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Swans live in Dresden: Ein Konzert der Superlative im Beatpol

Die New Yorker Band Swans leistete im Dresdner Beatpol Schwerstarbeit und verlangte zugleich auch dem Publikum einiges an Stehvermögen ab.

Von Andy Dallmann
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Am Montag servierte die New Yorker Band Swans im fast ausverkauften Dresdner Beatpol ihr aktuelles Konzertprogramm.
Am Montag servierte die New Yorker Band Swans im fast ausverkauften Dresdner Beatpol ihr aktuelles Konzertprogramm. © Andy Dallmann

Die erste messbare Publikumsreaktion gab es nach einer halben Stunde. Aus der Mitte der ansonsten wie in Trance verharrenden Masse schob sich langsam eine Faust nach oben. Ein Zeichen, das Hunderte drumherum als eine Art kollektives Stellvertreter-Freuden-Signal abnickten und für völlig ausreichend empfanden.

Diese einsame Faust hielt sich wacker noch ein paar Minuten über allen Köpfen, in den folgenden zwei Stunden kochte sogar manchmal richtiger Jubel hoch. Und am Ende blitzte mit dem eingeschalteten Saallicht etwas auf, dass sich zugleich nach Erschöpfung, Erlösung und Erhabenheit anfühlte.

Am Montag servierte die New Yorker Band Swans im fast ausverkauften Dresdner Beatpol ihr aktuelles Konzertprogramm, das sich im Wesentlichen aufs Material des 2023er-Albums „The Beggar“ stützte. Bandgründer und -kopf Michael Gira saß dem Ganzen nicht nur als singender Frontmann vor, er kommandierte seine Truppe in bester Christian-Thielemann-Manier und ließ gelegentlich die mit nur einer Hand gespielte Gitarre wie einen überdimensionierten Colt wirken.

Ohne sichtbare Erregung schoss er aus der Hüfte ein eher harmloses Saiten-Plickern ab, die Kollegen bauten derweil auf sein Kopfnick-Geheiß klingende Stahl-Monolithen darunter, die umgehend in die Luft gejagt und neu aufgebaut wurden. Ob das Avantgarde-Rock, Krach-Kunst oder doch irgendwas mit Drone-Sounds ist, interessierte am Montag keinen. Die sich monumental wie episch windenden Wummer-Cluster sind das Alleinstellungsmerkmal dieser Band, die selten zartes Gespinst mit Flötenspiel fabriziert, elegante Melodien bevorzugt hinter dicken Fassaden versteckt.

Blanker Horror und strahlender Glanz

In den furiosesten Momenten, wenn Gira fuchtelnd Klanggrenzen sprengen ließ, lagen blanker Horror und strahlender Glanz förmlich übereinander. Sobald der Bierbecher in der Hand vibrierte und die Magenwände flatterten, mutierte die Musik vom Hörgenuss zu einem ganzkörperlichen Erlebnis. Das muss man schon wollen und aushalten können. Ganz besonders, wenn die Band an diesem Abend weit über eine Stunde am Stück durchzieht und es insgesamt mit minimalen Unterbrechungen auf zweieinhalb Stunden Show-Laufzeit bringt.

Während die Mehrheit der Beatpol-Gäste gerüstet war, in den Ohren also Stöpsel, Zellstoff oder App-gesteuerte Hightech-Teile verbaut hatte, tauchten Dutzende mit blankem Trommelfell ins Gehämmer ein, manche filterten gar Tanzmusik heraus und ließen ihre Körper im Basswind treiben.

Apropos Bass: Den gab es oft doppelt. Rissen Dana Schechter und Christopher Pravdica vereint an den dicken Saiten, ließ Kristof Hahn dazu seine Lap-Steel-Gitarre kräftige Schlieren ziehen, rumste es stets wundervoll. Dazu Orgel-Ächzen, präzise knallendes Schlagwerk und nicht zuletzt Michael Giras Stimme. Derartig durchdringend deklamierte er seine abgründig-poetischen Verse, dass er damit alles dominierte. So ließ der Hohepriester seiner eigenen Klangrauschreligion in Dresden wieder mal eine beseelte Gemeinde zurück.