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Dresdner Forscher entwickeln PCR-Schnelltest

In Deutschland sind die PCR-Tests knapp. Testen zu Hause und ein sicheres Ergebnis nach nur 20 Minuten – das soll nun eine Idee aus Dresden möglich machen.

Von Jana Mundus
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Den PCR-Tupfer sehen aktuell nur noch wenige Menschen, denn die Tests sind knapp. Eine Entwicklung der TU Dresden könnte solche Probleme in Zukunft lösen.
Den PCR-Tupfer sehen aktuell nur noch wenige Menschen, denn die Tests sind knapp. Eine Entwicklung der TU Dresden könnte solche Probleme in Zukunft lösen. © dpa/Karl-Josef Hildebrand

Der Tupfer erreicht längst nicht mehr jeden Rachen oder jede Nase, die es nötig hätten. In Deutschland sind die PCR-Tests knapp. Die Labore kommen bei bundesweit Zehntausenden Corona-Neuinfektionen täglich an ihre Grenzen. Nur besonders gefährdete Menschen oder bestimmte Berufsgruppen wie etwa Ärzteschaft oder Pflegekräfte werden noch mittels PCR getestet. Für Wissenschaftler der TU Dresden ein Problem, das sie noch in diesem Jahr lösen wollen. Sie arbeiten am Labor im Miniformat, das jeder zu Hause haben könnte. Am zuverlässigen Schnelltest für jedermann.

Die aktuelle PCR-Methode gilt als Goldstandard, als genaues und aussagekräftiges Testverfahren. Doch der Test-Primus hat durchaus seine Tücken. Beim PCR, der Polymerasekettenreaktion, wird Coronavirus-RNA in DNA umgewandelt. Die DNA-Sequenzen werden anschließend in großen Mengen vermehrt. Dafür braucht es die DNA-Bausteine Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin sowie ein Enzym, die DNA-Polymerase, die sie zusammenbaut. Damit die Polymerase das jedoch an der richtigen Stelle tut, sind außerdem sogenannte Primer notwendig, die die Verbindungsstellen durch Anlagerung kenntlich machen. Die Polymerasekettenreaktion läuft ansonsten in sich immer wiederholenden Schritten ab. Dabei wechselt die Temperatur ständig zwischen 70 und 90 Grad Celsius.

In den Laboren übernehmen teure Testroboter diese Aufgaben. Durch die hohen Anschaffungskosten ist die vorhandene Testkapazität also schon aus finanziellen Gründen eingeschränkt. "Ein weiteres Problem ist, dass die Geräte bei der Analyse eine große Menge an Nachweischemie verbrauchen", erklärt Andreas Richter, an der TU Dresden Inhaber der Professur für Mikrosystemtechnik. Solche Chemikalien seien durch den weltweiten Verbrauch in der Pandemie jedoch ebenfalls knapp. "Hinzu kommt, dass die Labore für die anfallenden Aufgaben natürlich auch genug Fachpersonal benötigen", fügt Richter an.

Nur zehn Prozent der Chemikalien reichen

Die Idee aus Dresden kann all diese Schwierigkeiten lösen. Das Labor in Chipgröße basiert auf sogenannten chemischen Schaltkreisen. Diese nutzen Chemikalien nicht nur als Software, sondern auch als Energiequelle, was sie autonom macht. Entwickelt wurde der Ansatz in Sachsen. Bereits vor zehn Jahren vermeldeten Richter und sein Team erste Erfolge mit diesen chemischen Mini-Rechnern.

Deren Schaltkreise funktionieren durch Transistoren. In der Elektronik finden sie Anwendung, um Ströme zu schalten und zu steuern. Im Miniaturlabor steuern sie aber keine elektrischen, sondern Flüssigkeitsströme. Darin enthalten sind menschliche Zellen, im Fall von Coronaviren aus Nasen- oder Rachenabstrichen. "Wir brauchen für die Analyse einer Probe rund 90 Prozent weniger Chemikalien als die Testroboter", erläutert der Professor. Tausende chemischer Transistoren auf dem Chip führen die Analyse vollkommen selbstständig durch. Für eine Vielzahl menschlicher Zellen oder Viren gleichzeitig. Sie berechnen dafür den optimalen Testablauf. Dafür brauchen sie keine unterschiedlichen Temperaturen, die Prozesse für den Nachweis laufen auch so ab.

Ein Chip mit chemischen Schaltkreisen soll schon in naher Zukunft beim schnellen Erkennen von Coronaviren helfen.
Ein Chip mit chemischen Schaltkreisen soll schon in naher Zukunft beim schnellen Erkennen von Coronaviren helfen. © TU Dresden

Multiplex-Lamp nennen die Forscher ihr Verfahren, das die Viren in der Probe so sicher erkennen soll wie bei einem PCR-Test – dabei aber genauso schnell ein Ergebnis liefert wie bei einem Antigen-Schnelltest, den derzeit viele Menschen nutzen. Für diese neue Generation von Tests arbeiten an der TU Dresden aktuell verschiedenste Disziplinen zusammen. Andreas Richter und seine Mitarbeiter vom Institut für Halbleiter- und Mikrosystemtechnik bauen auch auf das Wissen von Mario Menschikowski vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin und von Alexander Dalpke vom Institut für Mikrobiologie und Virologie des Universitätsklinikums Dresden. Ursprünglich hatten die Forscher die Methode bereits für die Diagnose einer speziellen Krebserkrankung weißer Blutkörperchen erdacht. Mit der Corona-Krise kam ein weiterer Anwendungsfall hinzu.

Mit einem Test mehrere Viren erkennen

"Wir sind froh, dass durch eine finanzielle Unterstützung des Freistaats Sachsen und der Europäischen Union nun die Entwicklung dieses neuen Schnelltests möglich wird", sagt Richter. Das Geld stammt aus einem Programm für die Bekämpfung der Pandemie. Bis Ende 2022 soll ein erster funktionsfähiger Demonstrator fertig sein. Für das kommende Jahr ist dann die Ausgründung eines Unternehmens geplant, das die Forschungsergebnisse zum marktfähigen Produkt führen soll. Aussehen wird es später wie eine gängige Testkartusche. "Theoretisch könnte den Test jeder später allein zu Hause machen", erläutert der Wissenschaftler. Er plädiere jedoch lieber dafür, dass er von Hausärzten, in Testzentren oder von Apotheken angeboten wird.

Das Ergebnis gibt es dann bereits nach 20 Minuten – ohne den Umweg über ein Labor, ohne den Einsatz teurer Roboter. Ganz einfach und schnell direkt vor Ort. "Unser Verfahren würde die zügigen Ergebnisse des Antigen-Schnelltests mit der hohen Genauigkeit von PCR-Tests kombinieren." Weil es Ergebnisse nicht erst nach 24 oder 48 Stunden gibt, könnten Übertragungswege schneller unterbrochen werden.

Nicht nur das. Mit einem einzigen Test könnte gleich auf mehrere Erkrankungen hin geprüft werden. Hat jemand Husten und Schnupfen, wüsste die Anwendung also, ob es eine Corona-Infektion oder eine Influenza ist. Auch ein Anpassen der Tests an mögliche neue Virusvarianten wäre laut Richter nicht kompliziert. Stünden die Informationen zur Variante fest, könnten die dafür notwendigen Veränderungen auf den Chips ganz einfach vorgenommen werden. Um gegen neue Wellen oder pandemische Entwicklungen gewappnet zu sein, brauche es zuverlässige und schnelle Testmöglichkeiten. "Wir sind optimistisch, dass unser Verfahren genau das möglich macht."