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Neue Chefin der Semperoper will mit "Klängen und Geschichten überwältigen“

Nora Schmid will als Intendantin in Dresden Oper machen, die "alles kann und alles darf". Es agieren auch Starschauspieler wie Martina Gedeck und Jan Josef Liefers.

Von Bernd Klempnow
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Die Schweizerin Nora Schmid, designierte Intendantin der Semperoper Dresden, am Donnerstag in ihrem künftigen Haus, im Rundfoyer. Sie ist nach Ulrike Hessler die zweite Frau, die den Musentempel leitet.
Die Schweizerin Nora Schmid, designierte Intendantin der Semperoper Dresden, am Donnerstag in ihrem künftigen Haus, im Rundfoyer. Sie ist nach Ulrike Hessler die zweite Frau, die den Musentempel leitet. © dpa

Nicht ein spezielles Logo oder ein besonderes typografisches System prägen das Erscheinungsbild der Semperoper von der neuen Intendantin Nora Schmid. Es ist der Halbsatz „Stell dir vor ...“, der durch Plakate und andere Werbemittel den Betrachter spätestens ab Sommer anregen soll, sich auszumalen, was da auf einen zukommen könnte: eine brillante Vorstellung, eine fesselnde, laute, leise, bunte, schrille, klassische und beeindruckende ...

Am Donnerstag präsentierte Nora Schmid ihre erste Spielzeit als Chefin des Musiktheaters. Ab der Saison 2024/25 wird die 45-Jährige für vorerst sechs Jahre das sächsische Flaggschiff leiten. Dieses „Stell dir vor …“ wird mit einer vielfarbigen Bildwelt kombiniert, die – wie Oper – ebenfalls alles kann und alles darf. Denn Oper sei ja auch eine visuelle Wundertüte, die nie von der Handschrift nur eines Künstlers geprägt sei.

Blick in den Zuschauerraum der Semperoper, dem Flaggschiff unter den sächsischen Theatern.
Blick in den Zuschauerraum der Semperoper, dem Flaggschiff unter den sächsischen Theatern. © dpa-Zentralbild

Die Saison ist reich an interessanten Vorhaben. Doch Projekte, die international oder deutschlandweit für Aufsehen sorgen könnten, sind dabei zunächst nicht auszumachen. Ambitioniert ist die Zahl von 14 Premieren. Zudem gibt es viele Themen- und Sonderveranstaltungen, die „zur Reflexion über aktuelle gesellschafts- und kulturpolitische Fragen“ anregen sollen. Deutlich ausgebaut wird die musiktheaterpädagogische Abteilung, die künftig „Aktiv!“ heißt und deutlich mehr Formate zur aktiven Teilnahme für unterschiedliche Altersgruppen anbietet. Zudem wird es Familienvorstellungen geben, in denen Kinder nur fünf Euro zahlen. Bei Senioren beliebt dürften die Mittagsvorstellungen werden.

Vom zauberhaften Märchen bis zur Science-Fiction-Oper

Schmid, einst Chefdramaturgin der Semperoper, bevor sie die Oper in Graz übernahm, will mit „Klängen und Geschichten überwältigen“. Dazu spannen sie und ihr Team einen Bogen, „der vom Barock bis in die Gegenwart, vom zauberhaften Märchen bis zur Science-Fiction-Oper“ reicht. Es geht um hart gekochte Eier, Orangen, Machthunger und ein Tanzgenie.

Zu ausgewählten Premieren: Zu ausgewählten Premieren: Am 28. September eröffnet die Dresdner Erstaufführung von Arrigo Boitos „Mefistofele“ die neue Spielzeit und lässt den Teufel „auf Himmel und Erde pfeifen.“ Für sein einziges vollendetes und heute selten gespieltes Musiktheaterwerk vertonte der italienische Komponist mit Hang zu Wagner und Verdi das Menschheitsdrama Faust I und II in Opernlänge. In den Hauptpartien dieser Produktion ist neben tollen Sängern die Schauspielerin Martina Gedeck zu erleben.

