dessen rundlicher Kopfbau tatsächlich wie eine Kommandobrücke aussieht. Von 2004 bis 2006, bevor er ins Ministerium nach Berlin ging, hat André Hesse schon einmal hier Dienst getan, war Vize beim damaligen Leiter Jörg Baumbach. Als Chef nach Pirna zurückzukehren, sei für ihn eine große Ehre gewesen, sagt Hesse. Eine Ehre, die ihm viel mehr bringt, als einen weiteren Goldstern auf der Schulterklappe. "Behördenleiter zu sein ist ein unglaublich schöner Job."

Augenzwinkerndes Stoßgebet im Büro: Die Menschen in André Hesses Geburtsstadt galten laut einer Umfrage von 2003 als die glücklichsten Deutschen.
Augenzwinkerndes Stoßgebet im Büro: Die Menschen in André Hesses Geburtsstadt galten laut einer Umfrage von 2003 als die glücklichsten Deutschen. © Norbert Millauer

André Hesse, 56 Jahre alt, ist gebürtiger Osnabrücker. "Ich komm' zum Glück aus Osnabrück", steht auf einer Postkarte, die seinen Schreibtisch ziert. Osnabrücker sind die glücklichsten Deutschen, zumindest waren sie es 2003 laut Umfrage des Stern. Die Pirnaer müssen sich da nicht verstecken. "Die Stadt hat unglaublich viel Lebensqualität gewonnen", sagt Hesse. Das schmucke Zentrum, die Restaurants, die Umgebung. Wollen Bekannte Dresden und die Sächsische Schweiz erkunden, empfiehlt er ihnen, genau in der Mitte abzusteigen, in Pirna. "Da bekommt man beides."

Zwar ist André Hesse der Landkarte nach ein Niedersachse. Volkstümlich gesehen zählt er sich zu den Ostwestfalen. Ein gehöriger Dickschädel wird diesem Menschenschlag nachgesagt. Dass Hesse gern mit dem Kopf durch die Wand geht, davon ist nichts zu spüren. Er sieht die Kommunikation als sein prägendes Stilmittel. Ihn interessiert, wie die Kollegen denken, wie das, was er in seinem "Elfenbeinturm" sagt, beim Beamten im Streifenwagen ankommt. Und ob es überhaupt ankommt. "Wissen sie, was ihrem Präsidenten wichtig ist?"

Nur drei Corona-Kranke unter den Polizisten

Wichtig war ihm zuletzt vor allem, dass seine Leute gesund bleiben. Mit der Unsicherheit und Furcht der Corona-Krise war auch die Bundespolizei konfrontiert. Hektische Anrufe erreichten die Behörde. Mal ging es um eine hustende Asiatin im Bus nach Prag, mal um einen ganzen Zug, der wegen Ansteckungsgefahr gestoppt werden sollte. Vor allem seine "alten Hasen" hätten mit großer Ruhe und Besonnenheit auf die Situation reagiert, sagt Hesse. Nur drei Beamte in der ganzen Direktion erkrankten selbst an Corona. "Da können wir nicht so viel falsch gemacht haben."

Erster Kontakt mit Pirna: Während der Flut 2002 war André Hesse, hier beim Interview in der Pirnaer Altstadt, Inspektionsschef des Bundesgrenzschutzes in Zinnwald.
Erster Kontakt mit Pirna: Während der Flut 2002 war André Hesse, hier beim Interview in der Pirnaer Altstadt, Inspektionsschef des Bundesgrenzschutzes in Zinnwald. © Bundespolizei

Wegen Corona hat das Jahr 2020 absolut untypisch für die Bundespolizei begonnen: kaum Flugverkehr, kaum Leute in Bussen und Bahnen, keine Fußallspiele, keine Demos. Und auch an der Grenze gähnende Leere. Die Direktion sichert fast 600 Kilometer Grenzlinie. Tschechen und Polen hatten ihre Übergänge nahezu hermetisch abgeriegelt. Nun darf wieder gereist werden. Bringt der auflebende Grenzverkehr eine Flut neuer Straftäter mit?

Dass sich die Delikte gestaut haben und jetzt flutartig anrollen, dafür gibt es keine Anhaltspunkte, sagt André Hesse. Allerdings ist die Zahl der Fahndungstreffer sehr schnell wieder angestiegen und liegt jetzt praktisch auf Vor-Corona-Niveau. Auch die Schleuser haben ihre Geschäfte wieder aufgenommen.  So entdeckte man auf der A 17 in einem bulgarischen Sattelzug acht zwischen der Ladung versteckte Syrer und Ägypter. In einem Kleinbus saßen acht Ukrainer mit gefälschten Papieren, offenbar unterwegs zur Schwarzarbeit. Im Zittauer Gebirge wurden elf Menschen aus dem Nahen Osten aufgegriffen, wahrscheinlich ebenfalls mittels Lkw über die Balkanroute geschmuggelt.

Mehr als 15.000 Fahndungstreffer gelandet

Die Bundespolizei Pirna ist vor allem eine Fahndungspolizei, die nach Menschen und Sachen sucht. Und das Fahnden, sagt André Hesse, funktioniert immer besser. 2018 landete die Direktion mehr als 15.000 Fahndungstreffer, vollstreckte fast 2.000 Haftbefehle, entdeckte viereinhalb Tausend illegal eingereiste oder schon im Land lebende Personen und mehr als 3.000 gefälschte Urkunden. Die Zahlen für 2019 seien zwar noch nicht freigegeben. Doch wird laut Präsident Hesse in fast allen Bereichen eine deutliche Steigerung des Fahndungserfolgs gemeldet werden.

Von Montreal bis Sidney und von Lagos bis Kopenhagen - mit der Bundespolizei ist André Hesse viel herumgekommen, wie seine Tassensammlung bezeugt.
Von Montreal bis Sidney und von Lagos bis Kopenhagen - mit der Bundespolizei ist André Hesse viel herumgekommen, wie seine Tassensammlung bezeugt. © Norbert Millauer

Und so soll es weitergehen. Für die Fahndung gibt es neue Kompetenzzentren und smarte Handys. Und auch mehr Beamte. Die Bundespolizei wächst, laut Minister Seehofers letzter Zusage um mehr als 11.000 Stellen. Auch Hesses Direktion, die bisher mit einem Altersschnitt von 48 bei den Vollzugsbeamten die drittälteste im Lande war, soll deutlich jünger werden. Die ersten frisch Ausgebildeten sind schon da. Eine neue Generation, die sehr darauf bedacht ist, dass ihr Handy immer Strom und Netz hat, aber die auch Ansporn ist, sagt André Hesse, für seine Altgedienten, "zu zeigen, was sie wirklich drauf haben."

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