SZ + Dresden
Merken

Prozess um den tragischen Tod eines Babys in Dresden

Eine 42-jährige Ärztin aus Dresden soll für die Komplikationen bei der Geburt eines Jungen verantwortlich sein. Nun stand die Frau vor dem Amtsgericht Dresden.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In Dresden ist am Dienstag über den Tod eines Babys verhandelt worden. Das Kind kam wegen Sauerstoffmangels mit schweren Hirnschäden zur Welt.
In Dresden ist am Dienstag über den Tod eines Babys verhandelt worden. Das Kind kam wegen Sauerstoffmangels mit schweren Hirnschäden zur Welt. © picture alliance/dpa/Swen Pförtner (Symbolbild)

Dresden. Es müssen die schlimmsten Stunden für die Mutter gewesen sein: Am 23. Juli 2021 wird ihr Sohn Alexander für tot erklärt. Nur gut zwei Wochen, nachdem das Baby in einer Dresdner Klinik zur Welt gekommen war. Am Dienstag ging es in einem Prozess gegen die verantwortliche Ärztin am Amtsgericht Dresden darum, ob ein rechtzeitig durchgeführter Kaiserschnitt das Leben des Jungen hätte retten können.

Rückblick: Es war der 6. Juli 2021, die Mutter lag in den Wehen. Als die verantwortliche Gynäkologin im Kreißsaal eintraf, soll das CTG bereits seit einer halben Stunde eine bedenkliche Herzfrequenz des ungeborenen Kindes angezeigt haben. Die Hebamme, die sich um die Mutter kümmerte, habe die Frequenz als "suspekt bis pathologisch" eingeschätzt und der Ärztin einen sofortigen Kaiserschnitt nahegelegt, schilderte die Staatsanwaltschaft jenen schicksalshaften Tag.

Vorwurf: Kaiserschnitt hätte Leben des Babys gerettet

Doch die Ärztin habe die Indikation dafür nicht erkannt, stattdessen noch ein Medikament verordnet, das die Wehen verstärkte. Erst um 6.22 Uhr - fast eine Stunde nach der Medikamentengabe - wurde schließlich der geforderte Notkaiserschnitt durchgeführt.

25 Minuten musste Alexander daraufhin reanimiert werden. Aufgrund eines Sauerstoffmangels im Mutterleib setzte die spontane Atmung nicht ein, beschrieb die Staatsanwältin die Minuten, in denen Mütter normalerweise ihr Baby zum ersten Mal im Arm halten dürfen. Von Geburt an sei der Junge auf lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen gewesen und musste intensivmedizinisch betreut werden. Schließlich wurde 17 Tage nach dem Kaiserschnitt entschieden, die Maschinen abzustellen.

Mit einem rechtzeitig durchgeführten Kaiserschnitt hätte aus Sicht der Staatsanwaltschaft der Hirnschaden, der Tod und auch der Gebärmutterriss, den die Mutter bei der Entbindung erlitt, höchstwahrscheinlich verhindert werden können, so der Vorwurf gegenüber der Ärztin. Die 42-jährige Angeklagte erhielt 2022 einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung - acht Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung.

Richter zur Mutter: "Ich hoffe, dass Sie auch persönlich einen Abschluss finden"

Dagegen ging die Medizinerin vor, weshalb der Fall am Dienstag noch einmal aufgerollt wurde. Das fand allerdings hinter verschlossenen Türen in Form eines Rechtsgesprächs der Beteiligten statt. In der nicht-öffentlichen Erörterung wurde ein sachverständiger Gynäkologe gehört, der den Fall begutachtet hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass der Angeklagten nur ein geringes Maß an Pflichtverletzung anzulasten sei.

Das Ergebnis: Die Ärztin wurde nicht verurteilt. Das Gericht vernahm auch keine Zeugen mehr, sondern stellte das Verfahren vorläufig ein. Details und Diskrepanzen zwischen der Anklage und dem Ergebnis des Sachverständigen wurden nicht mehr erörtert. Die Angeklagte hatte zugestimmt, eine Geldauflage von 13.500 Euro an die Mutter sowie weitere 5.000 Euro an die Staatskasse zu zahlen. Sobald die Auflage beglichen ist, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Die 42-Jährige behält auch strafrechtlich eine weiße Weste.

"Ich hoffe, dass der Abschluss dieses Verfahrens bedeutet, dass Sie auch persönlich einen Abschluss finden", sagte Richter Thomas Hentschel am Ende zu der weinenden Mutter. Sie hatte als Nebenklägerin an dem Verfahren teilgenommen. Auch mit dieser Entscheidung stehe es seiner Mandantin frei, zivilrechtlich gegen die Ärztin vorzugehen, sagte Christian Hermann, der Anwalt der Nebenklägerin.