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Hier gibt's Dresdens besten Stoff

Seit 25 Jahren geht Lorna Mateev auf Tuchfühlung. Sie spürt und riecht Qualität, schreckt auch vorm Zündeln nicht zurück. Das macht ihr Geschäft so besonders.

Von Nadja Laske
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"Nichts lässt der Mensch so nahe an seinen Körper heran, wie den Stoff seiner Kleidung", sagt Lorna Mateev. Deshalb achtet sie in ihrem Stoffladen auf der Förstereistraße 37 auf besonders gute Qualität.
"Nichts lässt der Mensch so nahe an seinen Körper heran, wie den Stoff seiner Kleidung", sagt Lorna Mateev. Deshalb achtet sie in ihrem Stoffladen auf der Förstereistraße 37 auf besonders gute Qualität. © René Meinig

Dresden. Das Schneiderlein hat schon so viel kommen sehen. Es sitzt in Lorna Mateevs Schaufenster und hat die Straße im Blick. Woher genau die Puppe stammt, weiß die Ladenbesitzerin nicht. "Kinder haben sie mir vor einiger Zeit gebracht", sagt sie. Ein Dachbodenfund, der bei der 52-Jährigen in besten Händen ist.

Seit 25 Jahren betreibt sie das Stoff-Geschäft "Zic Zac" in der Dresdner Neustadt. Mehr als 1.000 verschiedene Stoffe bietet sie an. Die liegen zu Ballen gewickelt dicht gedrängt in den Regalen und schaffen im Raum ein fröhliches Ambiente.

Selbst wer nicht näht und eher zufällig hereinschneit, kann staunen. Lorna Mateev führt durch ihr Reich wie durch eine große Schau bunter Exponate. Stoffarten, Stoffstärken, Stoffzusammensetzungen, die Geschichte der Stoffe, ihre Herkunft und ihr Wandel im Laufe der Zeit - über all das kann sie wunderbar berichten.

"Das Nähen hat mir meine Oma beigebracht", erzählt Lorna. Schon als Mädchen nähte sie sich ihre Kleidung selbst, sogar das Tanzstunden- und das Jugendweihekleid. "War ja praktisch", sagt sie. Schließlich bot die Damenkonfektion der Warenhäuser eher ein trauriges Bild. Wer individuell gekleidet gehen wollte, musste sich etwas einfallen lassen.

Luxusklamotten im Exquisit

"Am liebsten wäre ich Damenmaßschneiderin geworden", erzählt sie. Doch das wollten zu viele Mädchen. Also wurde sie Weberin. Damit lernte sie von der Pike auf genau das, was sie heute zu einer echten Stoffe-Expertin macht. Viele Jahre Erfahrung kommen dazu. Im Anschluss an ihre Lehre gingt Lorna Mateev zum Studium der Textiltechnik, doch dann kam alles anders.

Wer gut verdiente und einen höheren Anspruch an Mode, aber keine spendablen Einkleider im Westen hatte, konnte in speziellen Läden fündig werden. Dort hatten DDR-Bürger die Möglichkeit, ohne D-Mark höherwertige Artikel zu kaufen. "Die Bekleidung wurde extra dafür genäht", erzählt Lorna Mateev, für die sich unerwartet eine Anstellung bei "Exquisit" ergab. Sie war dort mit für die Produktion zuständig. Stoffe, Garn, Reißverschlüsse, alles, was man dafür brauchte, kam aus der DDR oder aus anderen sozialistischen Ländern. "Wir haben für das Exquisit und für den Export produziert", erzählt sie.

Doch die spannende Arbeit war nur von kurzer Dauer. Schon ein halbes Jahr, nachdem sie dort zu arbeiten begonnen hatte, war Schluss - mit dem Job, dem "Ex" und mit der ganzen DDR. "Es gab Überlegungen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, aber wir wären nicht marktfähig gewesen. Unser Chef hat uns das genau vorgerechnet." Würde eine Damenhose für 18 D-Mark die Laderampe verlassen, müsste sie für den Endkunden 125 D-Mark kosten. Die Differenz fresse der gesamte Zwischenhandel auf. "So etwas konnte nicht funktionieren", sagt Lorna Meteev.

