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Abgefahrenes Hobby: Diese Sachsen driften mit Modellautos

Auf der Messe Modell-Hobby-Spiel ab Freitag in Leipzig zeigt ein Team aus der Nähe von Chemnitz, wie man mit Autos im Maßstab 1:10 stilvoll querfährt.

Von Andreas Rentsch
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Sven Fritzsche mit seiner Driftmaschine: Der Toyota im Maßstab 1:10 hat Hinterradantrieb und lässt sich übersteuernd durch Kurven
zirkeln wie ein echtes Auto.
Sven Fritzsche mit seiner Driftmaschine: Der Toyota im Maßstab 1:10 hat Hinterradantrieb und lässt sich übersteuernd durch Kurven zirkeln wie ein echtes Auto. © Uwe Mann

Driften, so hat es Deutschlands bekanntester Rallyepilot Walter Röhrl mal gesagt, sei „die Kunst, einen instabilen Zustand stabil zu halten“. Auch Sven Fritzsche beherrscht das Herantasten an die Grenzen der Fahrphysik. Jedoch nicht mit echten Autos, wie er betont. Sein grün-grau lackiertes Toyota-Sportcoupé passt in einen großen Pappkarton und ist von einer 160 Gramm leichtem Polykarbonatkarosse umhüllt. „Maßstab 1:10“, sagt der 49-Jährige.

RC Drift nennt sich das hierzulande wenig bekannte Hobby. Die in Flöha bei Chemnitz ansässige ABC Drift & Offroad Crew, bei der Fritzsche seit 2017 angehört, betreibt die derzeit einzige feste Strecke für solche Modellautos in Sachsen. Einmal pro Woche treffen sich die Klubmitglieder im Tiefparterre einer ehemaligen Baumwollspinnerei, um an ihren Vehikeln zu schrauben, zu fachsimpeln und ein paar Runden auf der rund 28 Meter langen Piste zu driften. Dann füllt hochfrequente Sirren der Elektromotoren den Raum.

Männer mit Spieltrieb: Sven Fritzsche, Arin Boghoss und Mario Hartwig (v.r.n.l.) von der ABD Drift & Offroad Crew mit ihren Modellautos im Maßstab 1:10.
Männer mit Spieltrieb: Sven Fritzsche, Arin Boghoss und Mario Hartwig (v.r.n.l.) von der ABD Drift & Offroad Crew mit ihren Modellautos im Maßstab 1:10. © Uwe Mann

Die Strecke sei mit PVC aus dem Baumarkt belegt und zusätzlich gewachst, sagt Fritzsche. „Das verringert das Tempo, die Autos driften geschmeidiger und das Risiko harter Crashs wird reduziert.“ Grundsätzlich gehe es nicht um maximales Tempo, sondern stilvolles Querfahren und die perfekte Linie. In der Theorie funktioniert das so: „Mit Schwung auf die Kurve zufahren, kurz anbremsen, das Heck ausbrechen lassen und mit gezielten ,Gasstößen‘ das Auto im Drift dirigieren.“ Bis dieses kontrollierte Übersteuern gelingt und gekonnt aussieht, heißt es: üben, üben, üben. Als Steuerung verwendet Fritzsche eine Fernbedienung im Pistolengriff-Design, an der sich alle möglichen Parameter einstellen lassen.

Billig sei diese Art der Freizeitbeschäftigung nicht, gesteht der Außendienstmitarbeiter. „Das minimale Budget für ein Drift-Auto würde ich auf 500 Euro schätzen. Dann ist man aber mit gebrauchten Teilen unterwegs.“ Es sei aber auch kein Problem, 1.500 Euro auszugeben.

Manch einer zahlt schon 700 Euro nur für die Fernbedienung. Tatsächlich sollten Hobby-Neulinge nicht zu sehr knausern, weil sonst schnell der Spaß am Driften verloren gehe, bestätigt Fritzsches Crew-Kollege Arin Boghoss. „Meine erste Chassis habe ich für 300 Euro bei Ebay gekauft. Als ich dann das erste Mal hier war, hat mir Sven direkt gezeigt, dass das Ding nicht wirklich taugt und noch einiges an Arbeit und Geld investiert werden muss.“

Mario Hartwig und Arin Boghoss mit hüllenlosem Modellfahrzeug: Als Energiespender fungieren Lithium-Polymer-Akkus, die einen sogenannten Brushless-Motor antreiben.
Mario Hartwig und Arin Boghoss mit hüllenlosem Modellfahrzeug: Als Energiespender fungieren Lithium-Polymer-Akkus, die einen sogenannten Brushless-Motor antreiben. © Uwe Mann

Worauf es beim RC Drift vor allem ankommt, ist eine möglichst präzise Kontrolle der Kraftübertragung von den Rädern auf die Fahrbahn. Anders als bei anderen funkferngesteuerten Modellautos, bestehen die Reifen aus Polyethylen oder PVC. „Dieses Material baut weniger Längs- und Seitenführungskräfte auf als Gummi“, erklärt Fritzsche. Salopp gesagt: Mit Kunststoff rutscht es besser.

