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Dresdens Straßenbahn wird elektrisch

In Sachsens Landeshauptstadt hat die Straßenbahn Kultstatus. Als vor 130 Jahren die erste elektrisch angetriebene Bahn rollte, standen die Menschen staunend an der Strecke.

Von Ralf Hübner
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Die erste Dresdner Straßenbahnlinie führte aus dem Zentrum bis zum Schillerplatz. Hier eine Postkarte um 1900.  Bild: Sammlung H. Naumann
Die erste Dresdner Straßenbahnlinie führte aus dem Zentrum bis zum Schillerplatz. Hier eine Postkarte um 1900. Bild: Sammlung H. Naumann © Sammlung H. Naumann

Dresden. Die Dresdner Straßenbahn macht wieder von sich reden. Die neuen Straßenbahnzüge punkten mit großen Panoramafenstern, innovativer Beleuchtung und einer Klimaanlage. Schon vor 130 Jahren war die Straßenbahn indes in aller Munde, als am 5. Juli 1893 die erste elektrische Bahnlinie der Stadt in Betrieb ging. Die neuen elektrisch angetriebenen Bahnen starteten am Abend am Schloßplatz in Richtung Schillerplatz. Prominenz hatte sich eingefunden: Neben Oberbürgermeister Paul Alfred Stübel erschienen Stadtverordnete, Vertreter der Amts- und Kreishauptmannschaft, der Sächsisch-Böhmischen Dampfschifffahrtsgesellschaft und der Firma Siemens und Halske. „Zu dieser Probefahrt hatte die Direktion fünf festlich bekränzte Wagen anfahren lassen, welche im Abstand von je 250 Meter pünktlich um sechs Uhr die westliche Endstation, zunächst der großen Terrassentreppe, verließen und binnen 22 Minuten die 6,4 Kilometer lange Strecke bis zum Schillerplatz befuhren“, schrieb das Dresdner Journal. Bei schneller Durchfahrt würde nur eine Zeit von 16 bis 17 Minuten gebraucht.

An der Strecke und an den Haltepunkten hatten sich Zuschauer eingefunden. In Blasewitz gab es für die Gesellschaft im Schillergarten einen Imbiss, es wurden Reden gehalten. „Die ganze Tour kostet 20 Pfennige“, schrieb der Reporter. Diese sei „ganz bezaubernd wegen der Darbietung einer überaus lieblichen Fahrt durch die ländlichen Schönheiten der Umgebung Dresdens, da der Loschwitzer Höhenzug sich einem Panorama gleich sich vor dem Beschauer aufrollt.“

Elektrischer Straßenbahnbetrieb für Dresden aus Berlin

“Pferdebahnen waren in Dresden schon seit 1872 unterwegs. Die erste Strecke führte von Blasewitz zum Pirnaischen Platz im Zentrum der damals 180.000 Einwohner zählenden Stadt und wurde später bis nach Plauen verlängert. Doch die Bevölkerung wuchs immer weiter. Dem waren die Pferdebahnen auf Dauer nicht gewachsen. Deshalb sahen sich die Verkehrsunternehmen ab Ende der 1880er-Jahre nach neuen Antriebsmöglichkeiten um. Dabei rückte die Elektrizität immer mehr in den Blick. Der Erfinder Werner von Siemens hatte 1879 auf der Berliner Gewerbeausstellung erstmals eine elektrisch betriebene Schienenbahn vorgestellt.

1891 überzeugte dann das Unternehmen Siemens & Halske in Berlin mit der ersten öffentlichen, elektrifizierten Straßenbahnlinie der Welt. Ab 1892 baute es im Auftrag der „Deutschen Straßenbahngesellschaft“ auch in Dresden den elektrischen Straßenbahnbetrieb auf. Dazu wurde in der Johannstadt zunächst eine mit zwei Kesseln und zwei Dampf-Dynamomaschinen ausgestattete Energiestation errichtet. Eine Oberleitung wurde gezogen. Die Strecke, die spätere Linie 18, führte vom Schloßplatz über das Terrassenufer, die Sachsenallee und die Pfotenhauer Straße zum Schillerplatz in Blasewitz und wurde wenig später über die fertiggestellte Loschwitzer Brücke, das Blaue Wunder, bis zum Körnerplatz in Loschwitz verlängert.

Noch vor dem offiziellen Betriebsbeginn testete am 26. Juni König Albert im Wagen mit der Nummer 100 bei einer Probefahrt die Bahn. Für den Fahrbetrieb standen zunächst zwölf Triebwagen mit je 14 Sitz- und 16 Stehplätzen bereit. Hinzu kamen neun offene Sommerwagen als Anhänger mit je 50 Plätzen. Zeitweilige Experimente mit einer unterirdischen Stromzuführung oder gar Akkumulatoren wurden später aufgegeben.

1894 begann auch der zweite Dresdner Straßenbahnbetreiber – die britische Tramways Company hatte sich in das deutsche Unternehmen „Dresdner Straßenbahn“ gewandelt – auf Strom umzustellen. Um 1900 fuhr die Straßenbahn in Dresden schließlich komplett elektrisch. Fünf Jahre später übernahm die Stadt die beiden Straßenbahngesellschaften und legte nun Tarife, Linien und Strecken selbst fest.

Neue Straßenbahntypen wurden entwickelt und auf die Schiene gebracht. MAN-Triebwagen brachten allmählich auch etwas Komfort wie eine elektrische Heizung, die eine Fahrt auch im Winter angenehmer machen sollte. Die Plattformen mit den Führerständen wurden verglast. Die Fahrer waren so Wind und Wetter nicht mehr direkt ausgesetzt. Im Herbst 1931 kam der erste vierachsige „Große Hecht“ auf die Schiene. Der 15 Meter lange Wagen erregte Aufsehen. Den Namen verdankte er den stark zugespitzten Front- und Heckteilen, mit denen die Wagen auch in engen Kurven aneinander vorbeifahren konnten.

Der Ingenieur Alfred Bockemühl hatte den Hecht zusammen mit dem Sachsenwerk und der Waggonfabrik Niesky entwickelt. Der Fahrer saß jetzt in einer beheizbaren Kabine und bediente die Bahn per Knopfdruck statt mit der bis dahin üblichen Kurbel. Der Hecht, von dem ab 1934 noch eine kleine Version herauskam, war mit Stahlrohrsitzen im Bauhausstil ausgestattet. Hechtwagen rollten noch bis in die 1970er-Jahre durch Dresden.Ab 1962 fuhren dann neue Großraumwagen aus Gotha durch Dresden. Doch sie waren für die steile Strecke nach Bühlau ungeeignet. Und so wurden Triebwagen des tschechoslowakischen Herstellers Tatra getestet. Die Triebwagen kamen fortan aus der CSSR. Die letzten dieser Tatra-Züge rollten erst vor Kurzem endgültig auf das Abstellgleis.