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Die Fahrrad-Schutzengel

Zwei junge Chemnitzer bauen Container zu öffentlichen Rad-Garagen um. Erste Kommunen in Sachsen sind interessiert.

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Ein ausgeklügelter
Mechanismus sorgt dafür, dass das Abstellen des Mountainbikes in den oberen Containerfächern leicht zu bewerkstelligen ist. Die Idee für die ungewöhnliche Fahrradgarage stammt von Patrick Rabe (links) und Steve Winter.
Ein ausgeklügelter Mechanismus sorgt dafür, dass das Abstellen des Mountainbikes in den oberen Containerfächern leicht zu bewerkstelligen ist. Die Idee für die ungewöhnliche Fahrradgarage stammt von Patrick Rabe (links) und Steve Winter. © Matthias Schumann

Aus Schaden wird man klug, manchmal wird sogar eine überraschende Geschäftsidee daraus. So zumindest ist es bei Patrick Rabe und Steve Winter gewesen. Die Sächsische Zeitung sprach mit den beiden Jungunternehmern aus Chemnitz.

Herr Rabe, Sie bauen Container zu Fahrradgaragen um. Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen?

Die Idee stammt von meinem Kompagnon Steve Winter. Dem sind mal beide Laufräder gestohlen worden, als er sein Rad in der Nähe der Chemnitzer Uni angeschlossen hatte. Daraufhin hat er sich ein E-Bike gekauft. Irgendwann haben wir zusammengesessen und gesagt, wir brauchen eine sichere Abstellmöglichkeit für Fahrräder. Doch wir haben nichts Passendes gefunden. Also haben wir versucht, das selbst umzusetzen. Einen Standardcontainer fanden wir als Basis gut, weil das ja schon ein fester und dennoch mobiler Kasten ist. Mit dieser Grundidee haben wir begonnen, die Anlage zu konstruieren.

Und wann war der Prototyp fertig?

Anfang 2019. Bei der Entwicklung sind wir durch ein Technologiegründerstipendium und einen Zuschuss der Sächsischen Aufbaubank gefördert worden. Unsere erste Fahrradgarage mit 16 Plätzen steht seit Ende September 2019 am Bahnhof Coswig. Eine zweite Anlage ist bereits fertig, sie soll am Bahnhof Dresden-Klotzsche aufgestellt werden. Hier warten wir noch auf die Baugenehmigung.

Wie funktionieren die Fahrradgaragen?

Jede Anlage hat 16 Boxen – acht unten und acht oben –, die jeweils individuell zugänglich und abschließbar sind. Wer oben parkt, fährt das Rad auf eine ausfahrbare Schiene, die er dann mit geringem Kraftaufwand nach oben bewegen kann. Das ist alles DIN-konform. An der Seite ist ein Terminal mit einem Touchscreen. Dort kann sich der Nutzer einbuchen, ohne sich registrieren zu müssen – das geht per EC- oder Kreditkarte. Wichtig war uns, dass man von außen nicht erkennen kann, ob in einer Box ein Rad steht oder nicht.

Wie öffnet man die eigene Box wieder, wenn man zurückkehrt?

Schlüssellos. Die EC-Karte ist quasi der Schlüssel.

Und was kostet das Parken?

In der Pilotphase haben wir 30 Cent für eine Stunde und 50 Cent für zwei Stunden berechnet. Ein ganzer Tag kostete zwei Euro. Letztlich entscheidet der Betreiber, welche Tarifmodelle er haben will. Wir pflegen das dann ins System ein. Unseren bisherigen Erfahrungen zufolge werden Kurzzeitmieten von einer Stunde eher seltener genutzt. Häufiger waren Tagesmieten.

In Städten wie Kopenhagen haben sich solche Fahrradgaragen schon bewährt.

Das stimmt, es gibt so etwas schon. Allerdings wird in Großstädten eher eine zentrale Lösung – also ein Parkhaus für möglichst viele Fahrräder – eingerichtet. Unsere Lösung ist dezentral: Rund um eine Großstadt wird an Verkehrsknotenpunkten ein Netz von Abstellmöglichkeiten mit begrenzter Kapazität aufgebaut.

Wo würden Sie gern die nächsten Containergaragen aufstellen?

