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Impf-Nebenwirkungen: „Lauterbach hat das Produkt Impfstoff falsch bewertet“

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat zum ersten Mal öffentlich über mögliche Impfschäden informiert. Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller erklärt die juristische Brisanz im Interview.

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Klar Lauterbach, SPD-Gesundheitsminister, hat zum ersten Mal öffentlich über mögliche Impfschäden informiert.
Klar Lauterbach, SPD-Gesundheitsminister, hat zum ersten Mal öffentlich über mögliche Impfschäden informiert. © Marijan Murat/Fabian Sommer/dpa

Von Saara von Alten

Herr Cäsar-Preller, Sie vertreten als Anwalt mehrere Menschen, die nach ihrer Impfung unter Langzeitfolgen leiden. Nun hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach kürzlich bei Twitter das erste Mal offiziell darüber informiert, dass Corona-Impfstoffe, also auch die mRNA-basierten, zu schweren Nebenwirkungen führen können. Davor sprach der SPD-Politiker stets von „nebenwirkungsfreien“ Vakzinen. Wie bewerten Sie das juristisch?

Diese Kehrtwende des Gesundheitsministers war absolut notwendig. Juristisch bedeutet das einiges. Es könnte jetzt zu Amtshaftungsansprüchen gegen die Bundesrepublik Deutschland oder gegen einzelne Bundesländer kommen. Geschädigte könnten somit Schadenersatzleistungen erstreiten.

Wenn über anderthalb Jahre eine Kampagne mit diversen Aussagen über die Nebenwirkungsfreiheit eines Medikamentenimpfstoffes läuft, wundert es mich nicht, dass auch Herr Lauterbach jetzt zugeben musste, das es das nicht gibt. Als Arzt muss er ja wissen, dass es kein Medikament ohne Nebenwirkungen gibt. Da lastete sicherlich auch ein Druck auf ihm.

Was meinen Sie woher der Druck kam?

Er ist ja auch von anerkannten Virologen darauf angesprochen wurden, wie er stets von Nebenwirkungsfreiheit sprechen kann. Ein gewisser Druck ist vermutlich auch von der Pharmaindustrie gekommen. Er hat die ganze Zeit das Produkt Impfstoff falsch bewertet und damit Schadenersatzansprüche gegen die Hersteller determiniert. In den Schriftsätzen, die ich von den Impfstoffherstellern und deren Anwälten bekomme, steht allerdings immer, dass der Impfstoff ,selbstverständlich auch Gefahren von Nebenwirkungen’ habe.

Hätten die Impfstoffhersteller nicht selber anders informieren müssen?

Auf jeden Fall. Sie hätten durch Anzeigenschaltung oder Interviews richtig stellen müssen, dass es auch Risiken von Nebenwirkungen geben kann. Stattdessen haben sie die Kampagne des Gesundheitsministers, der in Interviews und auf Twitter immer wieder Risiken negierte oder verharmloste, laufen lassen. Durch dieses Schweigen der Pharmakonzerne haben sie sich schadenersatzpflichtig gemacht. Ich bin mir sicher, dass das den Weg dazu eröffnet hat.

Sie vertreten als Anwalt verschiedene Menschen, die durch ihre Impfung schwere gesundheitliche Schäden erlitten haben. Wie viele Mandanten sind das mittlerweile und unter welchen Erkrankungen leiden diese?

Das sind mittlerweile 360. Da ist die Gruppe der Menschen mit Herzerkrankungen. Zu nennen ist die Myokarditis als dauerhafte Erkrankung bei Narbenbildung an der Herzhinterwand.

Der nächste große Strang sind Menschen mit unterschiedlichen Thrombosen, neben der Sinusvenenthrombose, die es nicht nur bei Astrazeneca gab, sondern auch bei anderen Herstellern aufgetreten ist, will ich auch die Beinvenenthrombose hervorheben. Dann die Gruppe, bei denen das Sehvermögen geschwächt wurde. Ich vertrete mehrere Mandanten, die völlig erblindet sind. Bei anderen wurden Autoimmunerkrankungen wie Multiples Sklerose oder Rheuma ausgelöst.

Als weitere Gruppe definiere ich Menschen, die über Leistungsschwächen, Erschöpfung und Müdigkeit klagen. Junge Menschen, die sich wie im Körper eines 80-Jährigen fühlen, nicht mehr arbeiten oder ihre Kinder betreuen können. Unter Fachleuten wird das als Post-Vac-Syndrom bezeichnet.

