Dresdner Blockhaus ist fertig saniert: Archiv der Avantgarden öffnet am Sonntag
Dresden. Weltweit einzigartig sei das Archiv der Avantgarden (ADA), heißt es vollmundig aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Kleiner geht es nicht. Bescheidenheit wäre fehl am Platz angesichts dieser neuen Institution, die öffentliche Forschungseinrichtung, Museum und Kulturhaus in einem sein will. Ein Café im Dresdner Blockhaus, das in den 1730er-Jahren als Brückenkopf und Wache erbaut worden war, gibt es auch.
Auch die schiere Menge der Objekte verführt zu Superlativen: Etwa 1,5 Millionen Dokumente, technische und Designobjekte, Möbel und Kunstwerke, Fotos und Einladungen, hat der in Berlin und in Italien lebende Sammler Egidio Marzona im Jahr 2016 an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden geschenkt.
200.000 Dokumente der unterschiedlichsten Strömungen der Avantgarde des 20. Jahrhunderts kamen 2018 dazu. Zuvor hatte er ein großes Konvolut an Kunstwerken den Berliner Museen übergeben, die, so darf vermutet werden, sich mit der Arbeit, die sich aus den Archivalien ergibt, nicht belasten wollten.
Denn das großzügige Geschenk ist für den Freistaat Sachsen alles andere als billig zu haben: Das barocke Blockhaus an der Dresdner Augustusbrücke wurde in sechs Jahren für 29 Millionen Euro umgebaut und komplett entkernt.
Barock ist nur noch die Fassade. Innen ist dem Architekturbüro Nieto Sobejano Arquitectos ein großer Wurf gelungen mit der Wendeltreppe, einer begehbaren Skulptur, die aus der Ausstellung im Erdgeschoss hinauf auf die Forschungsplattform und hinunter ins Café, hinaus in den Garten mit Blick zur Elbe führt.
Zwei Ausstellungen pro Jahr
Die Forschungsebene „hängt“ als frei schwebender, dreigeschossiger Kubus im Gebäude und beherbergt neben den Depots eine Freihandbibliothek mit Studiensaal und einigen Arbeitsplätzen. Über den Regalen hat der mexikanische Künstler Erick Beltran die raumgreifende Arbeit „22 Züge durch ein Archiv der Archive: Athen muss immer wieder aus Alexandria gerettet werden“ installiert.
Zwei Ausstellungen pro Jahr sollen jeweils aus dem ADA heraus entwickelt werden. Aktuell: „Archiv der Träume. Ein surrealistischer Impuls“, denn vor 100 Jahren hatten Surrealisten um Andre Breton in Paris das „Büro für surrealistische Forschungen“ gegründet, um Traumzeugnisse zu bewahren. Das ADA ist ein wahr gewordener Traum. Doch was es alles beinhaltet, kann die erste Ausstellung, die mit Öffnung des Hauses am Sonntag startet, nur andeuten.
Dresden könnte sich zu einer Hauptstadt der Avantgarde mausern
Allein 3.400 Positionen lagern als Kunstwerke im Depot: Designobjekte, Möbel, Grafiken, Skulpturen. Gemälde. Der Inhalt von 5.000 schwarzen Aktenordnern – Postkarten, Texte, Einladungen, Fotografien, Zeitschriftenausrisse – wurde digitalisiert.
Mehr als das Kunstwerk interessierte den Sammler der Entstehungsprozess. Die von ihm angelegte „demokratische“ Grundordnung – Bedeutungsvolles neben Banalem – bleibt im ADA unverändert. Die Papiere wurden nur umgebettet in graue Boxen, die man sich vorlegen lassen kann. Die Fülle des Materials macht es zwingend, dass man sich vorab online entscheidet, was man im Original sehen will, und sich und seinen Wunsch anmeldet.
"Wir sind Avantgarde!" heißt eine filmische Gesprächsreihe, in der Marzona und die, deren Archive er sammelte, über ihre Motive sprechen. Sie läuft auf der Forschungsplattform und im Internet.
Dresden könnte sich zu einer Hauptstadt der Avantgarde mausern, und die SKD wollen die Sammlung des ADA erweitern. Denn sie enthält nur wenig Ostkunst. Avantgarde gab es aber auch hier: Mailart der im Februar verstorbenen Künstlerin Ruth Wolf-Rehfeldt ist schon drin im ADA, und Jürgen Böttchers Experimentalfilm von 1981 „Verwandlungen Teil 2: Venus nach Giorgione“ ist in der Ausstellung zu sehen. Das Archiv des aus Leipzig stammenden, in Hamburg lebenden Künstlers und Filmemachers Lutz Dammbeck kam im vorigen Jahr nach Dresden. Ein Anfang ist gemacht.
Öffnungszeiten und Eintritt
Das Archiv der Avantgarden im Dresdner Blockhaus an der Augustusbrücke ist Di – Fr 15 – 21 Uhr geöffnet, Sa/So 11 – 19 Uhr.
In der kommenden Woche ist der Eintritt frei, danach 5/4 Euro, Schüler und Studierende frei.
Für wissenschaftliche Recherchen (Di – Fr 9 – 15 Uhr), Anmeldung per Mail: [email protected]