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Zehn Jahre Waldschlößchenbrücke Dresden: neuer Tempo-Rekord und 5,5 Millionen Euro eingeblitzt

Zum Jubiläum der Dresdner Waldschlößchenbrücke ist noch immer offen, ob das nächtliche Tempo-30-Limit fallen muss. Ob die Stadt Fledermäuse nachweisen konnte und woher der neue Tempo-Rekord kommt.

Von Peter Hilbert
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Mit 139 Stundenkilometern ist dieses Jahr ein Auto auf der Waldschlößchenbrücke geblitzt worden. Zehn Jahre gibt es die Dresdner Brücke inzwischen.
Mit 139 Stundenkilometern ist dieses Jahr ein Auto auf der Waldschlößchenbrücke geblitzt worden. Zehn Jahre gibt es die Dresdner Brücke inzwischen. © Christian Juppe

Dresden. Auf den Tag zehn Jahre ist es her, dass die Waldschlößchenbrücke nach knapp sechsjähriger Bauzeit am Sonnabend, dem 24. August 2013, offiziell übergeben wurde. Als das gelb-schwarze Eröffnungsband damals durchschnitten wird und 2.000 gelbe Luftballons in den Himmel steigen, strömen 10.32 Uhr die ersten Besucher auf die Brücke. Ein Rückblick auf eines der umstrittenste Bauprojekte in der Dresdner Geschichte.

Der Auftakt: 190.000 Besucher feiern Eröffnung

Mit Hund, Fahrrad, Kind und Kinderwagen gehen sie über der Elbe spazieren. 130 Künstler sorgen auf und um die Brücke für Unterhaltung.

Mit einem ganz besonderen Auftritt wird auch Straßenbauamtschef Reinhard Koettnitz, der Besuchern bei Führungen die neue Brücke zeigt, überrascht. Die vietnamesische Blumenprinzessin Thien Hoa Minh aus der Johannstadt singt augenzwinkernd das extra für ihn gedichtete Lied "Der Brückenbogen verbindet die Liebe". Darin heißt es: "Oh mein Koettnitz, Sie verbinden die Liebe mit Ihrer Tätigkeit, um mit der Liebe das Volk zu umhüllen". An jenem Wochenende feiern insgesamt 190.000 Besucher die Eröffnung, bevor ab dem darauffolgenden Montag der Verkehr rollt.

Über diese Brücke musst Du gehen, dachten sich die Massen am 24. und 25. August 2013. Rund 190.000 Besucher testeten am Eröffnungswochenende die Waldschlößchenbrücke zu Fuß.
Über diese Brücke musst Du gehen, dachten sich die Massen am 24. und 25. August 2013. Rund 190.000 Besucher testeten am Eröffnungswochenende die Waldschlößchenbrücke zu Fuß. ©  Wolfgang Wittchen (Archiv)

Rund 179 Millionen Euro hat die Stadt für das Großprojekt investiert, für das es nach wie vor keine gültige Baugenehmigung gibt.

Der neue Temporekord: für Fahrer keine Konsequenzen

Weit über Dresden hinaus haben die beiden rund 160.000 Euro teuren Hightech-Blitzer auf der Brücke Berühmtheit erlangt. Am Anfang gab es sogar noch Kraftfahrer, die bewusst etwas schneller fuhren, um ein besonderes Erinnerungsfoto von sich auf der Waldschlößchenbrücke zu bekommen. Diese Zeiten sind aber längst vorbei.

Seit der Brückeneröffnung bis Ende Juli wurden bereits 163.792 Kraftfahrer - wohl eher unfreiwillig - geblitzt, teilt das Ordnungsamt mit. Der Großteil von ihnen war in Richtung Johannstadt unterwegs, da es dort bergab aus dem Tunnel heraus geht. Sie zahlten dafür Verwarnungs- und Bußgelder von knapp 5,5 Millionen Euro.

In der Reicker Betriebszentrale wird der Waldschlößchentunnel rund um die Uhr überwacht. Auf der Brücke erfassen Zählstellen Autos und Radfahrer.
In der Reicker Betriebszentrale wird der Waldschlößchentunnel rund um die Uhr überwacht. Auf der Brücke erfassen Zählstellen Autos und Radfahrer. © Sven Ellger

Der bisherige Spitzenreiter war ein BMW-Fahrer, der im Juli 2021 gegen Mitternacht aus dem Tunnel in Richtung Johannstadt brauste, als er bei 118 km/h den Blitz sah. Zulässig sind nachts 30 km/h. Als Quittung hat er 1.600 Euro Geldbuße und zwei Punkte in Flensburg bekommen. Außerdem musste er einen Monat seinen BMW stehen lassen.

Zwar gibt es dieses Jahr einen neuen Rekord, bei dem allerdings ein Zivilfahrzeug der Polizei erfasst wurde. Es fuhr an einem Dienstag um 20.29 Uhr bei zulässigen 50 km/h mit Tempo 139 über die Brücke. "Das Polizeifahrzeug war aber nachweislich in einen Einsatz involviert", erklärt das Ordnungsamt. Deshalb wird der Verstoß nicht geahndet.

Der Nachweis: Fledermäuse an Brücke gefangen

Die Waldschlößchenbrücke ist Deutschlands teuerste Tempo-30-Zone. Das hat sie der seltenen Fledermausart Kleine Hufeisennase, genannt Hufi, zu verdanken. Um sie zu schützen, ordnete das Oberverwaltungsgericht Bautzen im November 2007 das nächtlich Tempo-30-Limit im Sommerhalbjahr an, das von den Blitzern überwacht wird.

