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Was das neue Berggeschrei gebracht hat

Seit 2007 werden immer wieder neue Bergerlaubnisse vergeben. Wird es nicht langsam mal Zeit für richtigen Bergbau? Eine Betrachtung.

Von Franz Herz
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Das neue Berggeschrei hat schon Bergbaufirmen aus aller Welt ins Osterzgebirge gelockt.
Das neue Berggeschrei hat schon Bergbaufirmen aus aller Welt ins Osterzgebirge gelockt. © SZ Grafik

Als 1991 der letzte Hunt bei Zinnerz Altenberg gefördert wurde, war für lange Zeit Schluss mit dem Erzbergbau im Osterzgebirge. Die Produktionskosten waren zu hoch. In Ländern der dritten Welt kostete der Abbau von Zinn oder Lithium deutlich weniger. Untertage arbeitete nur noch das Bergwerk in Hermsdorf/E., wo die Firma Geomin bis 2016 Kalk abbaute.

Jetzt die vierte Lizenz vergeben, aber nichts Konkretes

Doch 2007, in Zeiten der Hochkonjunktur, begann das neue Berggeschrei. Eine Reihe von Rohstofffirmen interessierten sich wieder für das Erzgebirge, das ja bekanntlich reich an armen Lagerstätten ist. Bei steigenden Rohstoffpreisen am Weltmarkt wurden diese plötzlich wieder interessant, erst war Zinn im Fokus, heute vor allem Lithium.

„Seitdem ist dauernd die Rede von neuen Lizenzen und Projekten. In Sadisdorf ist jetzt schon die vierte Lizenz vergeben worden. Konkretes ist bisher noch nicht entstanden“, kritisierte SZ-Leser Gunter Zönnchen diese Entwicklung. Er fragt auch, ob hier nicht der Staat eine aktivere Rolle spielen müsste.

Schon früh vor Euphorie gewarnt

Was hat also das neue Berggeschrei unserer Region gebracht? Den ersten Zuschlag für eine Erkundungslizenz gab das Sächsische Oberbergamt in Freiberg 2007 dem kanadischen Unternehmen Tinco Exploration. Tinco wurde erst durch die Finanzkrise zurückgeworfen und hat 2011 sein Vorhaben wieder aufgegeben. Zur selben Zeit begann auch das Unternehmen European Metals, mit Sitz im australischen Perth, sich in Tschechien für die Zinnvorräte in Cinovec/Böhmisch Zinnwald zu interessieren.

Schon in den Anfangsjahren des Berggeschreis warnte der damalige sächsische Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) vor Euphorie. Zehn bis fünfzehn Jahre werde es dauern, bis ein Bergbau beginnen könnte. Dafür werde in zweistelliger Millionenbetrag erforderlich sein, rechnete er damals. Heute geht die Deutsche Lithium davon aus, dass der Aufbau von Bergwerk und Aufbereitung in Zinnwald 150 Millionen Euro kostet.

Deutschland hat immer noch viel Bergbauwissen

Die Herkunft der Explorationsfirmen zeigt schon, das Berggeschrei ist kein sächsisches, deutsches oder wenigstens europäisches Ereignis. Wer hier mitspielen will, muss sich im weltweiten Wettbewerb behaupten. Australien und Kanada sind zwei große Bergbaunationen mit starken Unternehmen und Fachleuten auf diesem Gebiet.

Deutschland war in Sachen Bergbau einmal stärker, ist aber noch gut unterwegs. „Hier ist immer noch viel Know-How vorhanden“, sagt Armin Müller, Geschäftsführer der Deutsche Lithium GmbH, die das Bergbauprojekt in Zinnwald vorantreibt und Erlaubnisse zur Erkundung von Rohstoffen in Altenberg, Falkenhain und Sadisdorf hält. Auch Bernhard Cramer, sächsischer Oberberghauptmann, verweist darauf, dass in Sachsen eine Reihe von Bergbauunternehmen ihren Sitz hat, wie die Erzgebirgischen Fluss- und Schwerspatwerke, die Saxony Minerals & Exploration AG oder die Geomin Industriemineralien.

