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Kraftwerk an der Nossener Brücke in Dresden: „Es war eine dreckige Arbeit mit viel Kohle- und Aschestaub“

Früher mussten in dem Kraftwerk an der Nossener Brücke in Dresden bis zu 1,5 Millionen Tonnen Braunkohle jährlich verfeuert werden. Vor 30 Jahren begann der Weg in eine saubere Zukunft.

Von Peter Hilbert
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Jens Witt hat als Schichtleiter in der Leitwarte den Betrieb des Gasturbinenheizkraftwerkes Nossener Brücke im Blick. Falls nötig, wird schnell gehandelt. Vor 30 Jahren wurde der Grundstein für das hochmoderne Gasturbinen-Heizkraftwerk gelegt.
Jens Witt hat als Schichtleiter in der Leitwarte den Betrieb des Gasturbinenheizkraftwerkes Nossener Brücke im Blick. Falls nötig, wird schnell gehandelt. Vor 30 Jahren wurde der Grundstein für das hochmoderne Gasturbinen-Heizkraftwerk gelegt. © Sachsen-Energie/Martin Förster

Dresden. Jens Witt steht im Leitstand, hat die Bildschirme genau im Blick. Als Schichtleiter ist der 51-Jährige mit seinen fünf Männern in der Frühschicht dafür zuständig, dass im Gasturbinenheizkraftwerk Nossener Brücke alles funktioniert, Störungen oder Unregelmäßigkeiten schnell erkannt werden, um sie zu beseitigen. Doch an diesem Tag ist es bisher recht ruhig. Alle zwei Tage wechselt die Schicht, sodass der Dresdner Familienvater auch regelmäßig nachts oder an Wochenenden arbeitet, damit zuverlässig Strom erzeugt wird und Fernwärme in Dresdner Häuser strömt.

Im alten Braunkohlekraftwerk an der Nossener Brücke rollten unablässig Kohlezüge an. Seit der Inbetriebnahme 1966 waren dort über 37 Millionen Tonnen Braunkohle verfeuert worden. Der letzte Kohlezug rollte am 18. März 1997.
Im alten Braunkohlekraftwerk an der Nossener Brücke rollten unablässig Kohlezüge an. Seit der Inbetriebnahme 1966 waren dort über 37 Millionen Tonnen Braunkohle verfeuert worden. Der letzte Kohlezug rollte am 18. März 1997. © Archiv Sachsen-Energie

Für ihn ist das Alltag - schon seit 34 Jahren. Der Job hat sich allerdings gravierend verändert. 1988 beginnt seine Lehre zum Maschinisten für Wärmekraftwerke, ein Jahr später der Schichtbetrieb im alten Braunkohlekraftwerk Nossener Brücke. Damit setzt er eine Familientradition fort. Denn bereits sein Vater hat als Kranführer im Kraftwerk Reick gearbeitet. Schon damals muss Witt die Anlagen bei den Rundgängen gut im Blick haben, Manometer oder Thermometer kontrollieren und undichte Stellen aufspüren. Die Technik war aber völlig anders als heute. „Es war eine dreckige Arbeit mit viel Kohle- und Aschestaub“, berichtet er. „Manchmal haben fünf Minuten gereicht, damit mein Blaumann vom Aschestaub völlig verdreckt war.“

Das ist ein Bild des alten Braunkohlekraftwerks vom Mai 1993. Da ist die Fläche des heutigen Kraftwerks an der Oederaner Straße bereits für den Bau vorbereitet. Davor ist am Ebertplatz ein erstes, 127 Meter langes Stück der Löbtauer Hochstraße fertiggeste
Das ist ein Bild des alten Braunkohlekraftwerks vom Mai 1993. Da ist die Fläche des heutigen Kraftwerks an der Oederaner Straße bereits für den Bau vorbereitet. Davor ist am Ebertplatz ein erstes, 127 Meter langes Stück der Löbtauer Hochstraße fertiggeste © Archiv Sachsen-Energie/Jörg Oesen

Von 1963 bis 1966 ist das Heizkraftwerk (HKW) des damaligen Energiekombinats Dresden an der Nossener Brücke gebaut worden. „Es hatte fünf Braunkohlekessel und vier Dampfturbinen“, erklärt Kraftwerker Witt. So kann die Fernwärmeversorgung ausgebaut werden. Schließlich investiert die Stadt damals massiv in neue Wohngebiete und plant weitere. Mit dem Kraftwerk können in den 1970er und 80er-Jahren der Fernwärme-Anschluss von Gorbitz und Prohlis sowie weiterer Wohnkomplexe, wie an der Großzschachwitzer Försterling- oder der Marienberger Straße in Tolkewitz gesichert werden.

