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Christian Friedel: „Man sollte sich bitte nicht zu wichtig nehmen“

Vor zehn Jahren legten Christian Friedel und Woods of Birnam am Dresdner Schauspiel einen furiosen Start hin. Zum Jubiläum gibt es ein besonderes Konzert.

Von Andy Dallmann
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Christian Friedel ist bald wieder im „Tatort“, diesmal in einer Folge aus Wiesbaden, und vorher live im Alten Schlachthof zu sehen.
Christian Friedel ist bald wieder im „Tatort“, diesmal in einer Folge aus Wiesbaden, und vorher live im Alten Schlachthof zu sehen. © @ThomasRabsch

Der Dresdner Schauspieler Christian Friedel hat auf den Bühnen des Landes, in Film und Fernsehen gut zu tun. Aktuell spielt er gleich in zwei „Tatort“-Folgen mit. Seine Band Woods of Birnam lag hingegen durch Corona weitgehend auf Eis. Doch zum Jubiläum wird nun endlich wieder live gespielt.

Herr Friedel, ist es demotivierend, in diesen Zeiten ein Jubiläum zu begehen?
Nun ja, man würde schon sehr gerne größer und aufwendiger feiern. Aber es öffnen sich zum Glück ja Perspektiven und da muss man die Feste feiern, wie sie fallen.

Also jetzt gerade und mit vollem Elan?
Genau, mit vollem Elan und mit alternativen Ideen. Unsere Anniversary Sessions, die wir gerade als Jubiläumsbox veröffentlicht haben, sind ja quasi recht spontan entstanden. Wir hatten nie vor, unseren zehnten Geburtstag so üppig zu feiern, zumal man in der Musikszene ja nicht mehr gerade zu den Newcomern zählt.

Christian Friedel (2.v.r.), seine Band Woods of Birnam und Gastkeyboarder Onno Dreier (2.v.l.).
Christian Friedel (2.v.r.), seine Band Woods of Birnam und Gastkeyboarder Onno Dreier (2.v.l.). © ronaldbonss.com

Haben die speziellen Rahmenbedingungen Einfluss auf das, was am Sonnabend auf die Bühne kommt?
Wir wollten für unser erstes Live-Erlebnis nach längerer Zwangspause bewusst auf Intimität und Nähe setzen. Ein wenig wie bei MTV Unplugged, ohne aufwendige Showelemente oder das ganz große Besteck. Da passen die speziellen Rahmenbedingungen sehr gut und wir hatten, glaube ich, noch nie eine Tour mit Sitzplätzen.

Ist die Anspannung nach so langer Konzertbühnen-Abstinenz größer als sonst?
Auf jeden Fall, aber die Vorfreude, endlich wieder live zu spielen, überwiegt. Wir haben immer für unsere Auftritte ausgiebig geprobt. Da muss die geplante Setlist mehrmals durchgespielt und so verändert werden, dass es optimal ist. Für mich persönlich sind es fast zu wenig Proben, ich bin halt vom Theater verwöhnt.

Bieten Sie also vor lauter angestauter Spielfreude eine Drei-Stunden-Show?
In den zehn Jahren hat sich so viel Material angehäuft, dass wir locker auf mehrere Stunden kommen würden. Aber ein weiser Mensch hat einmal gesagt, man solle sein Publikum hungrig zurücklassen. Wenn sie zu gesättigt sind, wissen manche das nicht mehr zu schätzen. So versuchen wir einen Kompromiss. Unser Gitarrist Philipp hat im Lockdown ein Soloalbum aufgenommen und wird die Konzerte supporten, zusammen mit unserem Gastkeyboarder Onno Dreier, der ebenfalls erstmals Songs aus seinem Soloprojekt vorstellen wird. Somit kommen wir mit kleiner Pause vielleicht doch noch in die Nähe von drei Stunden.

Woods of Birnam im Studio bei den Aufnahmen der Geburtstagssessions.
Woods of Birnam im Studio bei den Aufnahmen der Geburtstagssessions. © Lutz Michen

Das Konzert findet nach 3G-Regeln im bestuhlten Alten Schlachthof statt. Wie und wo wäre es ohne Corona gelaufen?
Gute Frage. Wir haben oft im Beatpol gespielt und es dort sehr genossen. Wir spielen nun zum ersten Mal im Schlachthof und hoffen, dort irgendwann einmal unbestuhlt vor ausverkauftem Hause zu spielen, vielleicht dann schon ohne 3G.

Über 2G und 3G wird derzeit viel gestritten. Ist Ihre Entscheidung zugleich ein Statement?
Man kann von diesen Regeln halten, was man will, aber sie ermöglichen uns Künstlern, endlich wieder vor Publikum spielen zu können. Die Kunst hat unter den Einschränkungen enorm gelitten und gesellschaftlich würde ich mir wünschen, dass wir noch mehr zusammenhalten, um endlich aus dieser Ausnahmesituation rauszukommen. Aber was sich da bei manchen Menschen offenbart, stimmt traurig und macht manchmal fassungslos.

