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Dresdner Haus des Buches: Literatur und Propaganda

Lesen hat in Dresden eine Adresse: das Haus des Buches. Vor 55 Jahren wurde es eröffnet. Dabei war in der DDR so manches Buch Bückware, und die Menschen mussten Schlange stehen oder Beziehungen haben.

Von Ralf Hübner
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"Das modernste seiner Art". Das Dresdner Haus des Buches an der Ernst-Thälmann-Straße am Abend. Links die HO-Gaststätte "Am Zwinger".
"Das modernste seiner Art". Das Dresdner Haus des Buches an der Ernst-Thälmann-Straße am Abend. Links die HO-Gaststätte "Am Zwinger". © Archivfoto

Dresden. Dresden ist eine Bücherstadt. Auch wenn die Stadt in Sachen Literatur und Buchverlage immer etwas hinter Leipzig zurückstand – lesefreudig waren und sind die Dresdner allemal. Vor 55 Jahren öffnete am 1. Juli 1968 an der damaligen Ernst-Thälmann-Straße, der heutigen Wilsdruffer Straße, das Haus des Buches.„Das neue Objekt wird mit einer Ladenfläche von 1.800 Quadratmetern das derzeitig größte und modernste seiner Art in der Republik sein“ schrieb die Sächsische Zeitung kurz vor der Eröffnung des Hauses. Besonders hervorzuheben sei neben der komfortablen Inneneinrichtung, die die Deutschen Werkstätten in Hellerau besorgt hatten, das Bemühen der Projektanten und Architekten um „zweckentsprechende Lösungen“.

Buchhandlungen in der DDR-Zeit

Autogrammstunde mit Schriftstellern: von links Herbert Friedrich, Kurz David und Jurij Brezan.
Autogrammstunde mit Schriftstellern: von links Herbert Friedrich, Kurz David und Jurij Brezan. © Foto: SZ/Brigitte Anklam

Damit waren offensichtlich Neuerungen gemeint, die im DDR-Buchhandel bis dahin nicht üblich waren. So wird die offene Verkaufsform gelobt, bei der der Kunde Zutritt zu den Regalen habe, und der kassenzettellose Verkauf, durch den „Stauungen“ im Käuferstrom weitestgehend vermieden werden sollen, wie es hieß. Für „literaturpropagandistische Veranstaltungen“ stehe ein Raum mit 120 Plätzen zur Verfügung. Eine weitere Novität: Erstmals gebe es eine zentrale Informationsstelle, die mit der Bestellabteilung gekoppelt sei. Dort könnten Auskünfte zum Buchangebot in allen Dresdner Buchhandlungen erteilt und Bestellungen aufgenommen werden.

Mit der Eröffnung des Hauses des Buches wurde eine andere Buchhandlung am Altmarkt in einen Kunstsalon verwandelt, wo neben Schallplatten und Büchern im ersten Stock auch Reproduktionen gehandelt wurden. Zudem gab es im Stadtzentrum noch das „Internationale Buch“ als weitere Buchhandlung.

Der DDR-Buchhandel hatte jedoch immer auch ideologische Funktion. Häuser des Buches wurden damals in allen Bezirksstädten der DDR eingerichtet. Ab Mitte der 1950er-Jahre wurde der private Buchhandel zunehmend durch den staatlichen Volksbuchhandel verdrängt, wie Dietrich Löffler in seinem Buch „Buch und Lesen in der DDR“ schreibt. Ab den 1960er-Jahren wurden den einzelnen Buchhandlungen spezielle Aufgaben zugewiesen. So hatten nur die Häuser des Buches in den Bezirksstädten das gesamte Buchangebot und einen „umfassenden Kundendienst“ anzubieten. Die Kreisbuchhandlungen, die sich meist in eher ländlichen Regionen oder Industriegebieten befanden, sollten einen begrenzten Kundendienst „entsprechend den Bedürfnissen der Bevölkerung“ oder – bei den Betriebsbuchhandlungen – der Werktätigen aufbauen.

Das Dresdner Haus des Buches nahm zwei Etagen ein. Der siebengeschossige Stahlbetonskelettbau mit vorgehängter Stahl-Aluminium-Glas-Fassade war von 1966 bis 1968 nach Plänen der Architekten Heinz errichtet worden.

Die Ladengeschosszeile war mit Lausitzer Granit verkleidet. Mit dem Haus kam der Wiederaufbau der Ernst-Thälmann-Straße nach dem Krieg an ihrem Südende zum Abschluss. Die Straße war als Magistrale mit einer Breite von 46 bis 61 Meter konzipiert worden. Sie sollte Geschäfts-, Fest- und Demonstrationsstraße in einem sein. Die Bebauungslinie der südlichen Straßenseite wurde dabei von der Vorkriegsbebauung weitgehend beibehalten. Die Bauarbeiten hatten 1954 mit der Enttrümmerung begonnen.

Neben dem Haus des Buches bot in dem neuen Gebäude unter anderem auch das Autohaus „Start“ seine Dienste an. In den Büros arbeiteten damals etwa 950 Mitarbeiter des staatseigenen Betriebes VEB Komplette Chemieanlagen. An der Dachkante war deshalb ein farbiges C in einem angedeuteten vieratomigen Molekül zu sehen. Nach 1990 wurde das Zeichen durch den blauen Schriftzug „Linde AG“ ersetzt. Deshalb wurde das Haus dann auch „Linde-Haus“ genannt. 2009 wurde es für einen Erweiterungsbau der Altmarktgalerie abgerissen.

Schon im September 1999 war das Haus des Buches von der Wilsdruffer Straße an den Dr.-Külz-Ring gezogen. 2007 wurde das Unternehmen „Buch und Kunst GmbH“, zu dem auch das Haus des Buches gehörte, vom Buchhandelsunternehmen Thalia übernommen. Der Name blieb und mit mehr als 2.000 Quadratmeter Fläche ist das Geschäft bis heute eine der größten Buchhandlungen Ostdeutschlands.