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Personalmangel in Dresdens Gastronomie: "Heute freut sich jeder über jeden Bewerber"

Die Personallage in der Dresdner Gastronomie ist weiter angespannt. Wie es Luisenhof-Wirt Carsten Rühle gelang, gleich drei Azubis einzustellen.

Von Julia Vollmer
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Carsten Rühle, Chef des Luisenhof Dresden, mit drei neuen Auszubildenden. Von links: Domenic Farack, Kevin Schulze und Jens Berger.
Carsten Rühle, Chef des Luisenhof Dresden, mit drei neuen Auszubildenden. Von links: Domenic Farack, Kevin Schulze und Jens Berger. © Sven Ellger

Dresden. "Köche und Kellner dringend gesucht!" An fast jedem Restaurant in Dresden hängen in diesen Tagen Zettel wie diese. Personal ist in der Gastronomie Mangelware. Schon seit Jahren. Ähnlich wie an ausgebildeten Fachkräften fehlt es auch am Nachwuchs und Azubis kommen kaum nach. Einer, der jetzt sogar drei neue Auszubildende einstellen konnte, ist Luisenhof-Wirt Carsten Rühle.

"Früher haben wir Bewerber mit Noten schlechter als drei sofort aussortiert, heute kann sich das kein Chef mehr leisten und jeder freut sich über jeden Bewerber", sagt Rühle. Über die Noten seiner drei neuen Azubis, Domenic Farack, Kevin Schulze und Jens Berger, verrät er natürlich nichts. Sie kommen alle drei direkt aus der Schule und lernen seit dem 1. August in dem Traditionshaus auf dem Weißen Hirsch Koch oder Restaurantfachmann.

"Der Freundeskreis wird sich verändern"

"Da die Lage auf dem Markt so angespannt ist, bilde ich meinen eigenen Nachwuchs aus und übernehme dann möglichst auch alle Azubis", sagt Rühle, der den Luisenhof zusammen mit seiner Frau führt. Es sei wichtig, dass die Probezeit in beide Richtungen genutzt und geschaut werde, ob es passt. Denn Gastronomie ist ein anstrengender Job und die Arbeit am Wochenende und an Feiertagen gehört dazu.

"Der Freundeskreis wird sich verändern und immer mehr aus Leuten bestehen, die auch als Koch oder Kellner arbeiten", beobachtet Carsten Rühle, selbst gelernter Koch. Einer seiner neuen nun 28 Mitarbeiter ist Domenic Farack. Der 18-Jährige lernt Restaurantfachmann. "Ich habe schon Probetage im Hotel absolviert und wollte immer mit Menschen arbeiten", erzählt er.

Zusammen mit seinen beiden Azubi-Kollegen hat er jetzt immer im Wechsel Blöcke Unterricht in der Berufsschule und Praxis im Restaurant. "Am Anfang trage ich die Getränke und die Speisen zum Gast und räume sie wieder ab", erzählt er. Nach und nach kommen eigene Tischreviere und das Aufnehmen von Bestellungen und Abkassieren dazu. "Ich bin immer mit an der Front in meinem Lokal und versuche, eine familiäre Situation für die Azubis zu schaffen", sagt Rühle auf die Frage, warum er kein Problem hatte, Nachwuchs zu finden.

Leichter Trend nach oben

In der Dresdner Gastronomie gibt es einen leicht positiven Trend bei der Nachwuchsgewinnung. Während es 2020 nur 82 Koch-Azubis gab, entschieden sich 2021 insgesamt 100 junge Frauen und Männer für die Ausbildung zum Koch oder Köchin. Für das neue Lehrjahr ab Sommer 2022 gibt es mit Stand Ende Juni 38 unterschriebene Lehrverträge, so Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK), die auch für die Gastronomie zuständig ist.

Einen leichten Aufwärtstrend gab es zuletzt auch bei den Berufsanfängern als Restaurantfachmann oder -fachfrau. 59 Azubis gab es hier 2021, während es 2020 noch 47 und 2019 nur 56 waren. 23 Verträge sind für das Lehrjahr 2022 unterschrieben.

Mehr Azubis auch in anderen Lokalen?

Auch Florian Leisentritt, Hoteldirektor des Gewandhaus Dresden und Sprecher der Dresdner Hotelallianz, zeigt sich vorsichtig optimistisch. "In Sachsen wurden bis Ende Juni rund 250 Ausbildungsverträge mehr abgeschlossen als 2021. Damit liegen wir auch leicht über dem Vor-Corona-Jahr 2019." 621 Verträge sind es 2022, 616 waren es 2019.

"Bei uns im Gewandhaus Dresden, Autograph Collection, konnten wir die Ausbildungsplätze in diesem Sommer gut besetzen. Insgesamt haben wir zwei Hotelfachmänner, einen Koch, eine Köchin und eine Konditorin im hauseigenen Kuchen-Atelier eingestellt", sagt Leisentritt. Ebenso habe er einen jungen Restaurantfachmann ins dritte Lehrjahr übernommen, der vorher seine Ausbildung in einem anderen Sterne-Hotel in Dresden begonnen hat.

Ein wenig anders sieht Alexandra Göllner, Wirtin im Trompeter, die Situation. "Aus meiner Sicht ist die Lage brisant. Es fehlen Vorbilder, die mit Leidenschaft verkörpern, dass die berufliche Tätigkeit auch Zufriedenheit und Selbstbestätigung mit sich bringt." Oder, dass nicht jeder freie Tag ein Samstag oder Sonntag sein müsse.

Das Traditionslokal auf der Bautzner Straße hätte zwei Köche und zwei Restaurantfachleute ausbilden können. Aber Göllner wird deutlich: "Allerdings versäumten viele Eltern während der Erziehung der Kids bei den Tugenden Respekt, Ehrgeiz, Pünktlichkeit, Verantwortungsgefühl und vielleicht sogar Freude bei der zu erlernenden Tätigkeit etwas mehr Zeit und Mühe zu investieren."