Für Vortrieb sorgen sogenannte Brushless-Motoren. Brushless heißt übersetzt bürstenlos, was bedeutet, dass zwischen dem beweglichen Rotor und dem feststehenden Stator kein elektrischer Kontakt besteht. Das hat mehrere Vorteile, unter anderem, dass das Aggregat weniger Reibung sehr feinfühlig drehzahlregelbar ist. Alle weiteren Details seien zu speziell, als dass sie für Laien gut verständlich wären, sagt Klubmitglied Mario Hartwig. Letztlich gehe es darum, die ideale Kombination aus Drehmoment und Drehzahl zu finden. „Bei Wettkämpfen kann es auch sein, dass bestimmte Motorkennzahlen vorgegeben sind“, ergänzt Fritzsche. Gefahren wird fast nur noch mit Heckantrieb.

Display einer Modellauto-Fernbedienung: Diverse Parameter lassen sich einstellen, etwa die Feinfühligkeit der Lenkung (ST, steht für Steering) oder das "Gaspedal" (TH für Throttle).
Display einer Modellauto-Fernbedienung: Diverse Parameter lassen sich einstellen, etwa die Feinfühligkeit der Lenkung (ST, steht für Steering) oder das "Gaspedal" (TH für Throttle). © Andreas Rentsch

2007 sei das in Japan entstandene Modellauto-Driften als Trend nach Deutschland geschwappt, sagt Michael Krieg von den Drift-Freaks Berlin. „Wir haben uns zunächst vor allem in Foren ausgetauscht und versucht, das nachzumachen, was wir auf Youtube gesehen haben.“ Bauteile seien nur in Asien erhältlich gewesen. „Erst ab den 2010er-Jahren waren hierzulande die ersten Händler am Start.“ Heute ordern Interessenten ihr Equipment bequem in Onlineshops wie drifted.nl oder tonisport.de.

Auch um die Organisation von Wettbewerben kümmern sich Krieg und seine Kollegen. Im Februar dieses Jahres hat ihr Event „Clash of the Titans RC Drift Competition“ rund 100 Fahrer aus ganz Europa im thüringischen Erfurt zusammengebracht.

Wie gut Modellauto-Piloten die Kunst des Driftens beherrschen, wird bei solchen Veranstaltungen von Wertungsrichtern beurteilt. „Style-Punkte“ gibt es unter anderem für den perfekten Driftwinkel oder wenn farblich markierte Kurvenbereiche exakt getroffen werden. In einer anderen Disziplin muss das Auto in einem Rutsch um mehr als 180 Grad gedreht und punktgenau in einer abgezirkelten Parklücke zum Stehen gebracht werden. Außerdem gibt es noch Wettbewerbe, bei denen Juroren die Optik und handwerkliche Ausführung der Modelle beurteilen.

Bevorzugte Modelle sind japanische Klassiker wie der Nissan GT-R (l.). Manch einer mag aber lieber mit einem Pick-up driften.
Bevorzugte Modelle sind japanische Klassiker wie der Nissan GT-R (l.). Manch einer mag aber lieber mit einem Pick-up driften. © Uwe Mann

Den Wettkampfgedanken wolle er bei diesem Hobby aber gar nicht so sehr betonen, sagt Krieg. „Spaß und das gemeinsame Fahren sollen im Vordergrund stehen.“ So auch bei der Messe „Modell-Hobby-Spiel“ dieses Wochenende in Leipzig. Dort werden die Drift-Freaks ein 300 Quadratmeter großes Show-Areal bespielen. Auch die sächsische Crew wird mit ihren Autos vertreten sein. „Das ist eine gute Gelegenheit, bekannter zu werden“, sagt Sven Fritzsche. „Wir müssen ja nicht der einzige RC-Drift-Club in Sachsen bleiben.“

Wer Kontakt zur ABC Drift & Offroad Crew aus Flöha knüpfen möchte, sollte das bevorzugt über Facebook tun. Auch auf Instagram ist der Klub vertreten. Die Berliner Drift-Freaks sind online hier und hier zu finden.

Kostenlos zur Messe

  • Die SZ verlost zehnmal zwei Freikarten für die Modell-Hobby-Spiel. Wer bis 28.09.2023, 24 Uhr, eine Mail mit Name, Adresse, Telefonnummer an dei Adresse [email protected] schickt, dessen Name landet im Lostopf.
  • Gewinner erhalten Codes für Onlinetickets am 29.09. per E-Mail.
  • Öffnungszeiten: Die Messe ist am 29. und 30.09. jeweils 10 bis 18 Uhr und am 1.10. 10 bis 17 Uhr geöffnet.
  • Ticketpreise: Eine Tageskarte kostet 17 Euro, ermäßigt zwölf Euro. Kinder (6 bis 12 Jahre) zahlen sechs Euro. Die Tageskarte Schule kostet ebenfalls sechs Euro, die Gruppenkarte (ab zehn Personen) elf Euro pro Person. (rnw)