Dresden
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Als Dresden nach dem Krieg wieder anfing zu tanzen

Dresden ist nicht gerade für ausschweifende nächtliche Partys bekannt. Doch ein wenig Nachtleben gab es nach dem Krieg auch in der Kunststadt.

Von Ralf Hübner
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Die Dresdner Tanzsinfoniker spielen 1955 im Schillergarten zum Tanz auf.
Die Dresdner Tanzsinfoniker spielen 1955 im Schillergarten zum Tanz auf. © Slub/Deutsche Fotothek

Dresden. Nachtschwärmer haben es in Dresden nicht einfach. Von wenigen Ausnahmen abgesehen versinkt die Innenstadt zu nächtlicher Stunde zumeist in Tiefschlaf. Der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg fielen auf der Prager Straße und am Altmarkt auch Gaststätten, Kinos, Varietés und Nachtlokale zum Opfer. Nach dem Krieg dauerte es fast vier Jahre, ehe sich am 24. Januar 1949 die Dresdner im Schillergarten in Blasewitz bis in die Morgenstunden beim Tanz vergnügen konnten. Das war vor 75 Jahren.

"Dresden wird wieder Großstadt", kommentierte die Sächsische Zeitung das Ereignis und berichtete: "Nicht nur, dass uns die Sächsische Hotel- und Gaststätten GmbH schon eine ganze Reihe friedensmäßiger Gaststätten in unserer Trümmerstadt schaffte, jetzt hat sie auch durch eine andere Einrichtung die Unterhaltungsstätten unserer Stadt mit einer Neuerung bereichert. Vorwiegend Leuten aus dem Gaststättengewerbe und der Vergnügungsbranche, die jeden Abend beruflich tätig sind, soll damit Gelegenheit gegeben werden, wenigstens einmal in der Woche ihrem Vergnügen nachzugehen und das Tanzbein schwingen zu können. Auch von Durchreisenden wird diese Einrichtung sehr begrüßt werden." Zudem könne die Nachttanzveranstaltung eine Einnahmequelle für den Fremdenverkehr sein, hieß es weiter.

Alkolat in der "Kaskade"

"Wer also einmal in der Woche alle Alltagssorgen über Bord werfen will, kann sich nun, ohne in Angst leben zu müssen, die letzte Straßenbahn zu verpassen, sogar die ganze Nacht hindurch dem, wenn auch oftmals zweifelhaften Vergnügen des Tanzes hingeben." Die Kapellen "machten" keinesfalls Swingmusik, sondern spielten vielmehr alte und beliebte Tanzweisen, bei denen besonders das ältere Publikum Entspannung nach des Tages Arbeit finden werde.

Die Wiederbelebung des Gastgewerbes in Dresden ging wegen der im Krieg zerstörten Lokalitäten zunächst vor allem außerhalb des Zentrums vor sich. Aus dem ehemaligen Haus des Prinzen und der Prinzessin zur Lippe am jetzigen Käthe-Kollwitz-Ufer, eine späteren Konsulatsvilla und dem jetzigen Sitz des Landkreistages, wurde das Restaurant "Esplande" und später die Tanzgaststätte "Kaskade". Dort soll sich in der Nachkriegszeit bis in die Nacht bei Alkolat, einem alkoholarmen, künstlich hergestelltem Getränk, die Dresdner Unterwelt amüsiert haben: vor allem Schieber und Schwarzhändler.

In der Nordhalle, dem ehemaligen Arsenal und heutigen Militärhistorischen Museum der Bundeswehr, entstand eine Art gastronomisches Vergnügungszentrum. 1946 wurde die Sächsische Hotel- und Gaststätten GmbH gegründet, die 1946/47 zwölf Gaststätten übernahm wie unter anderem den Luisenhof, den Schillergarten, die Zoogaststätte, das Italienische Dörfchen, das Waldparkhotel, das Carolaschlösschen, das Esplande und die Ausstellungsgaststätte Nordallee.

Wer 1946 eine Speisegaststätte besuchte, musste Lebensmittelkarten dabeihaben. Die Kellner schnitten mit einer Schere die Wertmarken aus. Ab 1948 gab es auch freien Verkauf zu erhöhten Preisen. Die erste "freie Gaststätte" war die HO-Gaststätte "Theater-Café" am Postplatz in der Ruine des einstigen Palasthotels Weber. Kartoffelsalat und Bockwurst kosteten 5,25 Mark, Rumpsteak mit Röstkartoffeln 10,75 Mark. Der Andrang soll trotz stolzer Preise schon in den ersten Tagen enorm gewesen sein.

"Mini-Show mit Sex" an der Brühlschen Terrasse

Der Schillergarten war nach dem Krieg eines der beliebtesten Dresdner Tanzlokale. Zu den bekannten Bands, die im Schillgarten zum Tanz aufspielten, gehörten unter anderem die Dresdner Tanzsinfoniker unter Günter Hörig. Prominente wie die Theo-Schumann-Combo und Schauspieler der Stadt waren Stammgäste.

Zu den beliebtesten Adressen des Dresdner Nachtlebens gehörte die fast 20 Jahre später, 1968 eröffnete Nachttanzbar Gondel im Obergeschoss der Sekundogenitur auf der Brühlschen Terrasse. Dort erfreute sich in den 1980er-Jahren eine "Mini-Show mit Sex" großer Beliebtheit, kleine Programme mit "erotischen Dreistigkeiten um Mitternacht", wie der Striptease um Mitternacht genannt wurde. Die Show wurde zum Dresdner Stadtgespräch – und wieder abgesetzt.

Das Parkhotel auf dem Weißen Hirsch wurde drei Jahre nach DDR-Gründung wieder eröffnet und beherbergte bald darauf auch die Tanzbar "Roter Kakadu". Der Andrang soll enorm gewesen sein. Die Bar galt als verrucht. Auch auf der Prager Straße gab es zumindest mit der "Mazurkabar" in der 1972 eröffneten ehemaligen Gaststätte "International" wieder ein wenig Nachtleben. Dort verkehrten auch internationale Gäste. Einheimische konnten jeden Montagnachmittag Eintrittskarten für die laufende Woche erwerben.