Ein Mann läuft hinter seinem Hündchen her, und hinter dem Mann läuft die Polizei. Oberkommissar Max Böhmer hat Mühe, sich bemerkbar zu machen. "Der junge Mann mit dem Hund? Hallo?" Dann hat er Herrn K., Mitte fünfzig, aus Pirna, eingeholt. "Die Maske hat gefehlt", erklärt er ihm. Herr K. zieht sie schnell aus der Hosentasche. Doch zu spät. Böhmer kündigt ihm Post von der Bußgeldstelle an. 60 Euro Strafe. Herr K. schluckt. "Scheiße."
Dass die Corona-Streife der Polizei an diesem Donnerstagmittag in Pirnas Gassen stattfindet, war am Morgen noch nicht so klar. Ein Streifenwagen ist ihm ausgefallen, krankheitsbedingt, sagt Polizeirat Candy Sommer, der Revierleiter. Corona? Weiß er noch nicht. Klar ist: Kein falscher Ehrgeiz. Wer sich auch nur ansatzweise unwohl fühlt, kommt nicht zum Dienst.
Das Pirnaer Revier muss schon einige virusbedingte Ausfälle verkraften. Etwa ein Dutzend Beamte fehlt zurzeit. "Die Einschläge kommen näher", sagt Sommer. Trotzdem ist es gelungen, die Woche über täglich gemischte Streifen mit dem Kreis-Ordnungsamt auf die Beine zu stellen, zur Kontrolle der Corona-Schutz-Maßnahmen. Jeden Morgen sondiert Candy Sommer, ob die Kräfte ausreichen. Schließlich wurde auch heute entschieden: Sie reichen.

Seit dem neuerlichen Lockdown Anfang November hat das Ordnungsamt des Landkreises über 170 Verfahren in Sachen Corona eingeleitet, die meisten wegen Verstößen gegen die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Gut dreißig Verfahren betreffen die Maskenpflicht. Wegen Missachtung der nächtlichen Ausgangssperre, die seit Montag gilt, wurde bisher noch keiner bestraft.
Aber die Gangart wird härter, sagt Candy Sommer. Im Frühjahr haben seine Leute noch viel geredet und gemahnt. Das ist vorbei. Der Landkreis gehört bundesweit zu den am schlimmsten von Corona befallenen Gebieten. Da könne man nicht zuschauen, wenn Maskenpflicht und Beschränkungen ignoriert werden. "In der Regel wird abgestraft."
Beim Mittagsläuten tritt Streifenführer Max Böhmer mit einem Kollegen und drei Bediensteten des Ordnungsamts auf die Straße. Vor allem auf das Maskentragen und das Alkoholverbot wird heute geachtet. Wie reagieren die Leute auf die Kontrollen? Unterschiedlich, sagt der Polizist. Manche sind genervt, andere begrüßen es. "Wenn sie selbst eine Maske tragen und sehen, dass wir kontrollieren, werden sie bestärkt."

Der Trupp schlägt den Weg über den Markt ein. Ein alter Herr mit Gehstöcken und orthopädischer Schiene am Fuß hantiert an der Autotür. Die Beamten fragen, ob sie helfen können. Erst dann weisen sie ihn auf die fehlende Maske hin. Die Tragepflicht gilt, auch wenn es schwer fällt, sich mit den Stützen zu sortieren. Da der Mann ohnehin im Begriff ist abzufahren, bleibt es beim Hinweis.
Trotz der ernsten Lage: Es gib noch Ermessensspielraum, sagt Oberkommissar Böhmer. Es ist immer noch ein Unterschied, ob jemand aus purer Träumerei keinen Mund-Nasen-Schutz trägt, oder ob er die Maske beim Anblick der Beamten hoch zieht, um sie dann vermutlich hinter der nächste Ecke wieder abzusetzen. Das zu beurteilen, braucht es Fingerspitzengefühl, sagt der Polizist.
Auf den Elbwiesen führt eine Frau ihren Hund Gassi. Ohne Maske. Und ohne Strafe. Die Schutzverordnung spricht von der Tragepflicht im öffentlichen Raum. Der ist hier zwar. Aber die andere Voraussetzung, "wenn sich Menschen begegnen", sieht die Streife nicht erfüllt. Weit und breit ist niemand zu sehen. Ein plötzliches Zusammentreffen, wie in den Altstadtgassen denkbar, ist ausgeschlossen.

Zurück ins Zentrum. Ab und zu Hinweise an zu lasche Maskenträger, die Nase in den Mund-Nasen-Schutz zu integrieren. Mitten in der Fußgängerzone kommt ein Rentner ohne Gesichtsbedeckung an. Er zuckt erst zusammen, als Max Böhmer direkt vor ihm steht. Für den Polizisten ein Fall von Vergesslichkeit. "Eigentlich kostet das sechzig Euro!" Der alte Mann zeigt Reue. Mit aufgesetzter Maske lässt Böhmer ihn ziehen.
Beim "jungen Mann" mit dem Hündchen ist die Geduld des Streifenführers erschöpft. Ist Herr K. beim Anblick des Kontrollteams absichtlich in die Seitengasse eingebogen? Seine Frau trägt den Mundschutz. Er hatte also das gute Beispiel vor Augen. Ausflüchte sucht er keine. "Passiert, fertig, aus." Wird er die sechzig Euro zahlen? "Ich geb's ihnen gern." Ob er dazu lächelt, kann man hinter der Maske, die er inzwischen trägt, nicht sehen.
Das Scheunenhofcenter, Pirnas neuer Einkaufstempel, gehört zu den wenigen noch belebten Zonen im Lockdown. Ein Mann sitzt auf der Bank, eine Halbliterdose neben sich. Bier? Öffentlicher Alkoholgenuss ist laut Corona-Schutzverordnung verboten. Doch Fehlalarm: In der Büchse ist nur ein hipper grüner Tee.

Dass die Vorplätze von Einkaufszentren definitiv zum Maskenpflichtbereich gehören, scheint ein junges Paar mit Kinderwagen nicht zu wissen. Wortlos übergeben sie ihre Ausweise, nehmen die Ankündigung der Strafgelder hin. Fragen? Nö. Eine Frau, die mit gefüllter Einkaufstasche, aber ohne Mundschutz, aus der Center-Tür kommt, kann die Buße abwenden. Sie zeigt eine Befreiung von der Maskenpflicht vor.
Bei Anhaltspunkten für fingierte Atteste wird nachermittelt, sagt die Polizei. Dann geht es um Urkundenfälschung. Doch hier scheint alles in Ordnung. Das Blatt trägt Stempel und Unterschrift einer Nervenklinik in Brandenburg. Nein, keine fünf Minuten hält sie es unter der Maske aus, sagt die Inhaberin des Scheins. Sie leidet an Schmerzen im Gesicht, an Angstzuständen. Und, wegen ihrer Maskenbefreiung, so sagt sie, nun auch an Diskriminierung. "Man wird schief angeguckt." In einem Buchladen sei sie neulich halb rausgeflogen. "Danach war ich richtig fertig."
Nach anderthalb Stunden rückt die Streife ein. Ertrag: drei Bußgelder, drei aktenkundige Verwarnungen und etwa ein Dutzend Hinweise, sämtlich zum Thema Masken. Polizeichef Sommer will den Kontrolldruck hoch halten. Das sei die Erwartung derer, die sich an die Vorschriften hielten, um möglichst bald wieder ein normales Leben zu führen. "Deshalb werden wir sehr konsequent sein."
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