"Wo soll das enden?" Köpping und SZ-Reporterin bei Markus Lanz

Es ist ein denkwürdiger Tag. Erstmals in der Pandemie verzeichnet Deutschland mehr als 100.000 Coronainfizierte. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD), vor deren Privathaus im Dezember Coronaleugner mit Fackeln aufmarschierten, ist Gast bei Markus Lanz. Der fragt am späten Mittwochabend mehrfach in die Runde: "Wo soll das enden?"
Köpping gibt sich zuversichtlich. Sie sei zwar während des Aufmarschs allein gewesen. Nachbarn hätten sie angerufen, die Polizei war, wie sie sagt, rasch vor Ort. Ihr Entsetzen habe sich aber schnell gelegt. Bereits am nächsten Morgen hätten ihr Nachbarn kleine Geschenke gebracht, unzählige Solidaritätsadressen folgten. Allerdings seien Bürgermeister nicht so geschützt wie sie. Der Staat müsse "klare Kante geben".
Die Landesministerin zeigt sich offen für eine Impfpflicht. Diese sei, das sagt auch ihr aus Berlin zugeschalteter Bundeskollege Karl Lauterbach (SPD), der Weg aus dem "Schlamassel". Definiert werden, fordert die Sächsin, müssten die Ziele. Gehe es um Verhinderung der Infektion oder um milde Verläufe? Benötige es zwei oder drei Impfungen? Und zu welchem Zeitpunkt? Köpping verlangt von der Bundesebene eine Klärung, egal, wer Anträge ins Parlament einbringe. "Ich will es gemacht haben", sagt sie. Andernfalls gehe weiteres Vertrauen verloren. Die Menschen bräuchten Antworten.
"Menschen aufgeben - das geht nicht"
Für Sachsen, wo es eine vergleichsweise große Impfskepsis gibt, macht die Ministerin eine Drittelrechnung auf. Ein Drittel der Impfgegner habe Sorgen, dass ihnen das Vakzin schade. Ein Drittel habe Angst aufgrund von Vorerkrankungen. Und ein Drittel sei "gegen das Impfen per se". Es gebe Patienten, berichtet Köpping aus Gesprächen mit Ärzten, die Behandlungen skeptisch sähen oder gar ablehnten. Genesene mit schweren Verläufen sagten, sie hätten kein Covid 19 gehabt. Dahinter stehe häufig ein "Patriotismus in völlig falscher Art und Weise".
Köpping will informieren, aufklären, antworten. Sie setzt – außer bei hartgesottenen Rechtsextremisten – auf Dialog: "Menschen aufgeben in unserer Gesellschaft, das geht gar nicht."
Franziska Klemenz, die als Reporterin der Sächsischen Zeitung Coronaproteste beobachtet, beschreibt die Stimmung bei den Aktionen: "Man hat das Gefühl, dass es hier eher um das Dagegensein an sich geht." Manche Demonstrierende wähnten sich "im Gefühl, Herrscher einer künftigen Zeit zu sein". Auch Extremismusforscher Matthias Quent analysiert eine Entfremdung der Teilnehmenden vom aktuellen politischen System.
Impfpflicht wird Omikron nicht stoppen

Den Auftakt der 75-minütigen Sendung markiert jedoch ein Zwiegespräch zwischen Lanz und Lauterbach. Der ZDF-Moderator hält dem Minister vor, dass die Regierung keinen Gesetzentwurf zur Impfpflicht vorlege. Der Sozialdemokrat kontert, dass er im Ministerium Anträge der Abgeordneten bearbeite und neutral sein müsse. Initiativen zu ethischen Fragen wie der Impfpflicht gewönnen an Stärke, wenn sie aus der Mitte des Parlaments kämen und nicht an Fraktionszwang gekoppelt seien. Lanz konstatiert "das Gegenteil von Führung". Im Übrigen misstraue die SPD der FDP bei der Impffrage.
Der Gesundheitsminister rechnet damit, dass die Omikronwelle Mitte Februar ihren Höhepunkt in Deutschland erreicht. Da mehr als drei Millionen Menschen im Alter von über 65 Jahren ungeimpft seien, könne es in einem Monat zu immenser Belastung der Intensivstationen kommen.
Die Impfpflicht werde Omikron nicht stoppen, dafür sei es zu spät. Sie trage aber dazu bei, umfassende Einschränkungen zu beenden. Lauterbach: "Eine Impfpflicht ist notwendig, wenn wir dieses Problem ein für allemal erledigt haben wollen im Herbst." Derzeit schütze man die Ungeimpften. Es liege an ihnen, nun auch ihren Beitrag zu leisten.
- Die Sendung in voller Länge in der ZDF-Mediathek.