Dresdner Spitzen-Lokal startet ohne Michelin-Stern in die neue Saison

Dresden. Als die Spezialisten im Februar die neue Ausgabe des Gastroführers "Guide Michelin" herausgaben, hatte Dresden plötzlich eine Spitzengastronomie weniger. Das Caroussel Nouvelle mit Sitz im Nobelhotel Bülow-Palais an der Königstraße hatte einen Stern verloren und wird damit nicht mehr aufgelistet. Doch so ganz unerwartet kam das nicht.
Genau vor einem Jahr, im Februar 2021, startete das Restaurant einen kulinarischen Neuanfang. Bis dato gab es im "Bülows Bistro" eine schmalere Küche und im Caroussel ein gehobeneres Angebot. Diese beiden verschmolzen zu einer Gastronomie, dem Caroussel Nouvelle. Das neue Konzept sah vor, die traditionelle Grenze zwischen Haute Cuisine und Bistroküche aufzuheben. Der Gast sollte je nach Lust und Anlass entscheiden, ober er eher deftig oder gehoben essen möchte.
So findet sich auf der Speisekarte beispielsweise der klassische Zwiebelrostbraten, der jedoch mit verschiedenen Zwiebelsorten und einer Pfeffersoße aufgewertet wurde. Oder der gebeizte Lachs wird mit confiertem Lachs, Passionsfrucht und Avocado neu aufgelegt. "Trotzdem schmecken die Gerichte grundsätzlich noch nach dem Original", so der Koch.
Michelin-Stern nach über 20 Jahren aberkannt
"Wir hatten hier komplett andere Voraussetzungen als bisher", sagt Küchenchef Sven Vogel, der den langjährigen Chef und Sternekoch Benjamin Biedlingmaier ablöste. Die Entscheidung gegen ein reines Gourmetrestaurant sei auch eine wirtschaftliche gewesen.
Das neue Konzept komme bei den Kunden an, so der Koch. Viele der Besucher würden vor allem die lockere Zusammenstellung der Gerichte schätzen. So ist das Fünf-Gänge-Menü nicht mehr starr in den vorgegebenen Gerichten, sondern die Hauptspeise kann auch durch eine von der Speisekarte ausgetauscht werden. Urbane Lässigkeit gepaart mit kulinarischer Finesse, das Konzept geht auf. "Wir sind gut gebucht und haben ein positives Feedback der Gäste", sagt er.
Deshalb trifft es den Koch auch, dass der "Guide Michelin" keinen Stern mehr für das Restaurant vergeben hat. Als eines der ersten Restaurants in Sachsen wurde dem Restaurant 1992 ein Michelin-Stern verliehen. Seither wurde der Status quo gehalten, fast 20 Jahre lang. Im vergangenen Jahr hielt der neue Chef die Auszeichnung, der Druck war entsprechend groß. "Nun steht mein Name dafür, dass das Restaurant keinen Stern mehr hat", sagt Sven Vogel. Anfangs sei die Nachricht für ihn "nicht so schön" gewesen.
Kam die neue Mischung nicht gut an?
Vielleicht habe den Spezialisten des Gastro-Führers die neue Mischung gestört, mutmaßt er. Durch die neue Konzeption des Restaurants ist es nämlich möglich, dass die einen Gäste ein Fünf-Gänge-Menü genießen, während am Nebentisch eher Knödel und Bier auf den Tisch kommen. Welche Kriterien genau zum Verlust des Sterns führten weiß keiner, man habe aber bei dem Gastroführer nachgefragt, um die Lage besser einschätzen zu können.
Dass einige Feinschmecker die Wahl des Restaurants bewusst nach dem Michelin-Stern richten, ist dem Koch bewusst. "Natürlich könnten diese Gäste wegfallen, aber dafür sprechen wir andere an", sagt er.
Besuch im Restaurant wird mehr geschätzt
Und während der Koch mit seinem Team nach vorn blickt und alte Rezepte neu umkrempelt, weiß er, dass sein Publikum das zu schätzen weiß. "Durch die Corona-Pandemie ist ein Restaurantbesuch wieder etwas Besonderes geworden. Das freut mich als Koch natürlich sehr", sagt er. Die Gäste suchen nicht nach Sattmachern, sondern nach Genuss und interessieren sich für die verwendeten Produkte in den Gerichten.
Dass das Caroussel Nouvelle trotzdem weiter nach einem Michelin-Stern greift, ist für den Küchenchef klar. "Wir wollen die Bewertung wieder erreichen, denn die Qualität der Speisen hat sich ja nicht verändert", sagt er. Man müsse noch an einigen Stellrädern schrauben. Doch grundsätzlich soll das bekannte Spitzenrestaurant kein weiteres Jahr sternlos bleiben.