Immer wieder lehnen sich Künstler für oder gegen Corona-Maßnahmen teils weit aus dem Fenster. Ein Fehler?
So, wie es zig Bundestrainer während einer EM oder WM gibt, so scheint es während einer Pandemie eine Menge selbst ernannter Epidemiologen und Politiker zu geben. Ich finde es gut, wenn Künstler eine Meinung haben und manchmal ihre Standpunkte zum Besten geben. Falsch finde ich, wenn sie in einer angestrengten politischen Lage Öl ins Feuer gießen und nichts Konstruktives beitragen. Ich selbst sehe mich eher als Botschafter für eine offene und tolerantere Gesellschaft und nicht als Spalter. Wir brauchen gerade jetzt eine Alternative zu den verhärteten Fronten. Aber man sollte sich bitte auch nicht zu wichtig nehmen.

Sie waren gerade im Dresden-„Tatort“ ein schräger Wissenschaftler, bald spielen Sie im Wiesbaden-Krimi einen neurechten Adeligen. Keine Lust auf eine ganz normale Figur?
Was sind schon normale Figuren? Beide „Tatort“-Angebote kamen fast zeitgleich in einer für mich beruflich angespannten Lage, denn sowohl Theater- als auch Filmprojekte wurden verschoben oder auf Eis gelegt. Ich war sehr dankbar und habe mich auch über zwei so unterschiedliche Figuren gefreut, beide mit leichtem Knacks. Schade sind manchmal die begrenzten inhaltlichen Fenster, die Figuren auszuspielen. Da ist man von einem Serienformat wie „Babylon Berlin“ schon verwöhnter.

Während Sie Filme drehen und somit arbeiten konnten – was haben die Bandkollegen gemacht?
Wir haben unser Soundtrackalbum zu „Macbeth“ aufgenommen. Philipp hat ein Soloalbum eingespielt, Christian als Designer und zusammen mit unserem ehemaligen Keyboarder Ludwig an einem Electro-Projekt gearbeitet. Uwe hat sich in verschiedene Produktionsprozesse vertieft, nicht nur für die Woods. In diesem Jahr haben wir dann unsere Anniversary Sessions aufgenommen und auf jeweils drei EPs verpackt, wobei die letzte am 17. Dezember erscheinen wird. Und ab Juni 2022 gehen die Proben für „Macbeth“ weiter. Die Premiere wird dann endlich Anfang September die neue Spielzeit am Staatsschauspiel Dresden eröffnen.

Für Juli 2022 gibt es bereits einen Termin fürs zweimal verschobene „Come to the Woods“-Festival. Wie optimistisch sind Sie, das nach Plan durchziehen zu können?
Ich bin sehr optimistisch. Komme, was wolle: Unser Festival wird 2022 stattfinden. Wir wissen noch nicht, ob wir das geplante Line-up halten können. Auf jeden Fall freuen wir uns sehr auf den 2. Juli. Dann wird richtig gefeiert, das ist ein Versprechen.

Gibt es so etwas wie eine Lehre, die Sie als Musiker und Schauspieler aus der Corona-Krise gezogen haben?
Hui, habe ich eine wirkliche Lehre aus der Krise gezogen? Vielleicht die, dass wir nicht alle im gleichen Boot saßen, sondern alle im gleichen Sturm, auf unterschiedlichen Booten. Es wäre wünschenswert, wenn wir alle unsere Lehren aus der Krise ziehen und wir etwas gegen die Spaltung und Verrohung unserer Gesellschaft unternehmen.

Was war der schönste Moment in zehn Jahren Bandgeschichte?
Jeder von uns hat da sicher seine ganz eigenen Highlights. Zwei meiner schönsten Erlebnisse waren die Premieren von „Hamlet“ und „Searching for William“. „Hamlet“ war eine anstrengende und intensive Arbeit und die erste Theaterarbeit für uns als Band. Als das Stück begann und wir das erste Mal „I’ll Call Thee Hamlet“ im ausverkauften Schauspielhaus spielten, hatte ich Gänsehaut. Die Premiere von „Searching for William“ lief mit ähnlich viel Gänsehaut ab, hier aber vor allem im zweiten Teil des Abends, als ich realisierte, dass das Konzept aufging und die Leute unseren künstlerischen Mash-up-Abend feierten.

Welche Erinnerung würden Sie gerne vollständig verdrängen?
Unseren Ausflug zum ESC-Vorentscheid. Aber wir haben eine Menge gelernt, und ich persönlich begrub meinen naiven Wunsch, „Popstar“ zu werden. Jedenfalls in solch einem grausamen Mainstream-Umfeld.

Das Jubiläumskonzert: Woods of Birnam spielen am 30. Oktober ab 20 Uhr im Alten Schlachthof, DD; Restkarten gibt es an der Abendkasse.