Das ist uns eigentlich egal. Wir sind momentan bundesweit unterwegs, um bei Stadtverwaltungen vorzusprechen. Viele haben das Thema noch gar nicht auf dem Schirm. Und wenn doch, dann mahlen die Mühlen langsam.

Das Pilotprojekt haben Sie in Sachsen realisiert. Rechnen Sie mit einem Nachahmereffekt?

Wir werden mit dieser Idee nicht allein bleiben, das ist klar. Aber dadurch, dass wir nun einen gewissen Vorreiterstatus haben, sehen wir gute Chancen für uns. Wir sammeln ja weiterhin Erfahrungen mit dem System – und wollen diese an Kommunen, Wohnungsgenossenschaften, Verkehrsverbünde und andere Akteure weitergeben.

Was kostet eine Ihrer Containergaragen?

Das ist schwierig zu sagen, weil wir kundenspezifisch fertigen. Los geht es bei etwa 30.000 Euro.

Wer nutzt Ihre Container? Sind es eher die E-Bike-Fahrer, die ihr teures Gefährt schützen wollen?

Wir haben ja Zugang zu der Pilotanlage in Coswig. Dort haben wir immer mal nachgeschaut, was denn für Fahrräder in den Boxen stehen. Es waren mitunter auch alte und eher preiswerte Räder.

Dennoch dürfte angesichts der Mietgebühren die Akzeptanz bei E-BikeBesitzern größer sein. Schließlich mag kaum einer sein 3.000 Euro teures Pedelec an einen Fahrradbügel im Freien anschließen.

Ja, das stimmt.

Wie ist die Auslastung der Pilotanlage?

Am Coswiger Bahnhof hatten wir bisher rund 150 Nutzer.

Bieten Sie auch Fahrradgaragen für Privatkunden an, die ihr Rad weder im heimischen Keller noch in Schuppen oder Pkw-Garagen abstellen können?

Ja, demnächst. Unser System ist modular, wir bieten also auch mechanisch abschließbare Einzelboxen an. Momentan sind wir dabei, einen Prototyp zu bauen.

Was wird so eine Box kosten, wenn sie erhältlich ist?

Etwa 3.000 Euro.

Das ist ziemlich teuer, wenn man es mit Preisen für Fahrradgaragen vergleicht, die man in Baumärkten kaufen kann.

Das stimmt. Aber wir wollen unseren Qualitätsanspruch nicht aufgeben. Wir haben mal in einem Prüfinstitut gezeigt bekommen, dass es nur zehn Sekunden dauert, in eine solche Baumarkt-Box einzubrechen. Das wollen wir nicht. Unsere Fahrräder sollen sicher sein.

Das Gespräch führte Andreas Rentsch.


Fahrradgaragen für Privathaushalte

  • Einfache Fahrradgaragen gibt es laut Anna Florenske vom Verband Wohneigentum ab 200 Euro. Allerdings erfüllten erst Modelle ab einem Anschaffungspreis von 1000 Euro die gängigen Kriterien, so Florenske.
  • Die Bauweisen und verwendete Materialien variieren, es gibt garagen, die an einen kleinen Holzschuppen erinnern, schlichte Metallkonstruktionen, futuristische Kunststoff-Boxen und sogar komplett im Boden versenkbare Garagen mit Betondeckel.
  • Statt schickem Design sollten jedoch Sicherheitsaspekte bei der Auswahl im Vordergrund stehen, findet Roland Huhn vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Deshalb sollten Kunststoffgaragen aus durchsichtigem Material von vorherein ausscheiden, „weil man erstens sehen kann, was drin ist, und zweitens auch den Schließmechanismus selbst erkennen kann.“ Besser als ein Vorhängeschloss sei ein fest verankertes Schloss, so Florenske. „Am sichersten ist es, wenn der Zylinder nicht vorsteht, sondern plan mit der Tür ist.“ Beim Kauf sollte man nach der Sicherheitsstufe des Schlosses fragen.
  • Ein wichtiger Faktor ist auch die Belastbarkeit – im Hinblick auf die Schneelast auf dem Garagendach.
  • „In Deutschland reichen meist schon 25 Kilogramm pro Quadratmeter“, sagt Anna Florenske. Um es einem Dieb mit Vorschlaghammer nicht zu leicht zu machen, sei allerdings eine Belastbarkeit von 50 Kilogramm pro Quadratmeter oder mehr zu empfehlen. (dpa)