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Der große Widerspruch in Hermsdorf/E.

Das Dorf liegt im Trinkwasserschutzgebiet aus dem Dresden, Freital und Freiberg ihr Trinkwasser bekommen, hat selbst aber keinen Anschluss

Von Franz Herz
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Eine Idylle auf dem Erzgebirgskamm zeigt dieses Luftbild von Hermsdorf/E. Allerdings gibt es hier auch knifflige Aufgaben zu lösen, wenn die Gemeinde sich weiter entwickeln soll...
Eine Idylle auf dem Erzgebirgskamm zeigt dieses Luftbild von Hermsdorf/E. Allerdings gibt es hier auch knifflige Aufgaben zu lösen, wenn die Gemeinde sich weiter entwickeln soll... © Egbert Kamprath

Seit einer Woche läuft die Bürgermeisterwahl in Hermsdorf im Erzgebirge. Die 635 Wahlberechtigten können schon die Briefwahlunterlagen anfordern. „Die Nachfrage danach ist aber noch sehr verhalten“, sagt Mandy Potscher. Die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Altenberg ist als Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses verantwortlich für die Wahl in Hermsdorf. Beide Kommunen arbeiten in einer Verwaltungsgemeinschaft zusammen. Die endgültige Entscheidung fällt am Wahlsonntag, dem 30. Mai. Als einziger Kandidat steht Andreas Liebscher auf dem Wahlzettel, der das Amt bisher schon im Ehrenamt ausführt. Der Fremdenverkehrsverein hat ihn erneut nominiert.

Zu viel Ruhe ist gefährlich

Welche Aufgaben sind in der neuen Wahlperiode zu lösen? Auf den ersten Blick ist Hermsdorf im Erzgebirge eine Idylle. Oben im Gebirge gelegen lockt der Ort mit seiner schönen Umgebung im Winter wie im Sommer Touristen, die schöne Landschaft und ruhige Umgebung suchen. Aber zu viel Ruhe ist auch gefährlich für die Entwicklung des Ortes mit seinen beiden Ortsteilen Seyde und Neu-Hermsdorf. Die Gemeinde hat in einer Generation über ein Drittel ihrer Einwohner verloren. 1990 waren dort 1.205 Menschen gemeldet, vergangenes Jahr waren es noch 768, wie das statistische Landesamt informiert.

Teilweise ist die Ortsdurchfahrt schon instandgesetzt worden. Teilweise ist das noch aufgeschoben, weil die Hoffnung besteht, dass eine Wasserleitung gelegt wird. Dann könnten beide Arbeiten parallel laufen.
Teilweise ist die Ortsdurchfahrt schon instandgesetzt worden. Teilweise ist das noch aufgeschoben, weil die Hoffnung besteht, dass eine Wasserleitung gelegt wird. Dann könnten beide Arbeiten parallel laufen. © Karl-Ludwig Oberthuer
Die Grundschule in Hermsdorf ist inzwischen grünlich saniert und hat mit dem jahrgangsübergreifenden Unterricht auch ein Konzept, das ihren Bestand in Zeiten schwacher Geburtenjahrgänge sichert.
Die Grundschule in Hermsdorf ist inzwischen grünlich saniert und hat mit dem jahrgangsübergreifenden Unterricht auch ein Konzept, das ihren Bestand in Zeiten schwacher Geburtenjahrgänge sichert. © Egbert Kamprath
Andreas Liebscher ist seit 2014 ehrenamtlicher Bürgermeister in Hermsdorf/E.. Der 63-Jährige stellt sich jetzt zur Wiederwahl.
Andreas Liebscher ist seit 2014 ehrenamtlicher Bürgermeister in Hermsdorf/E.. Der 63-Jährige stellt sich jetzt zur Wiederwahl. © Egbert Kamprath

Diese Entwicklung ist eines der größten Herausforderungen der Gemeinde. Dabei kann auch der künftige Bürgermeister nur an wenigen Stellschrauben drehen. Andere Kommunen fernab der großen Städte verlieren ebenfalls Einwohner und die allgemeinen Vorzeichen deuten nicht auf einen allgemeinen Bevölkerungszuwachs.

