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Was Güttler Junior in Dresden vorhat

Michael Güttler eröffnete wieder das Konzertjahr der Frauenkirche am Neujahrstag mit „Messias“. Er musizierte mit dem Ensemble seines Vaters Ludwig.

Von Bernd Klempnow
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Beherrscht mehrere Instrumente und fünf Sprachen exzellent, ist aber als Dirigent ziemlich unschlagbar: Michael Güttler. Er ist eines von fünf Kindern des legendären Dresdner Trompeters Ludwig Güttler.
Beherrscht mehrere Instrumente und fünf Sprachen exzellent, ist aber als Dirigent ziemlich unschlagbar: Michael Güttler. Er ist eines von fünf Kindern des legendären Dresdner Trompeters Ludwig Güttler. © privat

Traditionell und wieder stark gefeiert hat am Neujahrstag das neue Konzertjahr der Dresdner Frauenkirche mit Händels Opus magnum – dem Messias – begonnen. Seit 2009 geschieht das, und doch ist es seit zwei Jahren neu: Denn in den Jahren zuvor hatte der Trompeter Ludwig Güttler dieses Oratorium, das einem umfassenden Glaubensbekenntnis gleichkommt, aufgeführt. Seit 2023 nun leitet dessen Sohn Michael Güttler dieses Konzert. Der an ersten Häusern wie der Wiener Staatsoper, der Scala in Mailand und am Teatro Real de Madrid agierende Künstler musizierte jetzt in Dresden unter anderem mit einem der Ensembles seines Vaters: den Virtuosi Saxoniae aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle. Übernimmt der 58-Jährige jetzt die Positionen und Klangkörper vom Vater, der nun 80-jährig im Ruhestand ist? „Ich habe mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, dass der ,Messias’ 2023 so gut ankam, dass ich wieder eingeladen wurde. Aber es ist keine Staffelstab-Übergabe geplant, so Michael Güttler: „Ich stelle mich nicht auf die Schultern meines Vaters.“

Ist eine Trompeter-Legende, Ludwig Güttler. Der Dresdner ist nun 80-jährig im Ruhestand ist.
Ist eine Trompeter-Legende, Ludwig Güttler. Der Dresdner ist nun 80-jährig im Ruhestand ist. © dpa-Zentralbild

Das hat der Künstler, der in Dresden studiert hat und sich als Dresdner fühlt, nie gemacht. Sein Talent war mit Preisen bei wichtigen Wettbewerben ab den 1990er-Jahren unübersehbar. Am Beginn der internationalen Karriere standen einige aufsehenerregende Einspringen für Valery Gergiev mit dem „Ring“ und „Parsifal“ am Mariinsky-Theater. Von 1998 bis 2002 war er der jüngste Chefdirigent Österreichs am Stadttheater Klagenfurt. Er sagt: „Vater hat nie mit seinen Kontakten geholfen, und das war im Rückblick gut so. Allerdings war der Name Güttler anfangs eher hemmend: Andere mussten sich einen Namen verdienen, ich mir meinen Vornamen.“

Der Reiz der Virtuosen der Staatskapelle

Weitere Chefpositionen hatte Michael Güttler an Opernhäuser in Ekaterinburg und Helsinki inne. Lang und vertrauensvoll war seine Zusammenarbeit mit Anna Netrebko, mit der er jetzt, seit sie sich vom Krieg gegen die Ukraine distanziert hat, wieder musizieren wird. Und derzeit verfügt er am Staatstheater Wiesbaden über eine Art Card Blanche und wird hier unter anderem das halbe Wagner-Fach leiten. Man hatte ihm in Wiesbaden die GMD-Stelle angeboten, doch „hätte ich zu viele Kompromisse machen müssen, dazu bin ich nicht mehr bereit“. Da ähneln sich Vater und Sohn: im Kämpfen für Qualität, die bei ihnen allererste Liga garantiert, und in einer gewissen Rastlosigkeit. Im Zweifel bedeutet das für Michael, dass er als freier Dirigent unterwegs ist, statt als General an einem großen Haus, was das Leben der fünfköpfigen Familie erleichtern würde.

Und wäre da nicht Dresden, wären da nicht die Virtuosi Saxoniae eine Option? Sicher, sein Repertoire ist sehr umfangreich, die exzellente Mehrsprachigkeit und langjährige Tätigkeit an italienischen, russischen und französischen Häusern machen ihn vor allem zu einem Top-Maestro in der Oper. Doch er ist auch vielseitig, beschäftigt sich mit Barock- bis zur zeitgenössischen Musik. Trotzdem sagt er: „Eine Weiterführung der Virtuosi kommt schon mit dem für sie typischen Repertoire mit Musik am Dresdner Hof im 18. Jahrhundert nicht infrage.“ Allerdings reize ihn das kammermusikalische Wirken durchaus etwa mit Werken von Bach und eben Oratorien. „Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist da, aber konkret ist sie nicht – noch!“