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Sensationelle Verwandlung: Dresdens Blockhaus wird neuer Kunstmagnet

Das Blockhaus wurde entkernt und komplett umgebaut. Jetzt ist es bereit für das Geschenk eines Bielefelders an Sachsen: eine Avantgarde-Sammlung von Weltrang.

Von Oliver Reinhard
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Nach vier Jahren Umbauzeit und einer Investition von 29 Millionen Euro wurde das Blockhaus an der Augustusbrücke den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) übergeben.
Nach vier Jahren Umbauzeit und einer Investition von 29 Millionen Euro wurde das Blockhaus an der Augustusbrücke den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) übergeben. © Foto: SZ/Veit Hengst

Nach vier Jahren Umbauzeit und einer Investition von 29 Millionen Euro wurde am Donnerstag das Blockhaus an der Augustusbrücke den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) übergeben, und damit seiner neuen Bestimmung: Es wird zur Heimstatt für das "Archiv der Avantgarden" des Deutsch-Italieners Egidio Marzona, einer kostbaren Schenkung an den Freistaat Sachsen. Damit beherbergt Dresden bald eine der bedeutendsten und mit ungefähr 1,5 Millionen Objekten größten Sammlungen von Kunst und Design des 20. Jahrhunderts weltweit. Die Eröffnung des Archivs ist im Mai 2024.

Das Blockhaus im Sommer 2020 nach seiner Entkernung.
Das Blockhaus im Sommer 2020 nach seiner Entkernung. © Matthias Rietschel

Beeindruckende Verbindung von Tradition und Moderne

"Das Dresdner Blockhaus zeigt, wie beeindruckend Tradition und Moderne verbunden werden können", sagte Sachsens Finanzminister Harmut Vorjohann zum Festakt. Der CDU-Politiker warf mit Begeisterungskundgebungen nur so um sich. "Ein Kunstmuseum und eine Architekturikone" sei das Gebäude nun, "ein Meisterwerk" von geradezu "sakraler Anmutung".

Gestaltet wurde das neue Blockhaus nach den Plänen der Spanier Fuesanta Nieto und Enrique Sobejano, die 2017 den Architekturwettbewerb gewonnen hatten. Die historische Fassade wurde nahezu authentisch restauriert, Herzstück des Inneren ist ein schwebender Kubus, der das eigentliche Archiv aufnimmt. Ein zeitgenössischer multifunktionaler Kunstraum, der architektonisch neue Maßstäbe setzt

Die von 1732 bis 1737 erbaute "Neustädter Wache" beherbergt nun das "Archiv der Avantgarden" mit einer der weltweit größten Sammlungen von Kunst und Design des 20. Jahrhunderts.
Die von 1732 bis 1737 erbaute "Neustädter Wache" beherbergt nun das "Archiv der Avantgarden" mit einer der weltweit größten Sammlungen von Kunst und Design des 20. Jahrhunderts. © Foto: SZ/Veit Hengst

"Die Gravitationskräfte werden außer Kraft gesetzt"

Dank hochkarätiger Ingenieurskunst ist es eine leichte Stahl-Beton-Konstruktion, die an zwei gegenüberliegenden Schächten für den Aufzug und das Treppenhaus befestigt wurde. Der Kubus "setzt die Gravitationskräfte außer Kraft", juxte Vorjohann. "Aber keine Sorge: Es wird alles halten." Ein öffentlich zugängliches Galeriegeschoss und eine offene Präsentationsfläche unterhalb des Kubus bieten rund 1.900 Quadratmeter Nutzfläche.

"Ich habe selten einen Finanzminister so leidenschaftlich über ein Kulturprojekt sprechen hören", kommentierte SKD-Chefin Marion Ackermann die Eloge und tat es dem CDU-Mann in Sachen Schwärmerei gleich: "Lagern, zeigen, forschen - Wir haben hier nichts weniger als einen neuen Museumstypen." Das Blockhaus und das Archiv der Moderne sollen zu "einem neuen Treffpunkt an einem der spektakulärsten Standorte Dresdens" werden.

Eine Augenweise ist auch die schneckenförmige Innentreppe.
Eine Augenweise ist auch die schneckenförmige Innentreppe. © SZ/Veit Hengst
Nicht von ungefähr erinnert die Treppe in der Seitenansicht an einen Notenschlüssel: Hier ist Musik drin.
Nicht von ungefähr erinnert die Treppe in der Seitenansicht an einen Notenschlüssel: Hier ist Musik drin. © Foto: SZ/Veit Hengst
Zweimal im Jahr zeig, das Archiv aufs Neue, was es hat und kann: Dann finden hier Ausstellungen aus dem Bestand statt.
Zweimal im Jahr zeig, das Archiv aufs Neue, was es hat und kann: Dann finden hier Ausstellungen aus dem Bestand statt. © SZ/Veit Hengst
Hier ziehen die vielen Hunderttausend Objekte des Archivs der Modernen ein.
Hier ziehen die vielen Hunderttausend Objekte des Archivs der Modernen ein. © SZ/Veit Hengst
Einige Grafiken geben einen Vorgeschmack auf das Aussehen der Seitengalerie im Obergeschoss.
Einige Grafiken geben einen Vorgeschmack auf das Aussehen der Seitengalerie im Obergeschoss. © SZ/Veit Hengst
Stolz bei der Eröffnung: Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann, Kulturministerin Barbara Klepsch, Sammler Egidio Manzona und Kunstsammlungsdirektorin Marion Ackermann (v.l.).
Stolz bei der Eröffnung: Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann, Kulturministerin Barbara Klepsch, Sammler Egidio Manzona und Kunstsammlungsdirektorin Marion Ackermann (v.l.). © Foto: SZ/Veit Hengst

2016 hatte sich der Bielefelder Kunstsammler, Mäzen und Verleger Egidio Marzona (79) entschieden, sein Archiv der Avantgarden als Schenkung in die Obhut der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu geben. Es beinhaltet unter anderem eine große Design- und Möbelsammlung, Architekturkonvolute und eine reichhaltige Sammlung von Dokumenten, Briefen, Fotos, Skizzen und Zeichnungen, Plänen, Borschüren und vielen weiteren Objekten.

Schätzwert der Sammlung: 120 Millionen Euro

Ergänzt werden diese Materialien durch 1.000 Kunstwerke, Skulpturen, Gemälde und Design-Artefakte, unter anderem italienische Möbel und Glasobjekte aus der Ära der Siebziger und Achtziger. Der Wert der Sammlung wird auf 120 Millionen Euro geschätzt, doch bis sie vollständig wissenschaftlich erschlossen sein wird, dürften noch viele Jahre vergehen.

Das Blockhaus war als Neustädter Wache 1732 bis 1737 nach Plänen von Zacharias Longuelune errichtet worden und in seiner Geschichte mehrfach um- und neugebaut worden. Seit 1994 ist es im Besitz des Freistaates Sachsen. Durch das Elbehochwasser 2013 wurde das Blockhaus stark beschädigt und war danach nicht mehr nutzbar. Bis 2019 stand es leer. Hochwasserschutz war ein nicht unerheblicher Kostenfaktor des 29-Millionen-Euro-Umbaus. Drei Millionen kommen noch für die Gestaltung der Außenanlagen hinzu.