Viel Wissen ist auch rund um die Universitäten angesiedelt wie die TU Bergakademie Freiberg. Diese ist mit Forschungsarbeiten an dem Lithiumprojekt in Zinnwald beteiligt. Die internationalen Explorationsfirmen nutzen in aller Regel hiesige Ingenieurbüros mit ihrer Ortskenntnis und Fachwissen.

Auf den Staat setzt Müller keine Hoffnungen. "Der ist kein besserer Unternehmer. Er könnte aber bessere Rahmenbedingungen schaffen bei den Genehmigungsverfahren oder den Verordnungen."

Solarworld - ein Beispiel für die Stürme am Weltmarkt

Wie aber auch einheimische Unternehmen den Stürmen des Weltmarkts ausgesetzt sind, zeigt das Beispiel Solarworld. Wer deren Engagement im Erzgebirge verfolgt, macht von Zinnwald eine Reise um die Welt mit Stationen in Kanada, England und China.

Ein deutscher Konzern aus Bonn mit einem wichtigen Standort in Freiberg steigt ein. Das klang richtig bodenständig, als Solarworld 2011 mit seinem Tochterunternehmen Solicium die Lithium-Erkundung in Zinnwald begann. Doch die chinesische Konkurrenz verdarb Solarworld sein Kerngeschäft. Das Unternehmen hatte die Mittel nicht mehr, um das Bergbaugeschäft weiter voranzutreiben, und ging schließlich in Insolvenz.

Kanadier suchen Geld in London und finden es in China

Da kam Hilfe aus Kanada. Die Firma Bacanora aus Calgary stieg 2017 zur Hälfte bei der Solarworld Solicium ein, benannte sie um in Deutsche Lithium und übernahm das Steuer. Nur hat Bacanora noch ein zweites Projekt in Mexiko am Laufen. Auch dafür benötigt das Unternehmen Geld, viel Geld. Deswegen hat es seinen Sitz nach London verlegt und ging dort an die Börse. Dort an dem internationalen Finanzzentrum sollte es leichter sein, Kapital zu gewinnen, war die Überlegung. Außerdem hat Bacanora entschieden, sich auf Mexiko zu konzentrieren.

Viel Kapital kommt dazu inzwischen aus Fernost. 2018 hat Ganfeng Lithium aus China, der größte Verarbeiter von Lithium weltweit, ein Drittel der Bacanora Anteile übernommen. Bacanora hat vergangenes Jahr sein Zinnwald-Projekt an die Zinnwald Lithium plc übergeben, die ebenfalls an der Londoner Börse beheimatet ist. Daran ist Bacanora aber noch mit einem Aktienanteil beteiligt.

Nur zwei von hundert schaffen es bis zum Bergwerk

Durch solche Verflechtungen versuchen sich die Firmen abzusichern. Denn das Rohstoffgeschäft ist eine Chance reich zu werden, aber nur für ganz wenige. Oberberghauptmann Cramer sagt: „Überschlägig führen nur wenige Aufsuchungen zu einem nachfolgenden Abbau. Hier spielen insbesondere betriebswirtschaftliche Aspekte eine große Rolle.“ Armin Müller schätzt, dass im Schnitt von hundert Rohstoffprojekten nur zwei es bis zum tatsächlichen Abbau schaffen, das in einem Zeitraum von 13 bis 15 Jahren. Da steht er mit seinem Projekt, dass 2011 begonnen hat, gerade mitten in der zweiten Halbzeit.

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Zum tatsächlichen Bergbau hat es bisher keines der Vorhaben aus dem neuen Berggeschrei im Osterzgebirge geschafft. Aber es sind in den vergangenen Jahren durchaus Werte entstanden. Die Deutsche Lithium beschäftigt in Freiberg mit dem Geschäftsführer sechs Mitarbeiter. Die Bohrungen haben neue Erkenntnisse gebracht, die das Wissen um die Lagerstätten im Erzgebirge bereichern. Der Wert des Unternehmens ist ebenfalls gestiegen.

Und wenn man davon ausgeht, dass zwei von hundert Vorhaben zu einem Erfolg führen, dann hat das Osterzgebirge durchaus Chancen. Viele Faktoren entscheiden bei diesem Spiel mit, politische Entscheidungen, die Entwicklung der Rohstoffpreise, technische Entwicklungen oder die Konjunktur. Noch ist dieses Spiel nicht zu Ende.