Allzu sehr geschmerzt hat sie das damals nicht. Die Zeit war aufregend und sie noch jung, gerade mal 20 Jahre alt. Die Welt stand ihr offen. Zum Beispiel für ein Praktikum bei einem türkischen Stoffhändler in Berlin und in einer Schneiderei. "Dann konnte ich mir eine Umschulung aussuchen und habe mich für die Ausbildung zur Werbekauffrau entschieden."

Ein Neustart in dieser Branche hätte gut werden können. Doch es kam besser: Weil Lorna trotz des grenzenlosen Konsumangebotes weiterhin ihre Kleidung am liebsten selbst schneiderte, fiel ihr etwas auf: "In Dresden gab es Mitte der 90er-Jahre noch keinen Stoffladen, wie ich ihn mir gewünscht hätte." Also beschloss sie, selbst einen zu eröffnen. Den längsten Atem hatte doch die Großmutter, die ihr einst die ersten Stiche und Schnitte beigebracht hatte.

"Ich möchte Frauen und natürlich auch Männern ermöglichen, individuell zu sein und ihre Ideen umzusetzen", sagt sie. Deshalb setzt sie auf gute Beratung und jede Menge Fachwissen, Motivation und darauf, Neugierigen in Nähkursen das nötige Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben. Dabei liegt ihr beste Qualität am Herzen. "Denn wenn man sich schon die Mühe macht, zu nähen, dann sollten die Stoffe auch gut sein." Gut bedeutet, möglichst natürlich und ökologisch: Baumwolle, Viskose, Leinen.

"Ich brauche einen Stoff nur anzufassen, um zu wissen, ob er gut ist oder nicht", sagt sie. Den Rest macht der Geruch. Lornas Nase verrät ihr vieles davon, wie die Faser behandelt worden ist. Allerdings gibt es heute auch Stoffe, die Naturprodukten optisch und haptisch so zum Verwechseln ähneln, dass nur noch ein Trick hilft: die Feuerprobe. "Echte Seide kann man an der Art zu brennen erkennen."

Stollenmädchen im robusten Zwirn

Seide schickt sich für Adelige wie August den Starken. Den Stoff für seine Kostüme hat dessen Double Steffen Urban, der auch dem Dresdner Striezelmarkt zu einem imposanten Weihnachtsmann verhalf, überwiegend bei Lorna Mateev im "Zic Zac" ordern lassen. "Auch der Stoff, aus dem das Kleid des Dresdner Stollenmädchens gefertigt ist, kommt von hier", sagt sie. In einem dicken Ordner bewahrt sie Fotos von Künstlern auf, die in ihre Stoffe gehüllt sind.

"Der Stoff für ein August-Kostüm oder das Stollenmädchenkleid muss sehr belastbar sein", weiß Lorna. Schließlich wäre eine Maßanfertigung für jede neue Striezel-Botschafterin zu teuer. Das Kleid hat viel auszuhalten, muss zahlreiche Auftritte, Reinigungen und auch Stollenmädchen überstehen. Ob die Robe nun überhaupt zum Tragen kommt, ist unklar. Alle Beteiligten bangen noch um den diesjährigen Striezelmarkt und alle anderen Weihnachtsmärkte der Stadt.

Für ihren kleinen, feinen Weihnachtsbasar indes ist Lorna Mateev voller guter Hoffnungen. Den plant sie zusammen mit einer befreundeten Keramikerin am ersten Adventswochenende in ihrem Laden. Dann wird es im "Zic Zac" nicht nur Stoffe, sondern auch Geschenkideen aus der Keramikwerkstatt "Der gute Ton" geben. Ein schöner Auftakt zur Weihnachtszeit: bunt, kreativ und individuell.

Adventsmarkt im Zic Zac: 26. bis 28. November, Freitag und Samstag, jeweils 10 bis 18 Uhr, Sonntag 11 bis 16 Uhr. www.ziczac-stoffe.de