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Coronavirus: Italien riegelt Städte ab

Binnen weniger Tage schnellt die Zahl der Infektionen in Italien nach oben. Wie in China werden Städte isoliert. In Venedig fällt der Karneval flach.

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Italien, Casalpusterlengo: Menschen tragen Atemschutzmasken und stehen vor einem Supermarkt in einer Schlange. Nach dem Tod zweier Menschen sind Teile des öffentlichen Lebens zum Erliegen gekommen.
Italien, Casalpusterlengo: Menschen tragen Atemschutzmasken und stehen vor einem Supermarkt in einer Schlange. Nach dem Tod zweier Menschen sind Teile des öffentlichen Lebens zum Erliegen gekommen. © Claudio Furlan/LaPresse/AP/dpa

Rom. Mit drastischen Maßnahmen wie Sperrzonen will Italien die rasante Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 stoppen. Mehrere Gemeinden in Norditalien wurden abgeriegelt, damit das Virus nicht auf die Wirtschaftsmetropole Mailand, das Touristenzentrum Venedig und andere Regionen übergreift. Der Karneval in Venedig werde genauso wie alle Sportveranstaltungen abgesagt, Museen und Schulen sollen in der gesamten Region Venetien bis zum 1. März geschlossen bleiben, kündigte Regionalpräsident Luca Zaia am Sonntag an. Der Karneval hätte eigentlich noch bis Dienstag laufen sollen.

Die Zahl der Infizierten war in Italien über das Wochenende überraschend stark angestiegen. Bis zum Sonntagnachmittag waren es bereits mehr als 130 Fälle, wie Zivilschutzchef Angelo Borrelli erklärte. Am stärksten war die wirtschaftsstarke Region Lombardei betroffen, wo rund 90 Fälle gemeldet wurden. Es folgte Venetien, wo es rund 25 Infizierte waren. Darunter gab es auch zwei Fälle in der Stadt Venedig, sagte Zaia. Auch im Piemont, in der Emilia-Romagna und in Rom hatten sich Menschen angesteckt. Zwei ältere Menschen sind bereits gestorben. 26 Personen waren laut Zivilschutz auf der Intensivstation. 

Schulen und Geschäfte geschlossen

Die Regierung kündigte scharfe Maßnahmen an, um eine Verbreitung in den wirtschaftsstarken Regionen aufzuhalten. Die am stärksten betroffenen Städte wurden abgeriegelt: Niemand durfte rein oder raus. Betroffen ist die Provinz Lodi in der Lombardei rund 60 Kilometer südöstlich von Mailand, wo rund 50.000 Menschen leben, sowie die Stadt Vo in der Provinz Padua in Venetien mit rund 3.000 Einwohnern.

"Das Ziel ist es, die Gesundheit der italienischen Bevölkerung zu schützen", sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte nach einer Krisensitzung in der Nacht zu Sonntag. Zunächst sollten Sicherheitskräfte die Regionen abriegeln. "Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein." Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe strafrechtliche Verfolgung.

In vielen Städten und Gemeinden wurden Schulen, Universitäten und ein Großteil der Geschäfte geschlossen. Großveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden abgesagt. Die Mailänder Scala sagte ihre Aufführungen bis auf Weiteres ab. 

© Grafik: dpa

In Venedig, das um die Karnevalszeit massenhaft Touristen besuchen, herrschte Alarmstimmung. Die Feste sollten ab Sonntagabend auslaufen. "Es ist die schwerwiegendste Anordnung, die ein Regionalpräsident eigentlich nie machen möchte", sagte Gouverneur Zaia.

Das Ausmaß des Ausbruchs in Italien erschreckt. Zum Vergleich: In Deutschland wurden bisher 16 Fälle gemeldet, in Frankreich zwölf. Italiens Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri sagte dem Sender SkyTG24, er gehe von weiter steigenden Fallzahlen aus. "Es ist klar, dass wir mehr Fälle haben werden."

In Südtirol bereiteten sich die Behörden auf mögliche eingeschleppte Infektionen vor. Kitas sollten vorerst geschlossen bleiben. Ein Aussetzen der innereuropäischen Reisefreiheit im Rahmen der Schengen-Zone sei vorerst nicht vorgesehen, so Conte. Aus Italien solle "kein Lazarett" werden.

In den Nachbarländern Schweiz und Österreich war erhöhte Wachsamkeit angesagt. Frankreich bereitet sich verstärkt auf eine Ausbreitung von Sars-CoV-2 vor. Die Lage in Italien werde "aufmerksam verfolgt", sagte Gesundheitsminister Olivier Véran. 

Deutschland in Kontakt mit Italien

Auch die Bundesregierung beobachtet die Lage. "Unsere Botschaft und die deutschen Konsulate in Italien stehen mit den italienischen Behörden in Kontakt für den Fall, dass die italienischen Maßnahmen Deutsche betreffen", hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Rückkehrern aus den betroffenen Regionen in Norditalien wurde empfohlen, sich an die entsprechenden Hinweise des Robert Koch-Instituts und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf deren Internetseiten zu halten.

Italien ist das Land in Europa mit den meisten Infektionen. Auch auf der koreanischen Halbinsel spitzte sich die Lage zu: Die Regierung Südkoreas rief wegen des rasanten Anstiegs der Fallzahlen im Land die höchste Warnstufe für Infektionskrankheiten aus. In einigen Tagen werde ein "kritischer Moment" im Kampf gegen Covid-19 erreicht sein, sagte Präsident Moon Jae In. Die Zentralregierung wie auch die Lokalregierungen sollten nicht zögern, beispiellose Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Zahl nachgewiesener Infektionen im Land lag am Sonntag bei gut 600, mindestens fünf Menschen starben. 

Infizierte: Experten vermuten hohe Dunkelziffer

Noch weitgehend unklar ist die Situation im Iran. Bis Sonntag waren dort 40 Infektionen erfasst. Acht Menschen starben bisher an Covid-19, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Die tatsächlichen Fallzahlen könnten aber weitaus höher liegen, wird befürchtet. Nach Angaben des Ministeriums wurden in mehreren Städten die Schulen und Universitäten vorläufig geschlossen. Auch Kinos bleiben bis auf weiteres zu, Theater- und Konzertveranstaltungen wurden abgesagt.

Iran, Teheran: Frauen tragen Atemschutzmasken um sich vor dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 zu schützen. Laut des iranischen Gesundheitsministeriums sind bisher 8 Menschen an den Folgen des Virus gestorben. 
Iran, Teheran: Frauen tragen Atemschutzmasken um sich vor dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 zu schützen. Laut des iranischen Gesundheitsministeriums sind bisher 8 Menschen an den Folgen des Virus gestorben.  © Ebrahim Noroozi/AP/dpa

In China, dem Ursprungsland von Covid-19, lag die Zahl offiziell erfasster Infektionen am Sonntag bei rund 77.000, mehr als 2.400 Menschen starben demnach an der Lungenerkrankung. Experten gehen aber von einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Fälle aus. Die Epidemie sei "der größte öffentliche Gesundheitsnotstand mit der schnellsten Verbreitung, dem breitesten Ausmaß an Infektionen und der schwierigsten Vorbeugung und Kontrolle seit der Gründung des neuen Chinas", sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Sonntag.

"Die gegenwärtige Lage der Epidemie ist düster und kompliziert, und Vorbeugung und Kontrolle stecken in der kritischsten Phase." Die Epidemie werde "große Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft" haben, so Xi Jinping. Er halte diese aber für "vorübergehend und beherrschbar", da die Grundlagen für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung China unverändert seien. (dpa)