Dresden
Merken

Tod nach Diagnose "Magen-Darm-Grippe" - zwei Ärztinnen in Dresden angeklagt

Eine 67-Jährige starb an den Folgen eines Darmverschlusses. In der Notaufnahme war etwas anderes diagnostiziert worden. Zwei Ärztinnen standen nun in Dresden vor Gericht.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Obwohl sie sich zweimal in einer Dresdner Notaufnahme vorstellte, wurde bei einer 67-Jährigen ein Darmverschluss nicht erkannt. Deshalb standen nun zwei Medizinerinnen vor Gericht.
Obwohl sie sich zweimal in einer Dresdner Notaufnahme vorstellte, wurde bei einer 67-Jährigen ein Darmverschluss nicht erkannt. Deshalb standen nun zwei Medizinerinnen vor Gericht. © Hauke-Christian Dittrich/dpa (Symbolbild)

Dresden. Der tragische Tod einer 67-Jährigen hat am Dienstag das Amtsgericht beschäftigt. Die Frau hatte sich an einem Tag im März 2021 in einer Dresdner Notaufnahme vorgestellt und über Schwindel, Übelkeit und Erbrechen geklagt. Außerdem litt sie seit Tagen unter Verstopfung. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten eine "Magen-Darm-Grippe", also eine Magen-Darm-Entzündung, empfohlen ihr, sich zu schonen, viel zu trinken und schickten sie wieder nach Hause.

Am nächsten Tag suchte die Erkrankte abermals die Notaufnahme auf, nachdem sich die Symptome in der Nacht verschlimmert hatten. Zwar kamen die Mediziner zum selben Schluss, nahmen die Frau auf ihren Wunsch aber stationär auf. In der darauffolgenden Nacht starb die 67-Jährige schließlich an den Folgen eines Darmverschlusses, wie eine später durchgeführte Obduktion ergab.

Trotz Darmverschlusses keine Beschwerden bei Untersuchung

Angeklagt waren die diensthabende Fachärztin sowie eine Ärztin in Weiterbildung, die die Verstorbene mit behandelt hatte. Die Staatsanwaltschaft warf beiden vor, fahrlässig gehandelt zu haben, indem sie nicht die richtige Diagnose stellten. Dass sie wegen Körperverletzung vor Gericht standen und nicht wegen Tötung, lag wohl daran, dass bereits im Vorfeld ein Gutachten ergeben hatte, dass die Frau auch bei rechtzeitig eingeleiteten Maßnahmen nicht die besten Chancen hatte, zu überleben. Das Gericht hatte damit zu klären, ob die falsch gestellte Diagnose das Leid der Patientin verschlimmerte.

Dass es sich um einen außergewöhnlichen Fall an jenen Tagen vor zweieinhalb Jahren handelte, machte ein Gutachter deutlich. In den meisten Fällen klagten Patienten über heftige Schmerzen, wenn es zu einem Darmverschluss komme, daraufhin Kot in die Bauchhöhle austritt und sich das Bauchfell entzündet.

Dies sei bei der 67-Jährigen nicht der Fall gewesen. Im Gegenteil: Als sie in der Notaufnahme war, sei sie sogar beschwerdefrei gewesen, schilderte die Fachärztin den Fall. Aus Sicht des Gutachters waren auch die Laborwerte nicht besorgniserregend. Und die grundlegende Ursache für den Verschluss, eine Darmverdrehung, sei selten und mache sich vor allem im frühen Kindheitsalter bemerkbar. Im hohen Erwachsenenalter sei dies selten. Somit habe man zu der Diagnose Magen-Darm-Entzündung kommen können.

Freispruch für beide Ärztinnen

Was der Experte den behandelnden Ärztinnen aber ankreidete, war, dass sie keine radiologische Diagnostik, ein Röntgen oder CT, veranlassten und somit nicht die wahre Ursache für die Beschwerden entdecken konnten. Denn bei der seit Tagen anhaltenden Verstopfung hätten sie hellhörig werden und auch einen Darmverschluss in Betracht ziehen müssen.

Ob die 67-Jährige überlebt hätte, wenn diese Untersuchung stattgefunden hätte und eine OP eingeleitet worden wäre, ist unklar. Laut Gutachter seien die Überlebenschancen jedoch nicht sehr hoch, wenn es einmal zu einer schweren Bauchfellentzündung gekommen sei. Die Frau hätte außerdem noch Tage nach dem Eingriff unter starken Schmerzen gelitten.

Die Richterin folgte am Ende dem Staatsanwalt, der wie die Verteidiger nach der Anhörung des Gutachters einen Freispruch forderte. Die Schmerzen wären auch mit sachgemäßer Behandlung wahrscheinlich nicht gelindert worden.