Zudem wurden beiderseits der Elbe unter der Brücke jeweils 350 Meter lange Fledermausautobahnen aus Purpurweiden und Schneeballsträuchern angelegt. Sie sollen Hufi & Co. unter der Brücke hindurchleiten. Allerdings zweifeln viele daran, dass es dort überhaupt Fledermäuse gibt.

Gut gewachsen sind die aus Purpurweiden und Schneeballsträuchern bestehenden Fledermausautobahnen beiderseits der Elbe. Beide Strauchreihen wurden bereits zurückgeschnitten. Das geschieht jeweils zur Hälfte alle sechs Jahre.
Gut gewachsen sind die aus Purpurweiden und Schneeballsträuchern bestehenden Fledermausautobahnen beiderseits der Elbe. Beide Strauchreihen wurden bereits zurückgeschnitten. Das geschieht jeweils zur Hälfte alle sechs Jahre. © René Meinig (Symbolfoto)

Deshalb hatte die Stadt auf Veranlassung des Umweltamtes die Nutzung der Fledermausautobahn auf der Neustädter Seite untersuchen lassen. Dabei waren an den Hecken und an der Sängereiche an einem Termin Mitte August 2022 Hochnetze aufgestellt worden. "Im Rahmen des Netzfangs wurden insgesamt 26 Exemplare der Fledermausarten Wasserfledermaus, Zwergfledermaus und Braunes Langohr durch Fledermausexperten gefangen und dann gleich wieder freigelassen", erklärt das Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft.

Besonders mit dem Fang von Wasserfledermäusen und Braunen Langohren sei klar belegt, dass die Strauchreihen von Fledermäusen genutzt werden. "Denn bei beiden Arten handelt es sich um sehr leise rufende Arten, die sich im Elbraum mit Ultraschall an der Fledermausleitstruktur orientieren und dort entlangfliegen", erläutert das Amt.

Außerdem wurde ein weibliches Braunes Langohr gefangen, das kurz nach der Stillzeit war. Damit konnte indirekt nachgewiesen werden, dass sich im Brückenumfeld Vermehrungsquartiere befinden, die sich sowohl in Baumhöhlen als auch in Gebäuden befinden können.

Die Radwege: 1,2 Millionen Radfahrer im Jahr

Nicht nur von Autos wird die Brücke gut genutzt. Nach der Eröffnung wurden im September 2013 knapp 63.000 Radler gezählt, im Verlaufe der Jahre immer mehr. So wurde im Juni 2016 erstmals die 100.000er-Marke geknackt. Die monatliche Zahl hat sich seit der Eröffnung mehr als verdoppelt, wie die Statistik des Straßen- und Tiefbauamtes ausweist. Der bisherige Spitzenmonat war der Juli 2020 mit 140.602 Radfahrern. Das Coronajahr 2020 wurde mit über 1,24 Millionen Radfahrern zum Rekordjahr, 2021 waren es knapp 1,1 Millionen und 2022 rund 1,2 Millionen.

Immer mehr Radfahrer nutzen die breiten Wege auf der Waldschlößchenbrücke. Im vergangenen Jahr waren es rund 1,2 Millionen.
Immer mehr Radfahrer nutzen die breiten Wege auf der Waldschlößchenbrücke. Im vergangenen Jahr waren es rund 1,2 Millionen. © Symbolbild: Rene Meinig

Genauso ist der Trend bei Autos. Nach der Eröffnung fuhren noch rund 24.000 PKW täglich über die Brücke. Während der Sanierung der benachbarten Albertbrücke waren es in Spitzenzeiten bis zu 39.000. Nach dem Rückgang während der Lockdowns stieg der Durchschnitt wieder auf rund 33.000 Autos täglich.

Die Baugenehmigung: 1.400 Seiten werden geprüft

Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit der sogenannten Planfeststellung im Juli 2016 die Baugenehmigung für die Brücke gekippt. Nachgeholt werden musste die Umweltverträglichkeitsprüfung nach den strengen EU-Richtlinien für Flora-Fauna-Habitate (FFH). Dabei wird auch geprüft, ob das nächtliche Tempo-30-Limit zum Schutz der Fledermäuse im Sommerhalbjahr auch künftig gilt. "Eine Aufhebung ist nicht angezeigt", erläutert das Straßenbauamt. Doch das entscheidet letztlich die Landesdirektion.

Die Stadt hatte die sieben Ordner umfassenden ergänzenden Planfeststellungsunterlagen mit einem Umfang von mehr als 1.400 Seiten sowie weitere erläuternde Berichte und Pläne bei der Landesdirektion Sachsen (LDS) eingereicht. Sie lagen Ende 2022 aus. "Daraufhin gingen acht Stellungnahmen ein", erklärt das Straßenbauamt.

"Nach Abschluss der öffentlichen Auslegung der von der Landeshauptstadt Dresden eingereichten Unterlagen sind bei der Landesdirektion Sachsen umfangreiche Einwendungen eingegangen", erklärt Sprecher Ingolf Ulrich. "Mit diesen setzt sich die LDS aktuell auseinander." Es sei noch nicht absehbar, wann die Entscheidung zur Planfeststellung fällt.