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In Dresden erinnern jetzt QR-Codes an Grabsteinen an das Leben berühmter Verstorbener

Dresdens Gräber schweigen nicht mehr: Durch das Projekt "Unvergessen" kann man die Geschichten bekannter verstorbener Dresdner nun direkt am Grab erfahren - dank QR-Codes.

Von Dominique Bielmeier
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Friedhofsverwalterin Lara Schink und Sächsische.de-Redakteur Henry Berndt haben das Projekt "Unvergessen" ins Leben gerufen. Über QR-Codes erzählen Gräber die Geschichten der Bestatteten.
Friedhofsverwalterin Lara Schink und Sächsische.de-Redakteur Henry Berndt haben das Projekt "Unvergessen" ins Leben gerufen. Über QR-Codes erzählen Gräber die Geschichten der Bestatteten. © privat

Dresden. Ein Name, ein Geburtsdatum, ein Todestag, vielleicht ein paar liebevolle Worte der Hinterbliebenen: Viel mehr geben Gräber, beziehungsweise ihre Grabsteine, fast nie preis über den Menschen, der in ihnen seine ewige Ruhe gefunden hat. Wenn die eingravierte Schrift nicht bereits bis zur Unlesbarkeit verwittert ist. Was aber, wenn diese Gräber sprechen könnten? Wenn sie aus dem Leben des oder der Verstorbenen erzählen könnten und sogar sich selbst mit dem Auge des Kunsthistorikers betrachten?

Das Projekt "Unvergessen" ermöglicht genau das: Mittels QR-Codes, die an Dresdner Grabstätten angebracht werden, können Friedhofsbesucher mehr über die häufig berühmten Beigesetzten erfahren. Mit einem Handy oder Tablet gescannt, führen die Codes zu einem Videointerview mit Nachfahren der Verstorbenen sowie Texten, Bildern und einer kunsthistorischen Einordnung des Grabmals.

QR-Codes für bisher fünf Gräber auf Dresdens Friedhöfen

Über den Maler Julius Schnorr von Carolsfeld, der auf dem Alten Annenfriedhof in der Südvorstadt begraben liegt, erfährt man so zu Beispiel, dass er es war, der mit seinen Holzschnitten das Bild von Gott als altem Mann mit langem Bart und wehendem Gewand geprägt hat. "In den 20er- und 30er-Jahren war Religion in der Schule noch ein Hauptfach und als Schulbuch gab es eine Lutherbibel mit Schnorr-Bildern", erklärt Hansheinrich Schnorr von Carolsfeld, ein Nachfahre der Familie, in einem Video.

Hinter der Initiative "Unvergessen – Dresdner Persönlichkeiten und wo sie begraben liegen", ein in Sachsen bislang übrigens einzigartiges Projekt, stecken Friedhofsverwalterin Lara Schink und Henry Berndt, hauptberuflich Redakteur bei der Sächsischen Zeitung und für Sächsische.de. Die Idee dahinter: Zahlreiche Persönlichkeiten, die auf Dresdner Friedhöfen ihre letzte Ruhe gefunden haben, hätten eigentlich spannende Lebensgeschichten zu erzählen - warum sie nicht erfahrbar machen?

"Das Projekt soll einen Beitrag zur Erinnerungskultur und Konservierung von Stadtteilgeschichte in Dresden leisten", sagt Lara Schink, die Verwalterin der Dresdner Annenfriedhöfe. "Auf Friedhöfen begegnen Leben und Tod einander auf besondere Weise. Glücklicherweise gibt es noch Nachfahren Dresdner Persönlichkeiten, die eine Verbindung zu den Menschen und Grabstellen pflegen."

Spenden, Sponsoren und weitere Nachfahren gesucht

Bisher erfahren Friedhofsbesucher unter anderem etwas über den Psychiater Paul Näcke, ein Freund von Karl May, über Paul Büttner, den musikalischen Volkserzieher und letzten großen Sinfoniker, sowie über Alfred Neugebauer, den Retter des Davidsterns von der Dresdner Synagoge. Sie alle liegen auf den Annenfriedhöfen begraben, vier auf dem Alten und einer, Paul Büttner, auf dem Neuen Annenfriedhof. Gefördert haben das Projekt die Stadtbezirksämter in Plauen und Cotta.

"Hinter jedem dieser Namen stecken berührende, spannende und manchmal skurrile Lebensgeschichten", sagt Henry Berndt. Und das nicht nur auf den Annenfriedhöfen, deshalb ist geplant, das Projekt auch auf andere Friedhöfe in Dresden auszudehnen. Dafür sind die Initiatoren nun auf Spenden und Sponsoren sowie fachliche Unterstützung, beispielsweise von Geschichtswissenschaftlern und Vereinen, angewiesen. "Sehr gern können sich auch weitere Nachfahren von Familien melden, die Dresdens Stadtgeschichte geprägt haben und von denen ein Grab auf einem Dresdner Friedhof existiert", sagt Lara Schink.

Dabei gebe es keine Zeit zu verlieren: Die meisten der Nachfahren berühmter Persönlichkeiten seien schon über 80 Jahre alt. Bald könnten ihre Erinnerungen und damit die Geschichten ihrer Ahnen verloren gehen, wenn sie nicht rechtzeitig durch das Projekt "Unvergessen" festgehalten werden, befürchten Lara Schink und Henry Berndt.

Geplant ist übrigens auch, die Texte und Bilder später in einem Buch zusammenzufassen, in der Hoffnung, dass die Geschichten dieser bekannten Dresdner so wirklich "unvergessen" bleiben.

Weitere Informationen gibt es unter www.annenfriedhof-dresden.de/unvergessen.