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Neue Bau-Regeln für die Friedrichstadt

Der Dresdner Stadtteil Friedrichstadt zieht Projektentwickler an. Deshalb verschwinden die letzten Grünflächen. Dafür sollen jetzt klare Regel her.

Von Dirk Hein
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Diese Freifläche an der Seminarstraße 18 soll bebaut werden.
Diese Freifläche an der Seminarstraße 18 soll bebaut werden. © Sven Ellger

Dresden. In den letzten Jahren hat sich die Friedrichstadt vom Schmuddel- zum Familienviertel gewandelt. Im Bramschkontor sind Einfamilienhäuser entstanden, Straßen wie die Bräuergasse und die Seminarstraße wurden saniert. Doch jetzt sollen die letzten Lücken geschlossen werden. Freiflächen und Grün drohen zu verschwinden. Der Protest dagegen hat den Stadtrat erreicht.

So soll nach dem Willen von Grünen, Linken, SPD und Dissidenten im Areal zwischen Seminarstraße und Bräuergasse nur eine maßvolle Bebauung möglich sein. Hintergrund für die Forderung: Zwei Investoren wollen in dem Areal "nachverdichten": Der Stadt Dresden zufolge könnten in der Seminarstraße 20/22 etwa 125 Wohnungen entstehen.

"Das Vorhaben beinhaltet Neubauten, den Umbau sowie die Sanierung von Bestandsgebäuden auf dem Areal", heißt es vom Stadtplanungsamt. Das Hamburger Immobilienunternehmen Vila plant außerdem laut Webseite 46 Wohneinheiten in der Seminarstraße 16 bis 18.

Doch dadurch würden nicht nur Baulücken an der Seminarstraße geschlossen, sondern auch der grüne Innenhof bebaut werden. "Wir befürchten, dass hier alle Grünflächen verschwinden", sagt Anwohnerin Susann Klenner. Zusammen mit anderen Bewohnern hatte die 43-Jährige den Bürgerprotest organisiert und bereits im Januar eine Unterschriftenaktion initiiert. 280 Unterstützer kamen so zusammen.

Die Freifläche auf der Seminarstraße 18 soll bebaut werden. Anwohner wehren sich dagegen.
Die Freifläche auf der Seminarstraße 18 soll bebaut werden. Anwohner wehren sich dagegen. © Archivfoto: Sven Ellger

Die Forderung damals: Für das Areal soll ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Das würde verhindern, das Investoren einfach nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches bauen dürfen. Neubauten müssten dabei nur an die umliegenden Häuser angepasst werden, eine Bürgerbeteiligung wäre nicht erforderlich.

Anders bei einem Bebauungsplan: Durch mehrere Planungsstufen wären sowohl Öffentlichkeit als auch Politik in der Lage, Forderungen zu stellen und diese rechtssicher zu vereinbaren. So sollen Bäume und Freiflächen erhalten werden, gleichzeitig könnte dennoch gebaut werden.

Grünflächen als Mangelware in der Friedrichstadt

Exakt das greift der Antrag jetzt auf. Stimmt der Rat zu, müsste für den Bereich zwischen Seminarstraße, Bräuergasse und Friedrichstraße ein extra Bebauungsplan beschlossen werden. "Es mangelt an wohnortnahen Grün- und Aufenthaltsbereichen, sowie an Spiel- und Begegnungsräumen", heißt es in der Begründung der Antragsteller. Teile des Quartiers würden über eine bauliche Aus­nutzung des Grundstücks nahe 100 Prozent verfügen.

"Die Anwohner vor Ort haben recht. Die aktuellen Baupläne gehen zu weit. Genau durch so eine Verdichtung wird die Überhitzung der Stadt herbeigeführt", sagt Stadtrat Tilo Wirtz (Linke). Neben Grünen und Dissidenten unterstützt auch die SPD den Antrag: "Wir erleben an vielen Orten der Stadt, dass in Hinterhöfen der letzte Baum gefällt wird. An dieser Stelle wollen wir dafür sorgen, dass dies nicht geschieht", sagt Stefan Engel.

Über diesen Bereich in der Friedrichstadt wird aktuell diskutiert.
Über diesen Bereich in der Friedrichstadt wird aktuell diskutiert. © Screenshot SZ

Der Bürgerinitiative vor Ort gibt dies Rückenwind. "Wir hatten die Politik angeschrieben, wir haben Rückmeldungen von Grünen, Linken, SPD und Dissidenten bekommen. Das tut gut. Wir fühlen uns ernst genommen, die Prozesse in der Friedrichstadt werden erkannt", sagt Susann Klenner.

Der Antrag wird demnächst in den Gremien im Rathaus besprochen, zuletzt entscheidet der Rat. Aus der Verwaltung kommt jedoch Gegenwind. Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne): "Der Stadtratsantrag führt uns weg von einer Lösung. Vieles von dem, was der Bürgerinitiative wichtig ist, hat der Investor schon aufgegriffen." So würde das Bauvolumen reduziert, das Quartier würde stark durchgrünt. Kühn: "Wir planen eine Erweiterung der öffentlichen Platzfläche 'Grüne Mitte' im Quartiersinneren."

Laut Stadtplanungsamt sei "ein Negativbebauungsplan, der eine bauliche Entwicklung mittels einer Satzung ausschließen soll, nicht zulässig." Rathaus und Bauherr hätten in den letzten Monaten das Vorhaben zusammen "weiter qualifiziert". Falls die Stadt Zusagen nicht halten könne, sei Schadensersatz für nicht unerhebliche Planungskosten denkbar.

Falls der aktuelle Antrag im Rat scheitert, bleibt für die Bewohner des Viertels dennoch Hoffnung. "Es gibt noch weitere Brachen in der Friedrichstadt, vielleicht startet jetzt insgesamt eine neue Dynamik", sagt Frau Klenner.