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"Piraten" entern das Dresdner Verkehrsmuseum

Niemand wurde verletzt, kein Schiff wurde versenkt. Aber fürs Publikum gibt es dennoch allerhand zu erbeuten in der neuen Sonderausstellung.

Von Birgit Grimm
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Weltreise über die Meere und segeln unter der Totenkopfflagge: Das Dresdner Verkehrsmuseum erzählt in seiner neuen Sonderausstellung die Geschichte der Piraterie.
Weltreise über die Meere und segeln unter der Totenkopfflagge: Das Dresdner Verkehrsmuseum erzählt in seiner neuen Sonderausstellung die Geschichte der Piraterie. © Amac Garbe

Am Eingang zur neuen Sonderausstellung des Verkehrsmuseums Dresden weht die Piratenflagge: weißer Schädel, gekreuzte Knochen auf schwarzem Grund. Dass Piraten unter der „Jolly Roger“ genannten schwarzen Totenkopfflagge seit den 1720er-Jahren andere Schiffsbesatzungen in Angst und Schrecken versetzen, erfährt man, sobald man an Bord geht. Da knarren die Bohlen der hölzernen Decks, die im (Meeres)-Blau gehalten sind. Zur perfekten Illusion fehlt jedoch das Schwanken der Planken. Besser ist das, soll doch keine Landratte seekrank werden auf dieser Reise über die Weltmeere. Piraterie gab und gibt es nicht nur in der verflucht-fluchenden Karibik bei Jack Sparrow, nicht nur im Atlantik, auch im Mittelmeer, im Indischen Ozean, in Ost- und Südostasien.

Auch Frauen segelten unter falscher Flagge

Herrlich unterhaltsam und interaktiv ist die Schau, und man lernt eine Menge dabei. Wissbegierige können durchaus fette Beute machen und beim Teilen derselben sie nicht wirklich wieder verlieren. Die einen basteln sich ihre eigene Piratenflagge, andere zeichnen Schatzkarten und finden einen Schatz. Körperliches Ausarbeiten funktioniert nur im Team, indem man zu zweit im Rudertakt ein Segelschiff einholt und es digital entert.

Doch der Reihe nach: Wer die Seeräuber-Jenny aus der Dreigroschenoper lediglich für eine Erfindung Bertolt Brechts hält, wird sich zunächst über die gendergerechten Ausstellungstexte wundern oder amüsieren. Konsequent ist die Rede von Piratinnen und Piraten. Doch die Sache ist ernst. Es gab in der Vergangenheit tatsächlich einige wenige Frauen, die in Männerkleidern auf Piratenschiffen anheuerten und sich so der Verfolgung oder einer Strafe an Land entzogen. An Bord spielte keine Rolle, wer man war und was man an Land getrieben, wen man bestohlen, wen getötet hatte oder vor wem man sich versteckte. Eine dieser tollkühnen Frauen wurde wegen ihres Erfolges legendär: die Chinesin Zheng Yisao. Die ehemalige Prostituierte aus Kanton heiratete 1801 den Piratenführer Zheng Yi und bekam von ihm zwei Söhne. Der Mann kam sechs Jahre später ums Leben. Geschah es in einem schweren Sturm? Im Kampf an der vietnamesischen Küste? Oder war es ganz anders? Was man hingegen genau weiß: Seine Witwe wurde die Führerin der größten Piratenflotte der Welt: Sie befehligte 1.000 Schiffe und 100.000 Mann. Als sie schließlich in den Ruhestand ging, eröffnete sie ein Casino und stieg in den Opiumschmuggel ein.

Ein Dresdner "Seeteufel" auf den Weltmeeren

Überhaupt sind die Lebensgeschichten der Piraten faszinierend. Ihre Gründe, auf den Weltmeeren andere Schiffe zu überfallen, sind vielfältig: Viele trieb der Wunsch, reich zu werden. Andere segelten im Auftrag von Königshäusern unter falscher Flagge. Und wieder andere konnten wohl einfach keinem Abenteuer widerstehen – wie der 1881 in Dresden geborene Felix Graf von Luckner. Schon als 13-Jähriger lief er von zu Hause fort und heuerte auf dem russischen Segler Niobe unter dem falschen Namen Phylax Lüdecke an. Später erwarb er das Kapitänspatent und wurde Seeoffizier.

Das legendäre Segelschiff "Black Pearl" steht als Modell in der Ausstellung.
Das legendäre Segelschiff "Black Pearl" steht als Modell in der Ausstellung. © Amac Garbe

Berühmt wurde von Luckner, als er als Kommandant des Hilfskreuzers Seeadler die britische Seeblockade durchbrach, indem er sein Schiff als norwegischen Frachter tarnte. In seinem 1920 erschienenen Buch „Seeteufel“ schildert er, wie er sechzehn feindliche Schiffen in nur einem Jahr aufbrachte, vierzehn davon ließ er versenken. Luckner vermarktete seine Heldentaten im Ersten Weltkrieg später weltweit auf Vortragsreisen und schrieb mehrere Bücher. Politisch hängte der Haudrauf und Abenteurer sein Fähnchen in den Wind. 1939 wurde er wegen Inzest und Missbrauch Minderjähriger angeklagt, aber nicht verurteilt. Luckner soll aber auch eine Jüdin vor der Deportation gerettet haben, und seinem persönlichen Einsatz verdankt die Stadt Halle an der Saale, dass sie bei ihrer Eroberung im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde.

Auch Jack Sparrow ist gewissermaßen in der Schau zugegen. Die legendäre Black Pearl, das Schiff, das er in „Fluch der Karibik“ kommandierte, steht als Modell in der Ausstellung. Landläufig bekannte Piratenfilme laufen – mit Wiedererkennungswert, aber ohne Ton – in einer zentralen Rauminstallation aus Segeln.

  • „Piraten“ – bis 5. Januar 2025 im Verkehrsmuseum Dresden. Augustusplatz. Geöffnet Di – So 10 – 18 Uhr, zusätzlich am Ostermontag und am Pfingstmontag.