Vor 30 Jahren wurde am 15. September 1993 der Grundstein für das moderne Gasturbinen-Heizkraftwerk an der Nossener Brücke gelegt. Mit dabei waren unter anderem Sachsens Umweltminister Arnold Vaatz (CDU), Regierungspräsident Helmut Weidelener und OB Herber
Vor 30 Jahren wurde am 15. September 1993 der Grundstein für das moderne Gasturbinen-Heizkraftwerk an der Nossener Brücke gelegt. Mit dabei waren unter anderem Sachsens Umweltminister Arnold Vaatz (CDU), Regierungspräsident Helmut Weidelener und OB Herber © Archiv Sachsen-Energie/Jörg Oesen

Das Dresdner HKW ist das größte der DDR. Jährlich werden bis zu 600 Gigawattstunden Strom und bis zu 1.600 Gigawattstunden fürs Fernwärmesystem erzeugt. Dafür müssen jedoch jedes Jahr bis zu 1,5 Millionen Tonnen Braunkohle verfeuert werden. Dann kommt die politische Wende. Mit ihr bricht nicht nur für Jens Witt, sondern auch für die Kraftwerksbranche und damit für die Umwelt eine neue Zeit an.

Diese Tafel auf dem Fußboden des Eingangsbereichs erinnert noch heute an die Grundsteinlegung des Kraftwerks. Es gehörte damals zur Dresdner Elektrizität und Fenrwärme GmbH (DEF) einem Vorgänger der Stadtwerke Drewag, die 2020 mit der Enso zur Sachsen-Ene
Diese Tafel auf dem Fußboden des Eingangsbereichs erinnert noch heute an die Grundsteinlegung des Kraftwerks. Es gehörte damals zur Dresdner Elektrizität und Fenrwärme GmbH (DEF) einem Vorgänger der Stadtwerke Drewag, die 2020 mit der Enso zur Sachsen-Ene © Peter Hilbert

Mit seinem Job hat Witt in der Wendezeit Glück – er kann ihn behalten. „Mir hat er auch Spaß gemacht“, erzählt er. Bereits am 15. Januar 1991 fällt die Entscheidung zum Bau des neuen Kraftwerks. „Da habe ich die Zukunft noch optimistischer gesehen.“ Vor 30 Jahren, am 15. September 1993, kann der Grundstein für das hochmoderne Kraftwerk mit seinen drei Gas- und einer Dampfturbine gelegt werden.

Die effiziente Anlage hat einen Wirkungsgrad von 85 bis 90 Prozent. Nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung wird die Energie des Erdgases fast vollständig ausgenutzt. Über einen Generator erzeugen die Gasturbinen Strom. Deren heiße Abgase werden im Abhitzekessel auch dafür eingesetzt, das Wasser für das Fernwärmenetz auf rund 110 Grad zu erhitzen. Am 19. Dezember 1995 wird das neue Kraftwerk, das anfangs noch parallel zum alten arbeitet, mit einem symbolischen ersten Knopfdruck feierlich in Betrieb genommen. „Auch 30 Jahre nach der Grundsteinlegung ist das Kraftwerk noch hochmodern, da es mehrfach modernisiert wurde“, sagt Axel Pechstein, Abteilungsleiter Kraftwerke bei der Sachsen-Energie.

1994 wird Jens Witt (r.) als 23-jähriger Maschinist für das neue Gasturbinen-Heizkraftwerk geschult.
1994 wird Jens Witt (r.) als 23-jähriger Maschinist für das neue Gasturbinen-Heizkraftwerk geschult. © Archiv Sachsen-Energie

Zuvor ist bereits 1993 das alte Heizkraftwerk Mitte endgültig außer Betrieb genommen worden. Der letzte Kohlenzug für das alte HKW Nossener Brücke rollt am 18. März 1997. Ab April verschwindet das alte Braunkohlekraftwerk. Seit der Inbetriebnahme 1966 sind dort über 37 Millionen Tonnen Braunkohle verfeuert worden.

