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Christian Friedel triumphiert als "Dorian" mit Woods Of Birnam in Dresden

Was am Rhein funktioniert, begeistert auch an der Elbe: die große One-Man-Theatershow von Bühnenmagier Robert Wilson.

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Das Bühnen-Solo „Dorian“ gehört ganz dem Darsteller Christian Friedel und die Musik wieder dessen Band Woods Of Birnam.
Das Bühnen-Solo „Dorian“ gehört ganz dem Darsteller Christian Friedel und die Musik wieder dessen Band Woods Of Birnam. © Lucie Jansch

Von Sebastian Thiele

Das Ego ist groß, „Dorian“-Fan-Poster im Foyer, „Dorian“ in großen Lettern auf dem Bühnenvorhang. Willkommen im Theaterpop, alle hier erwarten nicht weniger als einen Abend der Superlative. Licht aus, und die Welt liegt im Schatten. Ein altes Radio leuchtet zärtlich orange inmitten eines düsteren Ateliers auf. Ein kühles, bläulich gedimmtes Spotlight zielt auf Hut, weiß geschminktes Gesicht und hoch aufgestellten Mantelkragen. Mit Erinnerungen an expressionistische Bildsprache beginnt die One-Man-Show.

Nach dem Kassenschlager „Macbeth“ brennt Publikumsmagnet Christian Friedel das nächste Bühnenfeuerwerk ab: „Dorian“. Am Staatsschauspiel Dresden darf der Spielerstar und Sänger von „Woods of Birnam“ allein das Schauspielhaus bespielen. Zur Premiere am Sonnabend konnte er sich sogar vorher des Erfolges gewiss sein – war doch bereits die Uraufführung dieser Koproduktion mit dem Nationaltheater Kaunas (Litauen) und Düsseldorf im Juni dort ein Riesenerfolg. Regie führte und Bühne wie Licht kreierte der international gefeierte Theatermacher Robert Wilson. In Dresden zeigt der Einundachtzigjährige erstmals seinen Regiestil: bildverliebt und die Sinne verführend. Den Text in Form eines Erzählflusses für die große Show konzipierte Darryl Pinckney.

Ambivalentes Künstlerleben im Elfenbeinturm

Spielt der Titel „Dorian“ auf den berühmten Roman von Oscar Wilde an, so erlebt man bei Wilson keine Eins-zu-Eins-Übertragung von „Das Bildnis des Dorian Gray“. Vielmehr dreht sich alles um den Kern: Ein schicker, jugendlicher Dandy bleibt hübsch und jung, ganz gleich, wie er sich in seinem Boheme-Dasein gehenlässt. Nur Zuhause zeigt sein gemaltes Porträt wie ein Zauberspiegel das wahre, von Exzessen gezeichnete Äußere. So modelliert der Kontrast von schön und hässlich, von Erfolg und Absturz ein ambivalentes Künstlerleben im Elfenbeinturm. Hier geht es um die Liebe, Narzissmus und die Fragilität des Individuums.

Auf höchstem darstellerischen Niveau plant Wilson dies als unterhaltsame Show. Brieftexte von Oskar Wilde und seinem Geliebten Alfred Douglas skizzieren zusätzlich biografische Parallelen. Und auch der Maler Francis Bacon landet im theatralen Schmelztiegel. Vor allem das kleinteilige Bühnenbild zu Beginn erinnert an das zugemüllte Atelier Bacons. Überall Farb- und Lackreste sowie Pinselspuren, weil der Maler sein gesamtes Zimmer als Mischpalette begriff. Dort focht er wie Dorian seine inneren Kämpfe. Dort bannte er psychische Abgründe seiner Liebschaften als aggressive Porträts auf die Leinwand.

Gebrochener Dandy in glamouröser Garderobe

So folgt Wilsons „Dorian“ keiner wirklichen Handlung. Alles kreist als poetisches Text- und Bildkarussell um die Figur. Dorian fühlt sich wie ein Straßenkater und weiß nicht, was richtig und falsch ist. Ständig wiederholt er das. Assoziativ wechseln dazu die Bildwelten: Mal kalt-warm ausgeleuchtet das Atelier, dann wieder helle Weite. Später spiegelt sich der Dandy grell und vielfach gebrochen in einer glamourösen Theatergarderobe. Oder Dorian schwebt wie in einem Traum im Bühnenraum, um sich kurz darauf an laufstegartigen Leuchtröhren einem dunklen Schlund entgegenzuzittern.

Insgesamt macht es Pinckneys Textcollage dem Publikum nicht leicht. Zwar zutiefst poetisch, um Liebe, Zerstreuung und um das Ego der Figur kreisend. Aber oft auf der Stelle tretend, vieldeutig und wortverliebt. Auch das Regiekonzept funktioniert nicht perfekt, wenn Umbauten nicht rundlaufen und irritierende Pausen entstehen. Da klatscht das verunsicherte Publikum das Inszenierungs-Ende auch mal zu zeitig herbei. Heiter geht es zu, als die Techniker tanzenderweise einen Umbau vollziehen. So viel Bewegung gibt es in der oft statischen und bedeutungsschweren Inszenierung von Altmeister Wilson sonst nicht.

Die Liebe läuft den ganzen Tag herum

Doch dieser Abend gehört ganz dem Darsteller. Ob im schwarzen Nosferatu-Kostüm oder im weißen Showanzug, Christian Friedel gibt alles, um das zwiespältige Straßenkatergefühl auch zu verkörpern. Mit sprachlich irrwitzigen Tempowechseln und rasanten Figurenbrüche oder hinreißender Gesichtsakrobatik – er zeigt, was für ein großartiger Schauspieler er ist. Immer unterstützt von den pathetischen Klängen seiner Band Woods of Birnam, die aber nicht live dabei sind. Friedel serviert die Mischung aus Dorian-Figur und eigener Selbstinszenierung durchgehend hoch konzentriert und den Text denkend. Seine professionellen Gesangseinlagen sind ein Heimspiel. Erwartbar auch der Zwischenapplaus der Fans im Saal, so läuft es eben im Theaterpop.

Und der Vollprofi zieht die Fäden. Als Figur Dorian verkündet er: „Er bezauberte seine Zuhörer, bis sie lachend nach seiner Pfeife tanzten.“ Und als Schauspieler setzt er das federleicht um, er hat den Saal in der Hand. Lediglich körperlich deutet sich an, dass auch Christian Friedel nicht ewig jung bleibt. Etwas ungelenk wirken die musikclip-artigen Tanzeinlagen. Da klackert der Stepptanz der Abschlussnummer wieder sicherer über die Bretter.Am Ende des artifiziellen Abends heißt es ernüchternd: „Die Liebe läuft den ganzen Tag herum und geht dann zurück zum Bahnhof.“ Aber der Abschlussjubel macht es deutlich, der Bühnenstar ist noch lange nicht auf dem Rückweg!

Weitere Termine: 8.,9. und 25. Januar; Kartentelefon: 0351 4913555