Hartgekochte Eier auf der Opernbühne

In das Privatleben des Komponisten lässt im November Richard Strauss’ bürgerliche Komödie mit sinfonischen Zwischenspielen „Intermezzo“ blicken und hören. Anlass für den Gesang auch über hart gekochte Eier ist die 100-jährige Wiederkehr der Uraufführung im Dresdner Schauspielhaus. Höchst turbulent soll es auch im Dezember in Sergej Prokofjews aberwitziger Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ zugehen, wenn den todtraurigen Prinzen ausgerechnet ein Missgeschick der bösen Zauberin Fata Morgana aus seiner Melancholie befreit. Mit Charles Gounods „Roméo et Juliette“ kehrt im Mai 2025 ein absoluter Opernklassiker zurück. Bereits sechs Monate nach der Pariser Uraufführung 1867 begeisterte die französische Opernadaption der Shakespeare’schen Liebestragödie das Publikum in Dresdens Hoftheater. Letztmals 1896.

Basierend auf Voltaires Satire „Candide ou l’optimisme“ schuf Leonard Bernstein Mitte der 1950er-Jahre in Form einer beißenden Operette die moderne Version von der Geschichte eines naiven Jünglings, der auf seiner Reise um den Globus abstruse Situationen geradezu anzieht. „Candide“ feiert im Mai in konzertanter Version Premiere. Loriots geistreiche Zwischentexte werden gesprochen von Starschauspieler Jan Josef Liefers – einst Tischlerlehrling in den Dresdner Theaterwerkstätten.

"Nijinsky"-Ballett vom Legende John Neumeier

Für das Ballett des Hauses bringt die neue Saison mit Kinsun Chan einen neuen Leiter. Der schweizerisch-kanadische Choreograf und Designer, „ein interdisziplinär interessierter Künstler“, bringt zuerst seine Choreografie „Wonderful World“ mit: Auf unstabilem Boden seien die Tänzer in dem abstrakt gehaltenen Tanzstück gefordert, unkontrollierte chaotische Momente in erlösende Befreiung zu verwandeln.

Ein Glücksfall dürfte im Januar 2025 die Premiere der Choreografie „Nijinsky“ von Ballettlegende John Neumeier werden. Diese kam vor 25 Jahren in Hamburg heraus und ist eine grandios inszenierte und ausgestattete Hommage an den Ausnahmetänzer Vaslav Nijinsky. Der war eng mit den Ballets Russes und mit der Geschichte des Tanzes in Dresden verbunden. Mit dieser Produktion gratuliert das von Schmid neu aufgestellte Haus der eigenen Company zum Gründungsjubiläum – vor 200 Jahren wurden die ersten Tänzer am Hoftheater fest engagiert.

Die Semperoper-Saison 2024/25

  • Anzahl der Semperoper-Plätze 1.309 und der künstlerischen Mitarbeiter 393 (ohne Verwaltung und Werkstätten).
  • Die Spielzeit 2024/25 bietet 14 Premieren. In der Oper zehn, davon in „Semper Zwei“ zwei, im Ballett vier, davon in „Semper Zwei“ eine und eine im Kleinen Haus.
  • Vier Uraufführungen und zwei Deutsche Erstaufführungen sind geplant. Zudem sind 23 Opern und vier Ballette im Repertoire zu erleben. Insgesamt spielt die Semperoper in der Saison 317 Vorstellungen (ohne die Veranstaltungen der Sächsischen Staatskapelle Dresden).
  • Zum 40. Jahrestag der Wiedereröffnung des Opernhauses gibt es am 15. 2. 2025 eine Matinee. Im Rundfoyer wird eine Sonderausstellung gezeigt.
  • Unter dem Titel „Stell dir vor …“ gibt Nora Schmid am 14. September dem Publikum mit Künstlern des Hauses einen musikalischen wie inhaltlichen Ausblick auf die kommende Saison.
  • Der Kartenverkauf beginnt am 10. April, 10 Uhr online über semperoper.de und über den Besucherservice. Verkaufsbeginn für Abonnenten ist der 19. März, 10 Uhr. www.semperoper.de/ihr-besuch