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In 100 Minuten an die Ostsee: Als Lufthansa wieder ab Dresden flog

Dresden ist eine Stadt mit Luftverkehr. Vor 65 Jahren starteten nach dem Krieg die ersten Maschinen im Inlandslinienbetrieb. Dresden damals.

Von Ralf Hübner
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Der Flughafen Klotzsche wenige Wochen nach der Eröffnung im August 1935 - eine JU 52 der Deutschen Lufthansa im Anflug.
Der Flughafen Klotzsche wenige Wochen nach der Eröffnung im August 1935 - eine JU 52 der Deutschen Lufthansa im Anflug. © Flughafen Dresden/Patrick Mai

Dresden. Er ist für viele Dresdner das Tor zur Welt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres sind am Flughafen Dresden 73.611 Passagiere gezählt worden. Er gilt als klein und machen auch als chic. Vor 65 Jahren, am 16. Juni 1957 hob die erste Maschine der damaligen Deutschen Lufthansa zu einem Inlandslinienflug ab.

Neben Dresden standen von Berlin aus Flüge nach Leipzig, Erfurt und in vorpommersche Barth auf dem Plan. Gegen 14.45 Uhr war die erste Maschine, eine IL 14, aus Berlin-Schönefeld kommend in Klotzsche gelandet. Etwa 50Minuten dauere ein Flug nach Berlin, etwa 100 einer nach Barth an der Ostsee, berichtete die Sächsische Zeitung. Im neu eröffneten Stadtbüro der Deutschen Lufthansa auf der Leubnitzer Straße herrsche Betrieb. Pausenlos klingele das Telefon. Bis zum Mittag des ersten Tages seien 150 Flüge gebucht worden. Das weitaus größte Interesse habe den Flügen nach Barth gegolten.

Auf dem Flughafen in Klotzsche hatten am 11. Juli 1935 die ersten Maschinen abgehoben. Er lag damals noch vor den Toren Dresdens. Die Hangars und technischen Einrichtungen entsprachen dem Stand der Zeit. „Dresden hat jetzt einen Flughafen, der geradezu als ideal zu bezeichnen ist“, jubelte die Presse. Ein Gartenrestaurant am Rand des Flugfeldes lockte Besucher an.

Wahrzeichen heißt „Hansahaus“

Der erste Flughafen Dresdens war 22 Jahre zuvor mit einer Kunstflugschau vor Zehntausenden Besuchern, unter ihnen König Friedrich August III., auf den Kaditzer Wiesen in Betrieb gegangen. Am Tag zuvor war das Luftschiff „Sachsen“ eingeschwebt. Für 580.000 Reichsmark war nach Plänen der Berliner Zeppelin-Hallenbau Gesellschaft eine Luftschiffhalle errichtet worden. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurde das Areal vom Militär beschlagnahmt und 1927 der Flugbetrieb in Kaditz eingestellt.

Doch schon zuvor war am 12. April 1926 mit Erstflügen nach Hamburg und Nürnberg auf dem ehemaligen Exerzierplatz und Übungsgelände der Kavallerie auf dem Heller ein neuer Flugplatz eröffnet worden, mit Landeplatz, Verwaltungsgebäude und Flugleitturm sowie zwei Flugzeughallen. Wegen der nahen Dresdner Heide kam es jedoch immer wieder zu tückischen Fallwinden, die den Piloten zu schaffen machten. So stürzte unter anderem am 6. Oktober 1930 eine Messerschmitt M20 während des Landeanfluges ab. Die zweiköpfige Crew sowie die sechs Passagiere kamen ums Leben.

Außerdem erwies sich der Flugplatz wegen des weiter anschwellenden Flugverkehrs schon rasch als zu klein. Deshalb wurde 1934 entschieden, in Klotzsche neu zu bauen. Das Projekt genoss bei der Nazi-Führung Priorität, denn die neue Anlage sollte auch von der Luftwaffe genutzt werden. In nur einem Jahr wurden auf der Rähnitzer Höhe die neuen Startbahnen angelegt. Arbeitslose und Männer vom Reichsarbeitsdienst standen als billige Arbeitskräfte bereit.

Die 88 Eigentümer von Grundstücken, Wiesen, Acker und Wald mussten die Flächen zu niedrigen Preisen abgeben oder wurden kurzerhand enteignet. Bauern wurden umgesiedelt, Häuser abgerissen. Als Ersatz für den Hochbehälter des Wasserwerkes an der Rähnitzer Windmühle wurde der Klotzscher Wasserturm gebaut.

Wahrzeichen des neuen Flughafens wurde das seinerzeit elegante Abfertigungs- und Verwaltungsgebäude, das nach der Deutschen Lufthansa AG benannte „Hansahaus“. Es war nach Plänen von Kurt Otto, einem Mitarbeiter Heinrich Tessenows, im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet worden.

Es gab ein Restaurant samt Kaffeesaal und Trinkstuben, Kegelbahn, Gartenlokal auf dem Dach sowie einige Hotelplätze, zudem Tanzveranstaltungen und einen Ruheraum für die Passagiere. Die wichtigste Fluglinie führte von Berlin über Dresden nach Prag und Wien. Weitere Verbindungen bestanden unter anderem mit Breslau, Köln, Halle/Leipzig, Hannover und Hamburg. Mit 7.913 abgefertigten Fluggästen erreichte der Flughafen 1937 seine höchste Jahresleistung vor dem Zweiten Weltkrieg.

DDR gründet Interflug

Mit dem Flughafen entstand zugleich die Luftkriegsschule Dresden, in der ab 1936 Offiziere für die Luftwaffe ausgebildet wurden. Ab 1. April 1937 übernahm die Luftwaffe die Verwaltung des gesamten Flughafens. Zivile Verkehrsflugzeuge flogen Dresden noch bis zum Frühjahr 1940 an. Der Zweite Weltkrieg brachte den zivilen Luftverkehr schließlich zum Erliegen. Aus dem Flughafen wurde ein Fliegerhorst, der am letzten Kriegstag von sowjetischen Truppen besetzt wurde.

Bis 1963 ist die DDR-Luftfahrt unter dem Lufthansa-Kranich unterwegs gewesen.
Bis 1963 ist die DDR-Luftfahrt unter dem Lufthansa-Kranich unterwegs gewesen. © Zentralbild/Naumann

Ab 1955 errichtete dann die DDR Montagehallen und weitere Gebäude für die damals neu entstandene Dresdner Flugzeugindustrie. Eine 2.500 Meter lange und 80 Meter breite Start- und Landebahn wurde betoniert. Das in den Flugzeugwerken gebaute Passagierflugzeug „152“, das erste Passagierstrahlflugzeug deutscher Produktion, stürzte 1959 bei einem Testflug ab. Der Flugzeugbau wurde 1961 eingestellt.

Die Geschichte der Deutschen Lufthansa der DDR endete 1963. In Westdeutschland war 1953 die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf (LUFTAG) gegründet worden. Diese hatte die Rechte an der alten Lufthansa erworben und war 1954 umbenannt worden.

Mit der DDR-Lufthansa kam es deshalb zu einem Rechtsstreit. Die DDR hatte schon 1958 vorsorglich die Interflug gegründet, die 1963 die einzige DDR-Fluggesellschaft wurde. Bis Ende der 1970er-Jahre gab es von Dresden Verbindungen nach Budapest, Moskau, Leningrad, Sofia, Varna, Burgas, Tatry und in weitere Städte.