SZ + Feuilleton
Merken

Auch die Semperoper braucht Erneuerung

Die Führung der Semperoper wird ausgetauscht. Damit endet auch die Zeit von Christian Thielemann in Dresden. Eine vernünftige Entscheidung - im Prinzip.

Von Bernd Klempnow
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Vertrag mit Christian Thielemann läuft aus.
Der Vertrag mit Christian Thielemann läuft aus. © Matthias Creutziger/SZ

Der Fall scheint zunächst ungewöhnlich: Ohne Not lässt der Freistaat den Vertrag mit Christian Thielemann Mitte 2024 auslaufen. Dabei ist der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle einer der weltweiten Top-Künstler. Und auch sein fast zehnjähriges Schaffen in Dresden war hoch erfolgreich – von gelegentlichen internen Differenzen abgesehen. So stößt die Entscheidung von Sachsens Kunstministerin Barbara Klepsch (CDU), neben einem neuen Intendanten der Semperoper auch einen neuen Chefdirigenten der Kapelle zu suchen, über Sachsen hinaus auf Verwunderung. Ihr gutes Recht ist das, schließlich ist der Freistaat Träger der Sächsischen Staatsoper. Deutschlandweit sehen nicht wenige Musikkenner jedoch in diesem Vorgang ein Armutszeugnis für Dresden.

Doch trotz solcher verständlichen Urteile von außen: Grundsätzlich ist die Entscheidung vernünftig, auch ein traditionsreiches Haus wie die Semperoper für die Zukunft zu erneuern. Die Klassikwelt verändert sich. Auch der Zeitpunkt für die Orientierung auf einen Neubeginn 2030 ist richtig gewählt. Bei den langen Vertragszeiten in der Branche braucht es Vorlauf, bis geeignete Kandidaten frei sind und sich vorbereiten können.

Differenzierter ist der Umgang mit dem Orchester zu bewerten. Den Vertrag des Chefdirigenten verhandelt zwar die Ministerin, die Wahl aber obliegt traditionell der Staatskapelle. Das hat Barbara Klepsch dem Ensemble auch diesmal zugesichert. Doch in ihre Entscheidung war das Orchester nicht so recht eingebunden. Es wurde bloß informiert. Das Vorgehen birgt Potenzial für Streit oder gar einen Eklat.

Die 150 Musiker haben Thielemann vor gut zwei Jahren wiedergewählt. Viele schätzen den Maestro für seine musikalische Meisterschaft und für Projekte wie CDs, Gastspiele und Residenzen, die er mit seinem Renommee ermöglicht. Ging es um Eigeninteressen, haben die Kapellmusiker nur zu oft Vorgesetzte instrumentalisiert oder bekämpft, sogar Chefdirigenten. Es ist kaum anzunehmen, dass sich diese Virtuosen von einer Ministerin vorschreiben lassen wollen, wann ihr Genie Thielemann zu gehen hat.