Der zweite harte Lockdown in Sachsen sollte nach Auffassung der Staatsregierung eigentlich von besonders restriktiven Maßnahmen im Handel begleitet werden. Wie im Frühjahr verfügte man vor wenigen Tagen, dass alle Läden und Einkaufszentren wochenlang schließen müssen und nur noch Geschäfte für ausgewählte Dienstleistungen und Waren des täglichen Bedarfs offen bleiben dürfen – dazu zählen neben Supermärkten unter anderem auch Läden für Tierbedarf, Getränkemärkte, Abhol- und Lieferdienste, Apotheken, Drogerien, Banken und Poststellen.
Überraschenderweise entschied man sich im sächsischen Corona-Krisenstab am vergangenen Freitag dabei aber für eine zusätzliche Einschränkung, die es im Frühjahr noch nicht gegeben hatte. Der Begriff „Waren des täglichen Bedarfs“ wurde diesmal so ausgelegt, dass dieser tatsächlich nur noch auf Lebensmittel bzw. Hygieneprodukte zutrifft. Ein brisantes Detail mit weitreichenden Folgen vor allem für Supermärkte. Diese waren damit angewiesen, andere Produkte wie Spielwaren, Textilien, Blumen, Möbel, Sportausrüstung, Technik oder Bücher sofort aus ihrem Angebot zu nehmen.
Eine sowohl logistisch aufwendige als auch für viele Kunden verwirrende Maßnahme, da diese Produkte damit nicht automatisch aus den Läden verschwanden, im Gegenteil. Laut sächsischem Wirtschaftsministerium reichte es aus, wenn die Waren etwa durch Absperrband oder durch eine Abdeckung mit Folien separiert werden.
50-Prozent-plus-X-Regel
Dort, wo die ersten Märkte prompt auf diese Anweisung reagierten, war das Unverständnis vor Ort entsprechend groß. Es galt das Motto: Nur anschauen, aber nicht anfassen! Supermarktketten hielten sich bei Anfragen zum Thema offiziell zwar bedeckt. Unter der Hand wurde jedoch darauf hingewiesen, dass dieses verschärfte Verbot in Sachsen im Detail nicht nachvollziehbar ist. „Wenn der Kunde Brot, Milch und Obst aus dem Regal nimmt und ein paar Schritte weiter zu einem Spielzeug oder einem Föhn greift, erhöht das aus unserer Sicht nicht zwingend das Infektionsrisiko.
“ Immer wieder wird zudem seitens des Handels betont, dass man ansonsten alle Corona-Schutzauflagen, angefangen mit der Bereitstellung von Desinfektionsspendern bis hin zu einem reduzierten Einlass von Kunden, weiterhin strikt einhält.
Dazu kam, dass Sachsen mit dieser Anordnung bundesweit nahezu allein stand. Viele andere Bundesländer griffen vielmehr auf die 50-Prozent-plus-X-Regel zurück. Soll heißen, alle Geschäfte, deren Angebote mehrheitlich aus anerkannten Waren des täglichen Bedarfs bestehen, können auch in der Zeit des Lockdowns andere Produkte anbieten. Voraussetzung ist nur, dass die eigene Angebotspalette schon lange bestand und nicht kurzfristig vorm Lockdown geändert wurde.
Eine sinnvolle Lösung, die nun auch im Freistaat Sachsen zur Anwendung kommen soll. 72 Stunden nach der umstrittenen Entscheidung des Krisenstabes verkündete am Montagnachmittag Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Mangold auf einer Online-Pressekonferenz, dass das neue Verkaufsverbot ab sofort hinfällig ist. Er sprach dabei von einem Abwägungsprozess zwischen Infektionsschutz und der praktischen Umsetzung des Verbotes. Indirekt verwies er aber auch auf die Proteste aus der Handelsbranche.
Die gute Nachricht bei der Kehrtwende: Sachsens neue Corona-Schutzverordnung braucht dafür nicht extra geändert zu werden. Geändert werden nun nur die Hinweise zur Auslegung einzelner Vorgaben. Verkünden wollte das am Montag eigentlich Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) persönlich. Doch zuvor musste er vorsorglich in häusliche Corona-Quarantäne.
Vermeidbare Aufregung
Supermärkte sollen im Lockdown keine Waren verkaufen dürfen, die nicht zum täglichen Bedarfs gehören. Die Kritik ist groß. Ein Kommentar.