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Hannelore Koch wird 70

Sie steht seit fast fünf Jahrzehnten auf der Bühne des Dresdner Staatsschauspiels. Nun wird Hanne Koch 70 – und denkt nicht dran, aufzuhören.

Von Johanna Lemke
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Hannelore Koch in "Der Kirschgarten".
Hannelore Koch in "Der Kirschgarten". © Sebastian Hoppe

Auf den Frühling ist sie vorbereitet. Hochbeete hat Hannelore Koch schon gebaut und gute Erde herangeschafft, damit das Gemüse in der „märkischen Sandbüchse“ wachsen kann. Da, wo ihr Häuschen steht, nördlich von Berlin. Hier lebt sie seit dem Beginn von Corona, „zur Sicherheit und um die Jahreszeiten endlich mal ganz zu erleben. Es ist wunderbar“, sagt Hannelore Koch am Telefon.

„Wunderbar“ – ein Wort, das sie im Laufe des Gesprächs immer wieder sagen wird, es zeugt von großer Dankbarkeit. Sie sagt: „Es ist ein Luxusleben, Theater zu spielen.“ Ein Theaterleben, das vor allem auf der Bühne des Dresdner Staatsschauspiels stattfand. Seit 1973 ist Hannelore Koch dort zu sehen, mit einem Ausflug an die Volksbühne Berlin, von der sie aber nach der Wende wieder zurück nach Dresden wechselte. Seit fünf Jahren ist sie offiziell in Rente, wovon die Zuschauerinnen und Zuschauer aber wenig mitbekommen haben dürften, denn Hannelore Koch kommt gern als Gast zurück. An diesem Montag wird sie 70. Immer wenn sie das sagt, muss sie lachen: „Ich fühle mich nicht so.“

Hannelore Koch in "Adam und Eva" von Peter Hacks, Uraufführung 1973 am Staatsschauspiel Dresden.
Hannelore Koch in "Adam und Eva" von Peter Hacks, Uraufführung 1973 am Staatsschauspiel Dresden. © Historisches Archiv der Sächsischen Staatstheater,

1973, mit „Adam und Eva“ von Peter Hacks begann ihre Karriere. Hanne Koch, wie sie alle nennen, war noch Studentin an der Schauspielschule in Berlin und durfte schon mit Regisseur Klaus Dieter Kirst arbeiten. Damals gab es viele ältere Kollegen am Haus, erzählt sie. Ein paar Monate habe es gedauert, bis ihr einer von denen sagte: „Das ist schön, was du hier machst.“

„Wenige beherrschen ihr Handwerk“

Kirst bezeichnet sie heute als einen ihrer wichtigsten Lehrer, neben Wolfgang Engel und Horst Schönemann. Von ihnen hat sie ihr Handwerk gelernt, von dem sie bis heute zehrt – und das sie gern an Jüngere weitergibt. „Die Schauspieler haben heutzutage viel zu tun, aber sie werden nicht mehr aufgebaut. Es gibt immer weniger, die souveränes Handwerk beherrschen“, findet Hannelore Koch . Viele seien dankbar, wenn sie ihnen Tipps gibt, „schauspielerische Hilfeleistungen“, wie sie sagt. Wie man die Stimme einsetzt, Text vom Partner abnimmt, solche Dinge.

Mit Christian Friedel in „Hamlet“.
Mit Christian Friedel in „Hamlet“. © Historisches Archiv der Sächsischen Staatstheater,

Hannelore Koch hat sie erlebt, diese spannende Zeit des DDR-Theaters vor der Wende. Als unter jedem Text eine weitere, ungesagte Tonspur lag. „Wir wussten, wogegen wir waren“, sagt sie, „und wir hatten eine gemeinsame Sprache mit dem Publikum“. Ende der 80er ging sie kurz an die Volksbühne in Berlin, doch als 1991 Frank Castorf das Theater übernahm, trennte er sich von einem Großteil des Ensembles. Koch kehrte beruflich nach Dresden zurück – doch zu Hause blieb sie in Berlin. „Ich bin nicht patriotisch oder so, aber an Berlin hänge ich.“ Tatsächlich setzte sie sich jeden Abend nach der Vorstellung ins Auto und fuhr nach Berlin. Zu ihrem Mann, dem Schauspieler Daniel Minetti, und den Kindern. „Das war eine anstrengende Zeit“, sagt sie im Rückblick, „irgendwann hatte ich so was wie ein Burn-out.“

„Ich bin glücklicher als vorher“

Heutzutage ist es üblich, dass Schauspieler kaum mehr als einige Spielzeiten an einem Theater bleiben. Hannelore Koch gehörte zu jenen, die für Beständigkeit sorgten. Sie bildete sozusagen die Basis für einen ständigen Wechsel von Intendanten und Ensemble. In den vergangenen Jahren war sie immer wieder in den großen Dresdner Inszenierungen zu sehen: „Der zerbrochne Krug“, „Jeder stirbt für sich allein“, „Der Kirschgarten“. In über 100 Vorstellungen spielte sie neben Christian Friedel in „Hamlet“. Auch für dessen „Macbeth“ ist sie eingeplant – die Premiere wurde wegen Corona auf die Spielzeit 2022/23 verschoben. Hannelore Koch lacht: „Ich habe zu Christian gesagt: Wer weiß, ob ich da noch lebe!“

Man hat daran keinen Zweifel, denn wie sagt sie selbst: „Ich bin glücklicher als vorher“. Das Gute am Altern sei, „dass man nicht mehr alles so ernst nimmt“. Die Sache mit dem Landleben, die betreibt sie allerdings mit großem Ehrgeiz: „Ich hacke Holz mit einer Spaltmaschine und baue Regale – es ist wunderbar.“