SZ + Dresden
Merken

"Montagsdemos" in Dresden: Polizei ermittelt wegen gefälschter Tagesschau-Nachrichten

Auf Demonstrationen in Dresden werden seit Monaten gefälschte Dateien abgespielt, die wie aus der Tagesschau klingen. Veranstalter Marcus Fuchs erhielt deshalb eine Gefährderansprache.

Von Alexander Schneider
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
"Anständige Bürger aus der Mitte der Gesellschaft als Rechtsextreme, Reichsbürger oder Corona-Leugner denunziert"? Montagsdemo diese Woche vor der Dresdner Frauenkirche.
"Anständige Bürger aus der Mitte der Gesellschaft als Rechtsextreme, Reichsbürger oder Corona-Leugner denunziert"? Montagsdemo diese Woche vor der Dresdner Frauenkirche. © SZ/Alexander Schneider

Dresden. Die Polizei ermittelt gegen Versammlungsleiter von Montagsdemonstrationen unter dem Motto "Wer schweigt, stimmt zu" wegen Verleumdung, Beleidigung und Volksverhetzung. Anlass sind "mutmaßlich gefälschte Tagesschau-Audiodateien", die seit Monaten regelmäßig auf den Demos abgespielt werden, teilte die Polizei mit.

Auf diesen insgesamt vier jeweils etwa zweiminütigen gefakten Tondateien entschuldigen sich die Tagesschau-Sprecher Susanne Daubner und Jens Riewa dafür, dass sie ihre Zuschauer seit Jahren angelogen hätten, als sie „anständige Bürger aus der Mitte der Gesellschaft als Rechtsextreme, Reichsbürger oder Corona-Leugner denunzierten“.

Weiter ist zu hören, dass die Tagesschau die Menschen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine belüge, "um allein Putin die Schuld an der Eskalation in die Schuhe schieben zu können" und wider besseren Wissens Lügen über die Corona-Impfungen verbreitet habe.

Bereits am vergangenen Montagabend hatten Beamte das Abspielen dieser Tagesschau-Fakenews untersagt, noch ehe die rund 200 Teilnehmer gegen 19 Uhr am Kulturpalast begonnen hatten. Der Versammlungsleiter habe eine sogenannte Gefährderansprache erhalten, wo ihm das Abspielen dieser gefälschten Tondateien laut Polizei auch auf künftigen Demonstrationen untersagt worden sei.

Versammlungsleiter war Marcus Fuchs, der praktisch jeden Montag die Demo mit seiner Technik unterstützt, auch wenn er selbst nicht der Leiter ist. Am letzten Montag war der Chef von "Querdenken 351" der einzige Redner. Er bezeichnete sich als "Anarchisten", als er seine Kandidatur für Kommunal- und Landtagswahl ankündigte. Er werde als parteiloser Kandidat der Freien Sachsen antreten, jener Kleinpartei, die der sächsische Verfassungsschutz schon lange vor der AfD als gesichert rechtsextremistisch eingeschätzt hat.

Leiser „Satire“-Hinweis

Polizeisprecher Marko Laske sagte, dem Anfangsverdacht werde nun in einem Ermittlungsverfahren nachgegangen. Zu prüfen sei auch, wie ein "Satire"-Hinweis, der manchmal vor dem Abspielen zu hören war, strafrechtlich zu werten sei. Das Verwenden von Audios mit gefälschten Inhalten, die mittels künstlicher Intelligenz erstellt wurden, sei ein neues Phänomen. Während sich die Verleumdungs- und Beleidigungsvorwürfe in allen vier verwendeten Dateien finden ließen, beziehe sich der Volksverhetzungsverdacht auf eines der Audios, in denen es um Flüchtlinge geht.

In der Hamburger Tagesschau-Redaktion ist die Verwendung dieser Audiodateien bereits seit November 2023 bekannt. Erste Hinweise stammten demnach von Demonstrationen in Kiel. Die gefälschten Aufnahmen beginnen mit dem Tagesschau-Jingle, der wie die täuschend echten Stimmen der beiden prominenten Sprecher Jens Riewa und Susanne Daubner einen authentischen Eindruck erwecken.

Dazu sagt Marcus Bornheim, Chefredakteur von ARD-aktuell: "Die Tagesschau wird in Zuschauerbefragungen als seriös, glaubwürdig und zuverlässig eingeschätzt. Zudem ist sie die bekannteste Nachrichtensendung in Deutschland. Das wird hier ausgenutzt, um gezielt Desinformation zu verbreiten. Es ist schon absurd, dass Menschen, die auf Demonstrationen 'Lügenpresse' rufen, sich dabei von gefakten Audios beeinflussen lassen."

Im November 2023 habe der NDR in einem vergleichbaren Fall bereits Strafanzeige gestellt. Der aktuelle Stand der Ermittlungen sei dem Sender nicht bekannt, wie eine NDR-Sprecherin gegenüber Sächsische.de mitteilte.