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Wieder mehrere Zehntausend bei Demos gegen rechts - Warnung vor AfD

Auch an diesem Wochenende wurde wieder demonstriert gegen rechts und die AfD. Der Verteidigungsminister ergreift bei einer Kundgebung das Wort für eine deutliche Mahnung.

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In der ganzen Bundesrepublik kamen Menschen zusammen um für Demokratie und gegen Faschismus zu demonstrieren.
In der ganzen Bundesrepublik kamen Menschen zusammen um für Demokratie und gegen Faschismus zu demonstrieren. © Jens Büttner/dpa

An Demonstrationen gegen rechts haben sich am Samstag wieder mehrere Zehntausend Menschen beteiligt. Auch in Sachsen fanden am Wochenende in mehreren Städten Demonstrationen statt. In Bautzen etwa kamen laut Polizei rund 1500 Menschen am Sonnabend zu einer Kundgebung zusammen, in Plauen 1800. Am Sonntag folgten in Zwickau etwa 4000 Bürger dem Aufruf "Demokratie schützen - AfD & Rechte Netzwerke bekämpfen" - deutlich mehr als ursprünglich angemeldet. Justizministerin Katja Meier (Bündnis 90/Grüne) sprach dort von einer großen Bewährungsprobe für die Demokratie, die zu einer "Sternstunde unserer Demokratie" werden könne. Es gelte lauter zu sein als die Rechtsextremisten und stärker zu sein als ihr Hass.

Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte laut seinem Ministerium bei der Kundgebung in Bautzen: "Wir erheben heute unsere Stimme nicht nur gegen die unmenschlichen Ausschaffungspläne von Rechtsextremisten. Wir sagen auch laut und deutlich Nein zu einer Herrschaft des Unrechts und des Chaos." Selbstverständlich werde über verschiedene Positionen zur aktuellen Situation bei der Migration gestritten. "Dass so viele in unserer Gesellschaft den extremistischen Plänen, Millionen von Menschen nach Afrika zu verfrachten, öffentlich eine klare Absage erteilen, ist ein ganz besonderer Verfassungsschutz", so der Minister.

Der Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das Engagement und deutliche Eintreten so vieler unterschiedlicher Menschen und Gruppen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung stimmt mich zuversichtlich." Es stärke in ihm die Überzeugung, "dass es einen breiten gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, den wir als Gemeinschaft nicht bereit sind zu verlassen. Schauen wir auf das Verbindende!"

Ergänzend zu den Demonstrationen brauche es einen Dialog darüber, wie wir die Herausforderungen und Fragen unserer Zeit angehen wollen, betonte der Bischof. "Ich wünsche mir, dass aus den aktuellen Demonstrationen wieder mehr Mut und Bereitschaft zum offenen und friedlichen Gespräch erwachsen."

Justizministerin Meier sagte, es beschäme sie, wenn Menschen hierzulande Angst haben, weil Rechtsextreme Pläne von Vertreibung und Deportation schmieden. "Es ist jetzt an uns, dass diese kruden, menschenverachtenden Fantasien nie wieder Wirklichkeit werden." Hetze, Hass, Ausgrenzung von Minderheiten sowie Verhöhnung der Demokratie und ihrer Institutionen seien das Kerngeschäft von Rechtsextremisten. "Das darf keinen Menschen in unserem Land kalt lassen", mahnte die Justizministerin.

Demonstrationen in ganz Deutschland

In Düsseldorf waren es nach ersten Schätzungen der Veranstalter mindestens 30.000 Menschen - die Polizei wollte die Zahl zunächst nicht bestätigen, sprach aber von einem sehr starken Andrang. Demonstriert wurde auch in vielen anderen Orten Deutschlands, mancherorts mit prominenter politischer Unterstützung. In Sigmaringen war Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) privat mit dabei. In Osnabrück warnte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei einer Kundgebung vor der AfD.

Pistorius sagte, die AfD wolle den Systemwechsel. "Das heißt nichts anderes als, sie wollen zurück in die dunklen Zeiten des Rassenwahns, der Diskriminierung, der Ungleichheit und des Unrechts." Pistorius zog auch einen Vergleich mit der Weimarer Republik, die nicht an ihren Feinden, sondern an der Schwäche ihrer Freunde zugrunde gegangen sei. "Heute wissen wir es besser, Geschichte darf sich nicht wiederholen", sagte der SPD-Politiker. Polizei und Veranstalter sprachen in Osnabrück von rund 25.000 Teilnehmern.

Auch in Sachsen wurde dieses Wochenende gegen Faschismus demonstriert.
Auch in Sachsen wurde dieses Wochenende gegen Faschismus demonstriert. © Steffen Unger

In Düsseldorf stand die Demonstration unter dem Motto "Gegen die AfD - Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln!" Unter den Protestierenden waren Menschen jeden Alters, darunter viele Familien mit Kindern. In Düsseldorfer Tradition marschierten die Demonstranten teilweise mit Punkmusik. Auf den Transparenten standen Aufschriften wie "Ich mag Nazis generell nicht" und "Nicht nochmal!" Ein 69-Jähriger, der nach eigenen Worten erstmals seit Jahrzehnten wieder in einer Demo mitlief, sagte: "Wenn wir jetzt nicht Flagge zeigen, gehen wir in eine Richtung, aus der wir nicht mehr rauskommen."

In Kiel zählten die Veranstalter mehr als 15.000 Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus, die Polizei sprach von 11.500 Menschen. "Unsere Demokratie ist stabiler als die Demokratie vor 100 Jahren, aber seien wir uns nicht zu sicher", sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) auf der Kundgebung. Aber auch in kleineren Orten waren die Menschen auf den Straßen: In Singen zählte die Polizei nach ersten Angaben 4.000 Demonstranten, in Sigmaringen waren es rund 2.000 Menschen. In Neumarkt in der Oberpfalz sprach die Polizei von rund 1.500 Menschen bei einer Demo gegen rechts.

Schon am Freitag gingen in mehreren Städten erneut Tausende Menschen auf die Straße. Proteste gab es etwa in Frankfurt am Main, Saarbrücken, Herne und Gütersloh. Am vergangenen Wochenende hatten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 900.000 Menschen an Demonstrationen gegen rechts beteiligt. Es berief sich dabei auf Polizeiangaben. Die Demonstrationen an diesem Samstag fallen zusammen mit dem Holocaust-Gedenktag, an dem bei zahlreichen Veranstaltungen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird.

Scholz: "Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der letzten Tage und Wochen. "Unser Land ist gerade auf den Beinen. Millionen Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße", sagte er in seinem wöchentlichen Video "Kanzler kompakt". Es sei der Zusammenhalt der Demokratinnen und Demokraten, der die Demokratie stark mache. "Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie ist menschengemacht. Sie ist stark, wenn wir sie unterstützen. Und sie braucht uns, wenn sie angegriffen wird."

Auslöser für die Proteste waren Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter am 25. November, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Laut Correctiv nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht - und "nicht assimilierte Staatsbürger".

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im September neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Bundesländern stärkste Kraft werden, sogar mit deutlichem Abstand. In zwei bundesweiten Umfragen der Institute Insa und Forsa (für die "Bild" und für RTL/ntv) aus der auslaufenden Woche verlor die AfD an Zuspruch, sie blieb aber nach der Union die zweitstärkste Kraft. Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet, bundesweit ist sie als Verdachtsfall eingestuft. (dpa)