Zwei Pluspunkte für junge Familien

Aber die Voraussetzungen für eine Ansiedlung in Hermsdorf kann die Gemeinde verbessern. Vieles ist dabei schon geschehen. So hat Hermsdorf viele Jahre um den Erhalt seiner Grundschule gekämpft und dabei auch einen eigenen Weg gefunden, den jahrgangsübergreifenden Unterricht. Der wird zwar momentan nicht angewendet, weil derzeit genug Kinder im Ort leben. Sie füllen in jedem Jahrgang eine eigene Klasse. Aber wenn ihre Zahl wieder zurückgehen sollte, kann die Schule darauf zurückgreifen und die Schule mit weniger Klassen weiterlaufen lassen. Sie gerät nicht mehr so schnell in die Gefahr der Schließung. Im Kindergarten sind noch verschiedene Arbeiten zu erledigen, um das Gebäude auf den aktuellen Stand zu bekommen. Aber diese beiden Einrichtungen sind für junge Familien entscheidende Pluspunkte, wenn sie sich für Hermsdorf als Wohnort entscheiden sollen.

Der Klimawandel gefährdet die Wasserversorgung

Ein Hauptproblem für Hermsdorf ist aber die fehlende öffentliche Trinkwasserversorgung. Das kann die Gemeinde nicht alleine lösen. Bisher versorgen sich die Wohnhäuser, Höfe und auch die Gaststätten oder Hotels aus Hausbrunnen. Das funktionierte lange Jahre gut, sodass sich Hermsdorf in den 1990er-Jahren nicht veranlasst sah, sich einem Zweckverband anzuschließen und eine öffentliche Wasserversorgung aufzubauen. Damals wäre das großzügig gefördert worden.

Einschränkungen, von denen nur andere profitieren

Doch jetzt mit dem sich abzeichnenden Klimawandel reicht das Grundwasser nicht mehr, um alle Häuser zu versorgen. In den vergangenen trockenen Sommern bekamen manche Häuser Schwierigkeiten. Deswegen hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die einen Anschluss von Hermsdorf an eine zentrale Wasserversorgung fordert. Das ist auch vordringliches Anliegen des Bürgermeisterkandidaten Andreas Liebscher.

Er sieht das Land hier in der Pflicht. Denn Hermsdorf liegt gleich in zwei Trinkwasserschutzgebieten. Ein Teil der Gemeinde gehört zum Flussgebiet der Wilden Weißeritz, die über die Talsperre Klingenberg die Landeshauptstadt Dresden und die untere Weißeritzregion mit Wasser versorgt. Der andere Teil der Gemeinde gehört zum Einzugsgebiet der Gimmlitz, die über die Talsperre Lichtenberg Freiberg versorgt. Das hat für Hermsdorf spürbare Einschränkungen zur Folge, beispielsweise darf ein Teil der Grundstücksbesitzer keine Kleinkläranlagen betreiben, sondern muss mit abflusslosen Gruben arbeiten. Ein kleines geplantes Baugebiet für Eigenheime wurde auch wegen dieser Lage im Schutzgebiet bisher blockiert.

Fatal für den Tourismus

Wasserknappheit ist gerade für den Tourismus fatal, und das ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Gemeinde. 230 Betten boten die größeren Häuser in Hermsdorf 2019 an und haben in diesem Jahr insgesamt 8.762 Gästeankünfte verzeichnet. „Von uns kommt das Trinkwasser, aber wir selbst haben nicht genügend. Das kann nicht sein“, schüttelt Liebscher den Kopf. Hier müssen die Hermsdorfer auch in der neuen Amtsperiode des Gemeindechefs noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Denn erste Schätzungen gehen davon aus, dass eine Erschließung der Gemeinde mit Wasser rund 15 Millionen Euro kosten wird.

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