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Abwasser-Analyse: So viele Corona-Nachweise wie noch nie

Wissenschaftler haben einen massiven Anstieg von Coronavirus-Spuren im Abwasser entdeckt. Dresden ist mit am stärksten betroffen.

Von Sandro Pohl-Rahrisch & Stephan Schön
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Wie schnell sich das Coronavirus ausbreitet, wird im Abwasser sichtbar. Dort können die Virusbausteine nachgewiesen werden.
Wie schnell sich das Coronavirus ausbreitet, wird im Abwasser sichtbar. Dort können die Virusbausteine nachgewiesen werden. © dpa

Dresden/Berlin. Die Pandemie ist vorbei, doch die Infektionszahlen steigen. Derzeit gibt es bundesweit wohl so viele am Corona-Virus Erkrankte wie noch nie. Auch in Dresden. Das geht aus dem Forschungsprojekt Amelag des Robert Koch Instituts (RKI) hervor. Amelag, das Abwassermonitoring für die epidemiologische Lagebewertung, wurde in Deutschland während der Pandemie aufgebaut.

Die Infektionsdaten holen sich die Wissenschaftler aus dem Abwasser von bundesweit 123 Standorten. In Sachsen werden die Abwasserproben in Dresden, Görlitz, Grimma und an mehreren Standorten von Döbeln entnommen. Es sind Mischproben über den ganzen Tag verteilt. Diese werden dann im Labor mittels PCR-Test auf Genbausteine des Virus analysiert.

Die jetzige Infektionswelle kam unbemerkt, denn systematisch getestet wird ja längst nicht mehr. Das jetzige Ausmaß ließ sich allerdings erahnen. Im Abwasser hatte sich diese Infektionswelle bereits seit Juli angekündigt.

Viren und Virenbestandteile werden vor allem über den Stuhl Erkrankter ausgeschieden. Diese Viruslast lässt sich im Abwasser nachweisen. Die Anzahl der Virenpartikel je Liter ist das Maß dafür, inwieweit die Infektion in einer Region um sich greift, mit welcher Geschwindigkeit und Stärke. Die exakte Anzahl Erkrankter ist daraus allerdings nicht direkt ablesbar.

Es gibt zu viele Einflussfaktoren, die dies verhindern. Befinden sich beispielsweise sehr viele Touristen in der Stadt oder gab es große Veranstaltungen in kleinen Orten? Gab es verdünnende Starkniederschläge? Die Virenlast schwankt zudem von Virustyp zu Virustyp. Derzeit breite sich in Deutschland die Variante EG.5 aus, heißt es vom RKI. Sie ist erheblich ansteckender, aber nicht so gefährlich. Auch eine Omikron-Untervariante gewinne an Stärke. Deren Risiko stuft die Weltgesundheitsorganisation als gering ein.

Die Kläranlage Döbeln ist Teil des Forschungsverbunds zu den Coronaviren im Abwasser.
Die Kläranlage Döbeln ist Teil des Forschungsverbunds zu den Coronaviren im Abwasser. © Veolia

Fest steht dennoch, derzeit erlebt Deutschland seine bisher heftigste Corona-Welle. Die Kurven gehen überall steil nach oben. In Dresden deutlich stärker als in den meisten anderen Regionen. Hier ist das Infektionsgeschehen auch deutlich heftiger als in Görlitz und Döbeln. Noch im Juli wurden in Dresden lediglich 0,03 Millionen Virenbausteine je Liter Abwasser gemessen. Zum Stichtag Ende November waren es hier bereits 2,43 Millionen Viruspartikel. Bundesweit ist die Virenlast nur etwa halb so groß (Durchschnittswert für alle Stationen 1,03 Millionen). In Döbeln beträgt die Virenbelastung zum Ende November 0,61 Millionen und in Görlitz nur 0,36 Millionen. In Grimma sind es 0,34 Millionen Virenbausteine. Zur Wochenmitte erwartet das RKI neue Datensätze, dann für die erste Dezemberwoche.

Der Krankenhausgesellschaft Sachsen zufolge seien schwere Verläufe sehr selten geworden. Die Kapazitäten seinen unkritisch belastet. Wie eine Abfrage in Dresden ergab, seien sieben Covid-Patienten in der Intensivmedizin, einer mit künstlicher Beatmung. Sie sind größtenteils über 70 Jahre und vorerkrankt.

Abwasser kann generell ein Frühwarnsystem für Infektionswellen sein. Die Wissenschaftler, so auch an der TU Dresden arbeiten daran, dieses Monitoring auszuweiten. Grippeviren beispielsweise und multiresistente Keime könnten so beobachtet werden. Auch das Corona-Monitoring wurde maßgeblich an der TU Dresden gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig UFZ entwickelt.