Das alte Braunkohlekraftwerk an der Nossener Brücke wurde am 19. März 1997 außer Betrieb genommen. Wenige Tage später rollte die Abrisstechnik an.
Das alte Braunkohlekraftwerk an der Nossener Brücke wurde am 19. März 1997 außer Betrieb genommen. Wenige Tage später rollte die Abrisstechnik an. © Archiv Sachsen-Energie

„Ich wollte auch beruflich weiterkommen“, sagt Witt. 2007 legt der junge Fachmann noch seinen Abschluss als Kraftwerksmeister ab. „Das war die Voraussetzung für meinen beruflichen Aufstieg.“ Er arbeitet ab 2008 als Stellvertreter und seit Ende 2019 als Schichtleiter. „Mittlerweile macht mir vor allem das Organisieren viel Spaß“, sagt er.

Nicht nur die Schichten wechseln alle zwei Tage, sondern auch die Funktionen seiner Leute. So teilt er regelmäßig ein, wer im hochmodernen Leitstand welche Anlagen überwacht und wer als sogenannter Läufer die Vor-Ort-Kontrollen übernimmt. „Das ist wichtig, damit man keine Scheuklappen bekommt, sondern alle Bereiche kennt, um bei Störungen schnell handeln zu können“, erklärt er.

Auch 30 Jahre nach der Grundsteinlegung ist das Kraftwerk noch hochmodern. Es wurde mehrfach modernisiert.
Auch 30 Jahre nach der Grundsteinlegung ist das Kraftwerk noch hochmodern. Es wurde mehrfach modernisiert. © René Meinig

Schließlich ist Dresdens größtes Kraftwerk sehr wichtig. Seit der Wiedervereinigung ist das Dresdner Fernwärmenetz um 377 auf 631 Kilometer erweitert worden Dieses Jahr wird die Sachsen-Energie über 26 Millionen Euro in den Ausbau des Dresdner Fernwärmenetzes investieren. Im vergangenen Jahr waren es noch 18,5 Millionen Euro. Beheizt werden rund 130.000 Wohnungen in 8.237 Häusern.

Diese Strategie wird die SachsenEnergie auch künftig fortsetzen. Da die Anlage an der Nossener Brücke und die anderen energieeffizienten Kraftwerke, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten, einen Großteil der Energie ausnutzen, können in Dresden jährlich über 800.000 Tonnen Kohlendioxid (CO2) gegenüber herkömmlichen Heizungen eingespart werden.

Genau deshalb ist Jens Witt klar, wie wichtig sein Job ist, der jedoch mit Schichten verbunden ist. „Der größte Vorteil ist, dass ich oft in der Woche zu Hause bin, um irgendetwas zu erledigen“, erklärt er. Der Nachteil sind hingegen die Wochenenddienste. „Da muss die Familie mitspielen. Aber meine Frau akzeptiert das.“ Und so funktioniert für ihn sowohl beruflich als auch familiär alles gut.

Weithin sichtbar ist der Kühlturm am Kraftwerk Nossener Brücke. Er wurde bis 1966 gebaut und kühlte früher das Kühlwasser der Dampfturbinen des alten Kraftwerks. Heute wird er in Betrieb genommen, wenn im Fernwärmenetz nicht soviel heißes Wasser benötigt
Weithin sichtbar ist der Kühlturm am Kraftwerk Nossener Brücke. Er wurde bis 1966 gebaut und kühlte früher das Kühlwasser der Dampfturbinen des alten Kraftwerks. Heute wird er in Betrieb genommen, wenn im Fernwärmenetz nicht soviel heißes Wasser benötigt © Peter Hilbert

Dieses ausgefeilte Schichtsystem hat sich bewährt. Die Dresdner Kraftwerke arbeiten effizient und zuverlässig. Abteilungsleiter Pechstein ist mit seinen Leuten zufrieden. „Für unseren hochflexiblen Betrieb wird gut ausgebildetes Personal immer wichtiger“, sagt er. „Auf meine Mannschaft in den Kraftwerken kann ich mich voll verlassen. Das sind erfahrene Leute.“