Wie lässt sich beweisen, dass diese Schäden tatsächlich von der Impfung kommen? Autoimmunerkrankungen können auch spontan auftreten...

Die Leute kommen mit ärztlichen Unterlagen zu mir. Sie haben Entlassungsberichte von Krankenhäusern, Universitätskliniken, Fachärzten. Im Gegensatz zu früher nehmen auch Ärzte diese Leiden mittlerweile ernst und schieben das nicht nur auf psychosomatische Ursachen. Auch die deutsche Ärztezeitung hat über Nebenwirkungen informiert.

Fehlt es an Diagnosen, arbeite ich mit einem Ärzteteam zusammen, die weitere Untersuchungen vornehmen. Ich nehme nur die Fälle auf, die auch eine Chance auf eine Entschädigung haben. Menschen mit Befindlichkeitsstörungen kann ich allein schon aus finanziellen Gründen nicht vertreten.

Über das Infektionsschutzgesetz gibt es die Möglichkeit, Schadenersatzleistungen zu beantragen. Hat einer Ihrer Mandanten eine Entschädigung vom Staat bekommen?

Eine Vielzahl meiner Mandanten hat Anträge bei den Versorgungsämtern gestellt, monatelang gewartet und alle haben eine Ablehnung bekommen. Eine aktuelle Abfrage im Mai in Hessen hat ergeben, dass es hier, meine Kanzlei sitzt in Wiesbaden, keinen einzigen anerkannten Fall gibt. In anderen Bundesländern ist das nicht groß anders.

Das ist politisch motiviert und für sich schon ein Riesenskandal. Abgesehen davon sind diese Beträge lächerlich niedrig und betrügen nur 154 Euro bis maximal 814 Euro im Monat. Der Staat würde also auch bei einer Anerkennung die Leute im Stich lassen.

Wie helfen Sie denn ihren Mandanten?

In manchen Fällen gehen wir gegen die Ablehnungsbescheide der Bundesländer vor. Hauptsächlich machen wir aber Schadenersatzansprüche gegenüber den Herstellern geltend und versuchen außergerichtliche Einigungen zu finden. Um zum Beispiel aufwendige Behandlungen wie die Blutwäsche bezahlen zu können. Oder auch um finanzielle Verluste durch Kündigung oder Verlust der Selbstständigkeit auszugleichen.

Wie erfolgreich sind sie dabei?

Wir haben gute Erfolge. Es werden Vergleiche geschlossen, die unter die Verschwiegenheit fallen und daran möchte ich mich auch halten.

Abgesehen von den gesundheitlichen Problemen. Leiden Ihre Mandanten auch unter der gesellschaftlichen Debatte, die ja oft besagt, dass es keine Impfschäden geben darf?

Zuletzt gab es mehrere journalistische Beiträge, die das Klima aufgelockert und gezeigt haben, dass es sich nicht um Impfgegner, sondern um wirklich Betroffene handelt. Es hilft den Menschen sehr, wenn sie eine gewisse Anerkennung erfahren. Natürlich wäre es auch schön, wenn sich der Bundeskanzler oder der ehemalige CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn dazu äußern würden. Oder, wenn die Politik bis auf eine Twitter-Nachricht von Karl Lauterbach was draufsatteln würde und die Versorgungsämter ihre Bereitschaft für Entschädigungszahlungen deutlich ändern würden.Auch über Gesetzesänderungen könnten Betroffene tatsächlich mit angemessenen Summen entschädigt werden. Das würde auch eine kommende Impfkampagne glaubwürdiger machen. Länder wie Dänemark und die Niederlande sind hier deutliche Vorreiter. Sie entschädigen mit deutlich höheren Summen, das geht bis zu 5.000 Euro im Monat.

Nach wie vor ist das Risiko an einer Covid-19-Infektion schwer zu erkranken um ein vielfaches höher, als eine schwere Nebenwirkung zu erleiden. Sind Sie über ihre Arbeit zum Impfskeptiker geworden?

Ich bin geimpft. Bei einer Auffrischimpfung würde ich mich allerdings von meinem Hausarzt gut untersuchen und über den richtigen Zeitpunkt beraten lassen. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie Antibiotika müssen vorher ausgeschlossen werden und in eine Erkrankung darf man nicht reinimpfen. Und die Leute, die impfunfähig sind, müssen auch eine Bescheinigung dafür erhalten.

Im Interview: Der Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller leitet eine Kanzlei in Wiesbaden.

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